Nachtrag: 22.02.2008 Nummer 1

Beschluss: mehrheitlich beschlossen

Abstimmung: Ja: 20, Nein: 15, Enthaltungen: 3

Beschluss:


Abstimmung zur Verabschiedung nachfolgender Entschließung:

(weitergehender Antrag gegenüber Nichtbefassung wegen Unzuständigkeit)


Der Kreistag des Landkreises Friesland fordert die EWE auf, sich ihren Kunden gegenüber auf verbindliche und nachrechenbare Kriterien für Preisänderungen festzulegen und zur Begründung und Überprüfung der für den 01.04.2008 angekündigten Gaspreiserhöhung entsprechende Zahlen und Daten zur Verfügung zu stellen.





Auf den beigefügten bzw. im Kreistagsinformationssystem abrufbaren Antrag der BfB-Fraktion vom 21.02.2008 wird verwiesen.


Kreistagsabgeordneter Just erläuterte die im o. a. Schreiben formulierte Aufforderung an die EWE, sich ihren Kunden gegenüber auf verbindliche und nachrechenbare Kriterien für Preisänderungen (Erhöhungen und Senkungen) festzulegen und zur Begründung und Überprüfung der für den 01.04.2008 angekündigten Gaspreiserhöhung entsprechende Zahlen und Daten zu Verfügung zu stellen. Den Kunden solle so ermöglicht werden, Erhöhungen bzw. Senkungen auf ihre Angemessenheit und den richtigen Zeitpunkt hin zu bewerten.


Der Landkreis Friesland sei zweitgrößter Anteilseigner an der EWE. Zweck der Beteiligung sei u. a. eine preisgünstige Energieversorgung der Region. Es gelte die Kunden bei angekündigten Preiserhöhungen zu unterstützen und ihnen das Nachvollziehen der Maßnahmen zu ermöglichen. Bei der aktuell vorgesehenen Erhöhung um 12,2 % sowie bei vorhergehenden Anhebungen sei lediglich bekannt, dass ein Energiepreisanstieg die Ursache sei. Warum aber 12,2 % und warum zu genau diesem Zeitpunkt - dies könne der Verbraucher nicht bewerten.


Die EWE sollte ihre Kunden wie gleichberechtigte Vertragspartner behandeln. Gaskunden seien in überwiegender Zahl keine Tarif-, sondern Sondervertragskunden. Es stelle sich die Frage, ob EWE insbesondere diesen Kunden gegenüber ein einseitiges Preiserhöhungsrecht habe. Mit einer bloßen Bekanntgabe der Gaspreissteigerung in der Presse sei es nicht getan.


In Bremen und Nordrhein-Westfalen liege ein aktuelles Urteil vor, dass bei Sondervertragskunden in den Verträgen Preisanpassungsklauseln enthalten sein müssten, aus denen Zeitpunkt und Bedingungen anstehender Preisveränderungen hervorgingen. Die Verbraucher seien darauf hinzuweisen, anhand welcher Zahlen ihnen eine Überprüfung möglich sei - dies sei bei EWE derzeit nicht der Fall.


Für Sonderverträge müssten allgemeine gesetzliche Regelungen wie im Mietvertragsrecht u. ä. gelten. Es gelte das Transparenzgebot.


Die Vertreter in den Gremien der EWE sollten sich für die im Antrag formulierten Forderungen einsetzen.



Landrat Ambrosy erklärte, der Landkreis Friesland sei Mitglied im Zweckverband EWE. Für den Aufsichtsrat und den Vorstand jedoch seien die Bestimmungen des Aktienrechts maßgeblich; demnach seien sie weisungsunabhängig. Eine Entschließung des Kreistages könne daher für diese Gremien keine rechtliche Bindungswirkung entfalten; der Kreistag sei unzuständig. Zudem habe eine notwendige Vorbereitung des Antrages durch den Fach- und Kreisausschuss nicht stattgefunden.


Es gebe mittlerweile Entscheidungen des Landgerichts Oldenburg sowie des Bundesgerichtshofes dazu, wonach die Vorgehensweise der EWE AG rechtlich nicht zu beanstanden und ausreichend sei. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung nach BGB müsse die EWE ihre Rechnung dem Gericht gegenüber darlegen; diese Offenlegung sei ausreichend. Dem Kern der Entschließung werde also im Grunde bereits im Rahmen der Rechtslage entsprochen.


Kreistagsabgeordneter Kammer erklärte, im Entschließungsantrag der BfB-Fraktion komme die fast ohnmächtige Wut der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Energieversorgern zum Ausdruck. Erneut seien Energiepreiserhöhungen in zweistelligem Bereich hinzunehmen. Der Kreistag habe nur die Möglichkeit, einen gemeinsamen Protest und Appell an die Aufsichtsratsmitglieder zu formulieren, der Entwicklung so weit wie möglich entgegen zu wirken. Für den Normalbürger seien die Preisanhebungen nicht mehr nachvollziehbar und leistbar. Gleichzeitig verkünde EWE, man stehe hervorragend da und suche einen Partner zur weiteren Verbesserung der Situation. Es müsse zu mehr Offenheit und Transparenz bei den Preisen kommen. Diese Tendenz werde auch durch die Bundesregierung nachdrücklich forciert.


Im Zusammenhang mit der Frage, ob der Landkreis Friesland seine Anteile an der EWE verkaufen sollte, sei um Klärung gebeten worden, ob es ggf. weitere verkaufswillige Anteilseigner gäbe.


Die CDU-Fraktion unterstütze den Entschließungsantrag der BfB-Fraktion.


Kreistagsabgeordneter Just ergänzte, eine Überprüfung der Preise allein durch die Gerichte sei nicht ausreichend. Auch dem Kunden müsse diese Möglichkeit ohne Einschaltung der Gerichtsbarkeit gegeben sein.


Im Übrigen werde in der Entschließung nicht verlangt, die Vertreter des Landkreises zu einem bestimmten Handeln zu verpflichten. Es gehe um einen Appell an die Vertreter; man wolle mit der Entschließung die eigene Meinung kundtun und hoffe auf ein entsprechendes Handeln der EWE.


Stellvertretender Kreistagsvorsitzender Lahl erteilte sodann Herrn Kreistagsabgeordneten Funke das Wort.


Herr Funke verwies darauf, die EWE AG betreibe keine eigene Gas- oder Stromproduktion, sondern handele mit diesen Gütern und sei auf die Einkaufsbedingungen am Markt angewiesen. Adressat eines Appells gegen hohe Energiepreise müssten daher im Grunde die vier großen Energieerzeuger in der BRD - E.On, Vattenfall, EnBW und RWE - sein, denen tatsächlich eine starke Monopolstellung zukomme.


Der Staat erhebe Steuern und Abgaben auf Energie, um diese Mittel für die Beordnung des Sozialstems einzusetzen. Die Schaffung sozialer Lebensbedingungen für die Gesellschaft dürfe jedoch nicht mittelbar auf private Unternehmen übertragen werden, sondern müsse primäre Aufgabe des Staates sein. Über kurz oder lang werde der Punkt erreicht sein, an dem es der Bevölkerung nicht mehr möglich sei, die genannten Belastungen zuzüglich dreiprozentiger Mehrwertsteuererhöhung auf Energie sowie Ökosteuern zu tragen. Betroffen von dieser Entwicklung seien neben Hartz IV-Empfängern auch viele andere, in Arbeit oder auch in Rente befindliche Menschen mit geringeren Einkünften.


Die Versorgung mit Strom und Gas stelle im Grunde - wie die Wasserversorgung - einen klassischen Fall der Daseinsvorsorge des Staates dar.


Um Energie bezahlbar zu halten bzw. zu machen, versuche die EWE AG , sich an einem Unternehmen sozusagen als Mitproduzent zu beteiligen und den Willkürlichkeiten von Markt und Börse nicht wie bisher ausgesetzt zu sein.


Niemand bestreite das Erfordernis alternativer Energien; der Umstieg erfolge allerdings zu schnell, bevor ihre Effizienz erhöht werde. Ein hohes Windkraftaufkommen beispielsweise führe so derzeit noch zu einem Anstieg der Strompreise. - EWE leiste auf dem Gebiet erhöhter Energieeffizienz vorbildliche Forschungsarbeit in eigenen Forschungszentren.


Bezahlbare Strom- und Gaspreise seien auch für Unternehmen von grundsätzlicher Bedeutung, für die Strom ein Produktionsmittel darstelle.


Kreistagsabgeordnete Schlieper erklärte, die SPD-Fraktion werde die Entschließung inhaltlich nicht mittragen, da nicht nachvollziehbar sei, ein einzelnes Unternehmen zur Offenlegung seiner Preiskalkulation aufzufordern. Gleichwohl unterstütze man das Anliegen, dass Energie bezahlbar bleiben bzw. es wieder werden müsse. Der Kreistag sei unzuständig.


Kreistagsabgeordneter Etzold bekundete die Unterstützung der FDP-Fraktion für bezahlbare Energiepreise. Die heutige Diskussion werde sich auch in Zukunft immer wieder ergeben und betreffe weit über EWE hinaus auch internationale Energielieferanten und Zusammenhänge mit globaler Energiepolitik. Die Ölpreise seien in den vergangenen 30 Jahren auf 100 $/Barrel gestiegen.


Bedenklich sei, dass die inflationäre Entwicklung der Energiepreise vom Staat ausgeschöpft werde: er gewinne überproportional durch Abgaben und Mehrwertsteuererhöhungen, denen bereits entrichtete Steuern zu Grunde lägen.


Kreistagsabgeordneter von Polenz bezog sich aufgrund entsprechender Anmerkung von Herrn Funke auf eine energiepolitische Informationsveranstaltung in Schortens. Bei der Nutzung von Energiealternativen müsse nach neuen Lösungen gesucht werden. Im Verlaufe der heutigen Diskussion sei nicht erwähnt worden, dass Energieeinsparung und Effizienzsteigerung gerade bei hohen Energiepreisen Sinn machten - man sollte diese Tatsache auch als Chance verstehen.


Kreistagsvorsitzender Funke unterschied nachdrücklich, hohe Energiepreise hätten zwar für Handelsunternehmen Bedeutung; für Energieerzeugungsunternehmen dagegen mache hohe Effizienz keinen Sinn, da Energieverkauf für sie Gewinne bedeute.


Kreistagsabgeordneter Wolfgang Janßen erklärte, in der Informationspolitik der EWE gegenüber ihren Anteilseignern fehle es an Transparenz. Ein Verweis auf die Bestimmungen des Aktienrechts könne nicht zufrieden stellen. - Des weiteren ging er auf die Gewinnsituation, die Forschungstätigkeit des Unternehmens sowie die Funktion verschiedener Tochterunternehmen der EWE ein. - Herr Janßen bemängelte eine zu geringe Gewinnausschüttung an den Landkreis Friesland.


Landrat Ambrosy verwies darauf, in den Sitzungen der Verbandsversammlung werde über vertretbare Energiepreise diskutiert. Alle Mitglieder hätten ihren Blick auf bezahlbare Energiepreise, und der Vorstand versuche nach Kräften, diese zu verwirklichen. Die EWE gebe die ihr gegenüber gestiegenen Preise letztlich weiter. Die Gewinne/Ausschüttungen der EWE seien - wie im Haushalt ersichtlich - gedeckelt; es gehe um eine Marge von insgesamt lediglich 1,2 %.


Transparenz sei gegeben: Herr Dr. Brinker habe im Rahmen einer Informationsveranstaltung in Westerstede alle Fakten erläutert und sei bereit, darüber hinaus gehende Fragen zu beantworten. Grundsätzliches Problem sei in dieser Diskussion, ob den Ausführungen der EWE überhaupt Glauben geschenkt werde.


Kreistagsabgeordneter Etzold erklärte, Transparenz bedeute auch, das Thema "Kernkraftwerke" zu erwähnen. Wenn es um Daseinsvorsorge gehe, müssten monopolistische Strukturen in diesem Bereich zu Recht angesprochen werden. Auf Bundesebene sei im Übrigen gewollt, funktionsfähige Kernkraftwerke, die deutlich günstigere Energie lieferten, vorzeitig abzuschalten. Zur Kernkraft gehöre auch die Option, Kohle zu vergasen und entsprechend sauber zu verbrennen.


Man lebe in Abhängigkeit von Energie, die man nicht selbst erzeuge oder unter Kontrolle habe, obwohl es Kernkraft und Kohlevergasung gebe.


Kreistagsabgeordneter Chmielewski stellte fest, man könne als Kreistag nur an den Aufsichtsrat der EWE appellieren, die erbetenen Daten im eigenen Interesse offen zu legen. Eine Offenlegung der wahren Hintergründe der Preispolitik, wie von Herrn Funke dargelegt, könne sicherlich zu einem besseren Verständnis in der Bevölkerung beitragen. - Die MMW unterstütze die von der BfB-Fraktion initiierte Entschließung.


Kreistagsabgeordneter Burgenger befürwortete rasche Fortschritte im Bereich alternativer Energien; gleichwohl werde man auch in den kommenden Jahren mit deutlich ansteigenden Energiepreisen zu tun haben.


Kreistagsabgeordneter Just stellte klar, Ziel der Entschließung sei nicht die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen der EWE, sondern um Nennung nachprüfbarer Kriterien (Auswirkungen von Heizölpreissteigerungen auf den Gaspreis / Verbindung zwischen Löhnen und Gehältern und dem Lebenshaltungsindex); diese Faktoren seien von jedermann überprüfbar.


In verschiedenen Wortbeiträgen wurden des weiteren die Bereiche

- Energiereserven/Spekulation mit Energie

- Liberalisierung des Energiemarktes und ihre Auswirkungen

- Ausstieg aus der Kernenergie


usw. angesprochen.


Kreistagsvorsitzender Funke ließ sodann abstimmen.
















Abstimmungsergebnis:


20 Ja-Stimmen

15 Gegenstimmen

3 Enthaltungen