Beschlussvorschlag:

 

a) Antrag

der CDU-Fraktion gem. Schreiben vom 23. April 2017,

reduziert auf die kostenlose Schülerbeförderung im ÖPNV ab 11. Klasse

 

b) Beschlussvorschlag der Verwaltung:

 

1.    Die Vorlage wird zur Kenntnis genommen.

2.    Die Verwaltung wird beauftragt, im Rahmen der Aufstellung des Nahverkehrsplans und des künftigen Tarifsystems Verbesserungen für die Schülerinnen und Schüler, insbesondere derjenigen der Oberstufen bzw. der Ausbildungsgänge, zu erreichen und das ÖPNV-Angebot für alle BürgerInnen und Bürger zu optimieren.

3.    Soweit strukturelle Einsparungen in der Schülerbeförderung generiert werden können, können die so gewonnen Mittel zur Vergünstigung von Tarifangeboten für SchülerInnen und Schüler bzw. Auszubildende genutzt werden, für die nach Schülerbeförderungssatzung keine Ansprüche bestehen.

 


 

1) Neuorganisation des ÖPNV im Landkreis Friesland

Die einzelnen Schritte zur Neuorganisation des öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sowie zur Schülerbeförderung wurden seit dem Antrag bereits mehrfach in unterschiedlichen Gremien des Kreistages beraten. Insofern wird auf die dortigen Sitzungsvorlagen (Nr. 0170/2017 – BauA 08.05.2017, Nr. 0273/2017 – BauA 23.10.2017) verwiesen und hier nochmals zur besseren Übersichtlichkeit dargestellt sowie um die jeweils neuen bzw. aktuelleren Inhalte ergänzt.

 

Allgemeines:

Der Landkreis Friesland ist auf seinem Gebiet die für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zuständige Behörde und Aufgabenträger gemäß der europäischen VO (EG) Nr. 1370/2007 und dem Niedersächsischen Nahverkehrsgesetz (NNVG). Der öffentliche Personennahverkehr ist dabei als Teil der Daseinsvorsorge definiert und nach § 4 NNVG den Landkreisen zugewiesen.

 

Bislang hat er den ÖPNV auf seinem Gebiet (Linienverkehr) im Wesentlichen über Schülersammelzeitkarten (SSZK) finanziert. Hierbei hatte der Landkreis keine Transparenz hinsichtlich der Erlöse bzw. Kostensituationen der Unternehmen noch einen tatsächlichen Einfluss auf die Linienkonzessionen und insbesondere nicht auf die tatsächlichen Qualitäten der Verkehrsdienstleistungen gehabt. Sowohl Linienverläufe als auch die Fahrpläne orientierten sich im Wesentlichen an der Haupteinnahmequelle der Verkehrsunternehmen (VU), nämlich den Schülerverkehren.

 

Der Niedersächsische Landesgesetzgeber hat im Rahmen der Novellierung des NNVG ab dem 01.01.2017 über die Vorschrift des § 64a Personenbeförderungsgesetz (PBefG) den kommunalen Aufgabenträgern des ÖPNV für ihre Aufgabenerfüllung etwa 110 Mio. € p.a. zugewiesen. In diesem Betrag sind die bisher an die Verkehrsunternehmen direkt geleisteten Zahlungen für rabattierte Ausbildungsverkehre gemäß der Bundesregelung des § 45a PBefG in Höhe von 90 Mio. € p.a. enthalten (bislang über Übergangsverträge der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen [LNVG] geregelt). Die Aufgabenträger erhalten aus dieser Summe anteilig den Betrag, der bisher an § 45a–Mittel an Verkehrsunternehmen auf ihrem Gebiet ausgereicht wurde.

 

Bis zum 21.12.2019 hat der Landkreis dann als Aufgabenträger für den ÖPNV einen Qualitätsbericht sowie verpflichtend eine Aktualisierung seines Nahverkehrsplans dem Land vorzulegen, um die Wirkungen der Finanzzuweisung von Seiten des Landes transparent überprüfen zu können. Hintergrund ist die gesetzlich angeordnete Evaluierung der Finanzzuweisungen bis zum 31.12.2021, um bei Bedarf die ÖPNV-Mittel künftig sachgerechter auf die Niedersächsischen Aufgabenträger verteilen zu können. Dies bedeutet, dass der Landkreis Friesland die ihm zugewiesenen ÖPNV-Landesmitteln zur Verbesserung des ÖPNV einsetzen muss, um nicht u.U. ab 2022 Landesmittel für den ÖPNV an andere Aufgabenträger in Niedersachsen zu verlieren, die einen qualitativ und quantitativ besseren ÖPNV für ihre Bürger gewährleisten. Zur erstmaligen Aufstellung des Nahverkehrsplans können unter anderem die erstmalig zugewiesenen Mittel nach § 7b NNVG genutzt werden.

 

 

Aufstellung und  Inhalte des Nahverkehrsplans (vgl. Vorlage 0273/2017 – BauA 23.10.2017):

Durch die gesetzlichen Neuregelungen wird der Nahverkehrsplan künftig das wesentliche Instrument zur Steuerung der ÖPNV-Entwicklung im Landkreis Friesland werden. Im Nahverkehrsplan werden die wesentlichen Linienverläufe und Bedienformen sowie die Anforderungen an die Qualitäten der Verkehrsleistungen festgelegt und der erforderliche Finanzierungsbedarf ermittelt. Insgesamt sollten folgende Inhalte abgebildet werden:

­   Verbesserung des Verkehrsangebotes (Hauptliniennetz, flexible Bedienformen, usw.)

­   Laufzeitenharmonisierung der Linienkonzessionen und Linienbündelung

­   Barrierefreiheit von Haltestellen und Fahrzeugen

­   Echtzeitdaten  und Fahrgastinformation

­   Mobilitätszentralen

­   Tarifreform

­   Verknüpfung mit den Verkehrsträgern SPNV, Rad, E-Mobilität

 

Der NVP dient ferner der Kontrolle und ggf. Anpassung, nach oben wie unten, der vom Land zur Verfügung gestellten Mittel.

 

Die wesentliche Bedeutung des NVP liegt jedoch darin, dass  damit der Landkreis erstmals tatsächlich den ÖPNV in seinem Sinne gestalten und finanzieren sowie die im NVP formulierten Ziele umsetzen kann. Der NVP ist überdies die rechtlich erforderliche Grundlage einer beihilferechtskonformen Finanzierung des ÖPNV.

 

Insbesondere kann der Landkreis zur Umsetzung seiner Ziele die Laufzeit von Linienkonzessionen harmonisieren, um dann bei Auslaufen aller aktuellen Linienkonzessionen auf Grundlage des NVP neue Konzessionen zu vergeben. Hierbei darf der Landkreis eine Konzession für mehrere Linien gleichzeitig bilden, um z. B. eigenwirtschaftlich attraktive (Hauptnetz-) Linien mit Linien bzw. Bedienformen, die lediglich eine Erschließungsfunktion aufweisen, zu bündeln. An dieser Stelle sei der Hinweis gestattet, dass z. B. ein mögliches Hauptliniennetz wesentlich von der Bündelung von Nachfrage an den zentralen Orten abhängt, um ausreichend Fahrgastzahlen sowie entsprechende Fahrtziele zu verbinden. Nur dann können auf Dauer auch die ergänzenden bzw. erschließenden Nebenverkehre wirtschaftlich bzw. weniger defizitär aufrechterhalten werden. Hiervon würden dann auch die SchülerInnen und Schüler sowohl in qualitativer als auch, bei den Selbstzahlern, finanzieller Hinsicht profitieren.

 

Die Ausschreibung der Planungsleistung erfolgte in der 47. KW und die Vergabe wird in den ersten Wochen des neuen Jahres erfolgen. Wesentlicher Bestandteil des Auftrages wird dann neben den oben genannten fachlichen Anforderungen insbesondere die Abstimmung mit den weiteren Gesellschaftern der VEJ als benachbarte Aufgabenträger sowie primär mit den Städten und Gemeinden des Landkreises, die mit ihren Grundschulen, Rathäusern und anderen öffentlichen Einrichtungen wichtige Fahrtziele darstellen, erfolgen.

 

2.) Kostenlose Schülerbeförderung ab der 11. Klasse:

Zu dem Antrag auf kostenlose Schülerbeförderung ab der 11. Klasse  bleibt, wie bereits umfänglich im Rahmen der Anfrage des Jugendforums Jever und des Vorschlags über LiquidFriesland vom 15.03.2017 von Herrn Striegel (BauA v. 08.05.2017 - Vorlage Nr. 0170/2017) behandelt, folgendes festzuhalten:

 

Die Schülerbeförderungssatzung in ihrer jetzigen Fassung berücksichtigt bereits die Entwicklung der Schullandschaft im Landkreis und entspricht den gesetzlichen, maßgeblich ist hier § 114 NSchG, bzw. untergesetzlichen, d. h. durch Verordnungen oder auch Urteilen ausgebildeten Anwendungsrecht, Regelungen. Die Schülerbeförderung ist den Landkreisen als eigenen Wirkungskreis übertragen und steht damit auch in der eigenen finanziellen Verantwortung der Landkreise. Ansprüche die über die Anforderungen des § 114 NSchG hinausgehen sind in diesem Sinne freiwillige Leistungen.

 

Für das Haushaltsjahr 2017 sind rund 4,6 Mio. EUR zur Finanzierung der Schülerbeförderung vorgesehen. Von diesen 4,6 Mio. EUR werden rund 2.423.000 EUR für Fahrkarten aufgewendet und unterstützen so indirekt den ÖPNV in der Region.

In den vergangenen Jahren sind die Kosten für die Beförderung kontinuierlich gestiegen. Dies hat insbesondere den Hintergrund, dass immer weniger Schüler bei der gleichen Flächen befördert werden müssen und die Anzahl und vor allem Fahrweite der Schüler in der Individualbeförderung gestiegen sind (sh. Abb. 1).

 

 

Abbildung 1: Entwicklung Beförderungskosten/Schülerzahlen

Quelle: Eigene Berechnung

 

 

Der Anspruch auf Beförderung wird individuell geprüft. Grundlage dafür ist die Schülerbeförderungssatzung des Landkreises.  Diese regelt neben den grundsätzlichen Anspruch auch die Prüfung Zumutbarkeit in Form von Nahbereichen in Abhängigkeit vom Alter der SchülerInnen.

 

Die hier angeregte Erweiterung des Anspruchs auf Schüler der Oberstufe wurde im Rahmen der Antwort an das Jugendforum und des Vorschlags von Herrn Stiegel wie folgt beantwortet:

 

Es gibt derzeit 12.652 SchülerInnen, davon 3.413 GrundschülerInnen. Die 11., 12. und 13. Klasse besuchen 1.042 SchülerInnen, bei Berücksichtigung des Gymnasium und der Oberstufen an der IGS sowie den Berufsschulen. Dabei unberücksichtigt sind Teilzeit-SchülerInnen (in Berufsausbildung) an den BBS oder weitere SchülerInnen (Berufsvorbereitungsjahr, etc.), die in einem ähnlichen Alter sind. Eine weitere Differenzierung (ggf. höherer Arbeits- und somit Zeitaufwand) müsste durch die BBS erfolgen und kann bei Bedarf angefragt werden.

 

Die 10. Klassen an Schulen mit Oberstufen besuchen aktuell 390 SchülerInnen, davon haben 340 Anspruch auf eine kostenlose Schülerbeförderung, das sind 87 %. Die Übergangsquoten von der 10. in die 11. Klasse betragen ca. 90 % beim Gymnasium und ca. 50 % bei der IGS. Demnach wechseln ca. 310 SchülerInnen in die 11. Klasse, davon hätten ca. 270 Anspruch. ( 270 x 3 = 810 (Gesamtzahl 11.-13. Kl.) x 70Euro/Monat (durchschnittlicher Preis für eine Schülermonatskarte) x 11 Monate = 623.700 Euro pro Jahr (SchülerInnen der berufsbildenden Schulen noch nicht berücksichtigt).

 

Die angegebene Berechnung ist somit eine Hochrechnung, basierend auf den aktuellen Zahlen der 10. Klassen. Entsprechend kann ohne die konkreten Wohnorte der SchülerInnen keine verbindliche Aussage über die Anzahl der zu befördernden SchülerInnen getroffen werden. Für die SchülerInnen der Oberstufen wäre mindestens ein Nahbereich von 5 km anzuwenden (analog 7.-10. Klasse, ggf. darüber hinaus);  d. h. SchülerInnen mit einem Wohnort näher als 5 km hätten weiterhin keinen Anspruch auf Beförderung. Der Ermittlungsaufwand wäre erheblich. Bei dieser Berechnung wurden ebenfalls noch keine SchülerInnen berücksichtigt, die ggf. dauerhaft oder vorrübergehend mit dem Taxi befördert werden müssen (zu weite Entfernung oder gefährlicher Weg zur Bushaltestelle, keine zumutbare Busverbindung oder medizinische Gründe). Eine Taxibeförderung kostet je nach Beförderungsstrecke im Durchschnitt ca. 25.000 bis 30.000 Euro pro Schüler/Schuljahr.

 

Eine darüber hinaus gehende, individuelle Anspruchsprüfung a priori für alle (Oberstufen-) Schüler in Friesland anhand des jeweiligen Wohnortes wird hier voraussichtlich kein günstigeres Ergebnis ergeben, da die angenommenen Durchschnittszahlen auf den langjährigen und tatsächlichen Erfahrungswerten beruhen und eher konservativ geschätzt sind. Im Rahmen des anstehenden Nahverkehrsplans werden zudem weitere Optimierungen in den Bedienformen sowie Tarifierungen ermittelt, so dass dann auch die heute nicht anspruchsberechtigten SchülerInnen hiervon profitieren können. Eine zusätzliche Beförderung von SchülerInnen der Oberstufe hingegen wird keine positiven Auswirkungen auf den ÖPNV haben. Hierdurch können weder bestehende Linien verstärkt noch neue Bedienformen finanziert werden und durch die erheblichen Mehrkosten würden ebenfalls Mittel für den Ausbau des ÖPNV fehlen.

 

Im Rahmen des demographischen Wandels sollte angestrebt werden, die weniger werdende Nachfrage nach öffentlichen Leistungen der Daseinsvorsorge nicht noch weiter in der Fläche zu verteilen, da dies sowohl zu individuellen als auch öffentlich höheren Folgekosten führt. Eine Ausweitung der Anspruchsberechtigung würde dies begünstigen und den Bemühungen eines NVP (siehe oben) eher entgegenstehen. Denn die individuellen Vorteile relativ günstigerer Boden- und Immobilienpreise verursachen folgerichtig auch höhere individuelle Mobilitätskosten, die dann von der Allgemeinheit getragen würden.

 

Wohnstandorte an den zentralen Orten der Gemeinden hingegen ermöglichen echte Familienfreundlichkeit, da sowohl eine Vielzahl von Nachfragern gebündelt und so qualitätsvolle und schnell erreichbare Angebote aufrecht erhalten werden können, als auch eine effiziente Bereitstellung öffentlichen Nahverkehrs bzw. der Schülerbeförderung möglich wird. Diese grundlegende strategische Überlegung ist zudem tragendes Element für das aktuelle (Ziel 3.6.1 RROP 2003) sowie das in Aufstellung befindliche Regionale Raumordnungsprogramm (RROP), das für Fachplanungen wie den NVP, die maßgeblichen Rahmenbedingungen setzt. Zugleich ist der NVP einer der wichtigen Bausteine zur Implementation der regionalen Strategie ist, so dass eine Abweichung auch die selbst gesetzten Ziele des Landkreises widerspricht.

 

Die dort eingesparten Mittel wiederum können für den weiteren Ausbau von Schulen und ähnlichen Infrastrukturen der Daseinsvorsorge verwendet werden. Zudem können die Mittel auch eingesetzt werden, um attraktive Tarife für alle Bevölkerungsschichten zu finanzieren (z.B. angestrebte Einführung Niedersachsenticket, Kosten ca. 30.000 €) und so den ÖPNV nachhaltiger zu stärken, als durch die Finanzierung einer vergleichsweise kleinen Zielgruppe.

 

Der Landkreis arbeitet stetig zusammen mit den Busunternehmen daran die Schülerbeförderung im Rahmen der Schülerbeförderungssatzung zu optimieren.

 

Freigabe des Führerscheins mit 17:

Es wird auf die Sitzung des Ausschusses für Bauen, Feuerschutz und Mobilität

am 08.05.2017 (TOP 6) verwiesen.

 

 

Herr KTA Zillmer modifiziert und erläutert den Antrag der CDU-Kreistagsfraktion dahingehend, dass der Antrag lediglich noch auf die kostenlose Schülerbeförderung im ÖPNV ab der 11. Klasse abzielen soll.

 

Herr Landrat Ambrosy weist auch hier auf eine anstehende Landesregelung hin und bittet darum, den Antrag solange zurückzustellen.

 


Abstimmungsergebnis:

 

zu a)

 

Ja:

3

Nein:

7

Enthaltung:

1

 

= mehrheitlich abgelehnt

 

zu b)

 

Ja:

8

Nein:

3

 

= mehrheitlich zugestimmt