Beschluss: abgelehnt

Abstimmung: Ja: 5, Nein: 5, Enthaltungen: 0

Beschluss:

Der Antrag der CDU-Fraktion auf Änderung der Nahbereiche wird abgelehnt.


Der Tagesordnungspunkt wurde vorgezogen und direkt im Anschluss an die Einwohnerfragestunde behandelt.


Zum Sachverhalt:

Die Schülerbeförderung im Landkreis Friesland organisiert täglich die Beförderung von rund 4.500 Schülerinnen und Schülern. Nach der Auflösung der Außenstelle des Mariengymnasiums in Schortens fahren derzeit 296 Schüler aus dem nördlichen Kreisgebiet täglich von und nach Jever zum Mariengymnasium. Im Rahmen der Prüfung, ob ein Beförderungsanspruch vorliegt ist grundsätzlich zwischen der allgemeinen Anspruchsprüfung und der einzelfallbezogenen Anspruchsprüfung aufgrund einer besonderen Gefährlichkeit des Schulwegs zu unterscheiden.


a) Allgemeine Anspruchsprüfung

Grundlage für die Anspruchsprüfung ist dabei die Schülerbeförderungssatzung des Landkreises und der § 114 NSchulG. Dort wird die Schülerbeförderung dem Landkreis als eigener Wirkungskreis übertragen, den er durch seine Satzung beordnet, und der Kreis der Anspruchsberechtigten festgelegt. Mit seiner Schülerbeförderungssatzung formuliert der Landkreis seine Bedingungen für die Umsetzung im eigenen Wirkungskreis.

Für den Landkreis Friesland wurde der Kreis der Anspruchsberechtigten aus dem § 114 NSchulG übernommen und keine weiteren Anspruchsberechtigten (§ 1) hinzugefügt. Die in der Satzung festgelegten Entfernungsgrenzen (§ 2) sind entlang der Rechtsprechung sowie dem ehemals geltenden Schülerbeförderungserlass entwickelt und vom Kreistag beschlossen worden. Hierin enthalten ist bereits eine Differenzierung nach Leistungsfähigkeit nach Altersgruppen und zumutbarer Entfernung erfolgt (§ 2 Abs. 4). Mit Hilfe eines Geoinformationssystems (GIS) werden die Grenzen der Nahbereiche entlang der tatsächlichen Straßen- und Wegeverläufe errechnet und können dann karthografisch dargestellt werden. Gleichzeitig kann über die Adresspunkte eindeutig identifiziert werden, ob der Wohnort einer/s Schülerin bzw. Schülers innerhalb oder außerhalb eines Nahbereichs liegt. Bei Änderungen, z. B. dem entstehen neuer Siedlungsteile, werden die Nahbereiche angepasst. In diesem Sinne ist das Wort „orientieren“ (§ 2 Abs. 2) nicht mit einer straßenbezogenen Einzelfallprüfung gleichzusetzen. Die Nahbereich sind damit nichts anderes als die rechnerisch ermitteltete Überprüfung der Entfernung und deren grafische Darstellung als Grundlage für die Ermessensentscheidungen. Satzung und Nahbereiche stellen damit die Ausformulierung der Zumutbarkeitsgrenzen aus dem § 114 NSchG dar und sind für die Verwaltung bindende Vorgabe für die Ermessensentscheidungen in der Anspruchsprüfung.

Die Schülerbeförderungskosten sind dem eigenen Wirkungskreis zugeordnet, so dass keine Erstattung von Land oder Bund erfolgen. Deshalb sind alle über den § 1 hinausgehende Ansprüche oder Reduzierungen der Entfernungen nach § 2 Abs. 3 (haushalts-) rechtlich als freiwillige Leistungen einzuordnen.


b) Einzelfallprüfung

Davon differenziert zu sehen ist die Einzelfallbetrachtung bei einer besonderen Gefährlichkeit des Schulwegs im Sinne des § 1 Abs. 4 der Satzung und nicht bei den üblichen Gefahren des Straßenverkehrs. Hier hat die Rechtsprechung eindeutige Kriterien entwickelt. Ein besonders gefährlicher Schulweg ist etwa dann anzunehmen, wenn der Schulweg besonders wegen der besonderen Verkehrssituation oder der gesteigerten Wahrscheinlichkeit einer Gewaltstraftat gefährlich ist (Brockmann/Littmann/Schippmann, Kommentar zum NSchG, § 114, 3.2; Stand: 27.10.2014; Kommunal- und Schulverlag, Wiesbaden). Hierbei ist auch die Leistungsfähigkeit der jeweiligen Person in Abhängigkeit von Alter und persönlicher Reife einzustellen. Besondere Witterungslagen treffen dabei sämtliche Verkehrsteilnehmer gleichermaßen und werden nicht als Kriterium für eine besondere Gefährdung herangezogen, sondern fallen unter die allgemeinen Gefahren des Straßenverkehrs. Liegt tatsächlich eine unzumutbare witterungsbedingte Gefährdung vor, wird in der Regel der Unterricht im gesamten Kreisgebiet abgesagt.


Überprüfung für die Situation der Schülerinnen und Schüler Mariengymnasium Jever aus Schortens:


a) Anpassung der Nahbereiche:

Eine Anpassung der Nahbereich nicht nur für das Mariengymnasium und nur für einen Ort erfolgen, sondern muss dann über alle Stufen der aller Schulformen vorgenommen werden. Für eine Anpassung der Nahbereich müssten zunächst die Entfernungsgrenzen nach § 2 Abs. 4 der Satzung geändert werden. Eine solche Anpassung des § 2 Abs. 4 würde dann gleichermaßen für die IGS-Nord und Süd, das Lothar-Meyer-Gymnasium Varel sowie sämtliche Oberschulen gelten. Erst dann können die Nahbereiche neu ermittelt werden und würde zu neuen Ansprüchen im gesamten Kreisgebiet führen. Eine andere Vorgehensweise wäre hingegen nicht mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung zu vereinbaren. Allein für die beantragte Reduzierung des Nahbereichs „Mariengymnasium“ auf z. B. 2,5 km erhöht sich die Zahl der anspruchsberechtigten Schülerinnen und Schüler von 296 auf 383 und somit die Kosten um rund 40.000 EUR pro Jahr (!) als freiwillige Leistung. Eine Anpassung aller Bereiche der anderen acht weiterführenden Schulen im Landkreis Friesland würde demnach Mehrkosten in Höhe von mindestens 320.000 € verursachen.


b) Besondere Gefährlichkeit des Schulweges:

Eine Ausnahmegenehmigung für Schülerinnen und Schüler aus Schortens zum Mariengymnasium in Jever aufgrund der besonderen Gefährlichkeit des Schulwegs kommt gleichermaßen nicht in Frage. Beide Hauptfahrrouten von Schortens nach Jever entlang der alten Bundesstraße sowie der Chausseehaus / Jeversche Straße erfüllen die Kriterien der besonderen Gefährlichkeit – insbesondere im kreisweiten Vergleich - nicht. Beide Strecken sind in ausreichenden Abständen mit Wohn- oder sonstiger Bebauung ((< 650 m; (OVG Lüneburg, Urteil vom 19.06.1996)) besetzt, verfügen über von der Fahrbahn getrennte Geh- und Radwege sowie Lichtsignalanlagen oder andere Querungshilfen an den Knotenpunkten. Im Bezug auf die Situation im ländlichen Raum ist die Strecke insgesamt nicht im besonderen Maß gefährlich. Ähnliche Verhältnisse bestehen im Bereich Bockhorn – Steinhausen oder Driefel-Zetel bzw. Neuenburg – Zetel. Ein Abweichen von der bisherigen Praxis für eine einzelne Schule würde also auch hier eine Vielzahl zusätzlicher Ansprüche auslösen oder den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzen.


Zusammenfassung: Aus Sicht der Verwaltung ist der Antrag abzulehnen, da er zum einen erhebliche Kostensteigerungen verursacht und zum anderen, in der gestellten Form, den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt.


Herr KTA Ratzel äußert einleitend, dass ihn eher Lösungen für das Problem interessiert hätten, statt ausführliche Informationen dazu, warum der Antrag abgelehnt werden muss.


Landrat Ambrosy berichtet dazu, dass dem Landkreis das Problem durchaus bekannt ist, er aber auch durch Gesetze, Urteile und die eigene Satzung gebunden ist. Die Satzung wurde durch den Kreistag beschlossen. Sie könnte natürlich durch einen neuen Beschluss geändert werden, die Änderung könnte dann aber nicht nur für diesen Einzelfall erfolgen, sondern müsste aus Gründen der Gleichbehandlung für den gesamten Landkreis gelten. Eine Änderung für den gesamten Landkreis würde die Kosten der Schülerbeförderung nochmals um rund 320.000 € erhöhen. Die Einzelfallbetrachtung der SchülerInnen aus Schortens, die zum Mariengymnasium nach Jever müssen, und damit die fehlende Gleichbehandlung ist Grund für die Ablehnung des Antrags durch den Landkreis.


Ausschussvorsitzender KTA Busch stellt sich dazu vor die Verwaltung, da diese aufgrund der Gesetzeslage so entscheiden musste.


Herr KTA Pauluschke ergänzt zu den Ausführungen von Landrat Ambrosy, dass die Schülerbeförderungskosten in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen sind und deshalb schon oft über die Satzung gesprochen wurde. Das größte Problem ist, dass sich die Städte und Gemeinden immer weiter ausdehnen und Wohngebiete in den Randgebieten hinzukommen, während die Schulen an den zentralen Standorten bestehen bleiben. Das Problem, welches Herr Brüggemann geschildert hat, besteht auch in anderen Orten, bspw. zwischen Blauhand und Zetel. Es würden viele Einzelfälle hinzukommen, die nicht alle umgesetzt werden können, weshalb SPD und Grüne den Antrag ablehnen.


Daraufhin betont Herr KTA Zillmer noch einmal, dass das Kindeswohl in jedem Fall im Vordergrund stehen sollte, weshalb die CDU-Fraktion bei ihrem Antrag bleibt bzw. ihn auf den gesamten Landkreis erweitert, woraufhin Ausschussvorsitzender Busch das weitere Vorgehen besprechen möchte.


Landrat Ambrosy schlägt vor, den Antrag in die Haushaltsberatungen aufzunehmen und macht nochmals deutlich, dass er Verständnis für die Situation hat, in diesem Fall aber eine hinnehmbare Situation vorliegt. Würde eine Gefahrenlage vorliegen, wäre der Landkreis gezwungen zu handeln und würde dies auch sofort tun.


Herr KTA Ratzel äußert daraufhin, dass wohl erst einmal etwas passieren muss, bevor gehandelt wird und erkundigt sich, ob die Eltern eine Kostenerstattung erhalten könnten, wenn sie in bestimmten Fällen ihre Kinder selber zur Schule bringen würden, was Landrat Ambrosy jedoch auch verneint.


Ausschussvorsitzender KTA Busch will nicht so stehen lassen, dass erst gehandelt wird, wenn etwas passiert ist. KTA Pauluschke sieht keinen Sinn darin, den Antrag, auch auf den gesamten Landkreis bezogen, noch einmal in die Fraktionen zu geben, da es sich der Landkreis aus rechtlichen und finanziellen Gründen nicht leisten kann, eine Anpassung vorzunehmen.


Herr KTA Zillmer betont ebenfalls, dass er den Antrag nicht noch einmal in die Fraktionen geben möchte, sondern heute ein endgültiges Votum erwartet.


Herr KTA Ostendorf schildert unterstützend für den Antrag aus eigener Erfahrung, dass der Radweg Jever – Schortens tatsächlich sehr schlecht ausgeleuchtet und im Dunkeln nur sehr schwer einsehbar ist.


Erste Kreisrätin Frau Vogelbusch stellt daraufhin klar, dass bei Bezahlung der Fahrkarten durch die Eltern die betroffenen Kinder den Schulbus auf jeden Fall nutzen können und der Landkreis in dem Fall ein entsprechendes Platzangebot organisieren würde.

Würde man dem Antrag stattgeben, würde ein Präzedenzfall geschaffen werden. Der Bauausschuss sollte sich mit der Beleuchtung der Strecke befassen.


Trotz der umfassenden Diskussion wird nun über den Antrag beschlossen.

Der Ausschuss für Wirtschaft, Tourismus, Kreisentwicklung und Finanzen beschließt wie folgt:


Abstimmungsergebnis:

5 JA, 5 NEIN, 0 Enthaltungen


Über die Auswirkungen des Abstimmungsergebnisses wird kurz diskutiert, die ablehnende Formulierung des Beschlussvorschlags wird für unglücklich gehalten. Die Verwaltung wird gebeten, Beschlussvorschläge zukünftig positiv zu formulieren. Der Antrag der CDU-Fraktion wird nicht angenommen. Ein anders lautender Antrag / Beschlussvorschlag wird nicht eingebracht.