Beschlussvorschlag:
Das Gremium beschließt die ab dem 01.01.2020 geltende Richtlinie über Hilfen zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege gemäß dem beigefügten Entwurf.
Begründung:
Im Rahmen der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 05.09.2019 wurde der
seitens der Verwaltung aufgestellte Entwurf der Richtlinie über Hilfen zur
Erziehung in Form von Vollzeitpflege (Vorlage 0760/2019) erläutert und sich
darüber ausgetauscht. Der Tagesordnungspunkt wurde zurückgestellt bis zur
nächsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses. Einige Punkte im Entwurf der o.g.
Richtlinie wurden unter Berücksichtigung der Äußerungen im Jugendhilfeausschuss
angepasst bzw. ergänzt. Dazu wurden im Vorfeld Gespräche mit Vertretern des
Pflegeelternvereins geführt. In Abstimmung mit diesen wurden die Änderungen in
die vorliegende Richtlinie eingepflegt. Besonders ging es dem
Pflegeelternverein um den Pkt. 8 Qualitätssicherung. Wie auch bereits im
vorherigen Jugendhilfeausschuss diskutiert, wurden die für die Verwaltung
verpflichtend vorzuhaltenden Fortbildungen und Fachtagungen, Netzwerktreffen und
Reflexionsmöglichkeiten nach Beendigung der Vollzeitpflege in den Richtlinien
verankert. Diese qualitätssichernden Maßnahmen ermöglichen eine
Qualitätsentwicklung unter Einbezug der Pflegeeltern gleichermaßen.
Über eine Qualitätssicherung in den Hilfen zur Erziehung in Form von
Vollzeitpflege hinaus, wurde ebenfalls die Attraktivität in der Ausübung dieser
Hilfe für Pflegeeltern erneut diskutiert. Hierbei spielt sowohl die gegebene
verlässliche Ansprache der Mitarbeiter des Pflegekinderdienstes, Angebote der
Weiterentwicklung und der Familienentlastung als auch monetäre Voraussetzungen
eine Rolle. Einige Änderungen der Richtlinie werden nachfolgend erläutert.
Die Pauschale für die Urlaubsreisen und Freizeiten (sh. Punkt 5.3. der
Richtlinie) wurde von 125,00 € je Pflegekind auf 140,00 € erhöht, zudem
brauchen die Pflegeeltern diese nicht mehr gesondert unter Vorlage von
Nachweisen zu beantragen. Die Urlaubsbeihilfe von 140,00 € je Pflegekind wird
mit dem Pflegegeld zum 01.06. eines Jahres ausbezahlt. Dies stellt eine
Vereinfachung für die Pflegeeltern dar.
Dies gilt ebenso für Schulmaterialen, Bücher etc. (sh. Punkt 5.9. der
Richtlinie), hierfür ist ebenfalls keine Beantragung und Nachweiserbringung
mehr erforderlich. Für Pflegekinder ab der Einschulung bis zum vollendeten 16.
Lebensjahr werden jährlich zum 01.08. pauschal 100,00 € für Schulmaterialien
etc. mit dem Pflegegeld ausbezahlt. Erst nach Vollendung des 16. Lebensjahres
ist jährlich unter Vorlage der Schulbescheinigung die Pauschale i.H.v. 100,00 €
zu beantragen.
Es wurde eine vollumfängliche Kostenerstattung für Klassenfahrten von
Pflegekindern in die Richtlinie aufgenommen (sh. Punkt 5.11. der Richtlinie).
Neu eingefügt wurde die alle sechs Jahre mögliche Bezuschussung eines
Computers mit bis zu max. 300,00 € (sh. Punkt 5.12. der Richtlinie), sofern die
Schule die Notwendigkeit des PC, Laptop/ Notebook, Tablet für schulische Zwecke
bestätigt.
Für Pflegeeltern, die ein Kind im Alter von 0 bis zur Vollendung des
dritten Lebensjahres in Vollzeitpflege aufnehmen, wird auf Antrag zusätzlich
zum Pflegegeld eine Betreuungspauschale in Höhe von 500,00 € monatlich für
maximal sechs Monate gewährt (sh. Punkt 5.6. der Richtlinie). Voraussetzung
dafür ist, dass ein Pflegeelternteil Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und
Elternzeitgesetz in Anspruch nimmt (in Absprache mit dem Pflegekinderdienst)
und auch keiner Teilzeittätigkeit in diesem Zeitraum nachgeht. Dem Antrag ist
die Elternzeitbescheinigung des Arbeitgebers beizufügen, in der zusätzlich
bestätigt wird, dass auch keine Teilzeittätigkeit mehr ausgeübt wird. Diese
Sonderleistung ist neu in die Richtlinie aufgenommen worden. Die
Betreuungspauschale soll die Pflegefamilien in die Lage versetzen, sich zu
Beginn der Hilfe intensiv um das Kind in einer existentiellen Krise zu kümmern
und den Bindungsaufbau und damit das Gefühl der Sicherheit für das Kind
schnellstmöglich zu erreichen.
Schäden, die Pflegekinder der Pflegefamilie zufügen, sind weder über
eine Haftpflichtversicherung der Herkunftsfamilie noch über die Pflegefamilie
abgedeckt. Ebenso sind Schäden, die die Pflegeeltern oder deren Kinder den
Pflegekindern zufügen, nicht abgedeckt. Daher wurde Punkt 6.3. der Richtlinie
zur Bezuschussung einer Haftpflichtversicherung der Pflegeeltern mit einer sogenannten
Binnenhaftpflicht eingefügt, demnach können Pflegeeltern auf Antrag einen
Zuschuss i.H.v. maximal 80,00 € zu einer Privathaftpflichtversicherung mit
Binnenhaftpflicht vom Landkreis erhalten. Diese Bezuschussung einer
Privathaftpflichtversicherung mit einer Binnenhaftpflicht führt zu einer
gegenseitigen Absicherung der Pflegekinder und Pflegefamilien im
Binnenverhältnis. Bereits in der Bewerbungsphase wurde die bisherige nicht
vorhandene Absicherung als Hemmnis und Risiko von den Interessenten wahrgenommen.
Diese unklare bzw. bisher ungeklärte Rechtslage führte zu Verunsicherung in den
Pflegefamilien und bereitete in der Zusammenarbeit gerade angesichts vielfach
nur eingeschränkt steuerungsfähiger Kinder häufig Konflikte.
Punkt 8 der Richtlinie stellt die Qualitätssicherung in der
Vollzeitpflege dar. Einige dieser Leistungen wurden auch in Vorjahren seitens
des Landkreises Friesland in Absprache mit dem Pflegekinderdienst erbracht bzw.
gewährt, waren bisher allerdings nicht in der Richtlinie genannt. Um
interessierten möglicherweise zukünftigen Pflegeeltern oder auch den jetzigen
Pflegeeltern die Möglichkeiten der Hilfs- und Unterstützungsangebote des
Landkreises zu verdeutlichen, wurde in dieser Richtlinie eine Konkretisierung
vorgenommen. Die Pflegeeltern werden auf die Möglichkeiten der Fortbildung,
Supervision, Familienentlastung, Netzwerktreffen und Reflexionsmöglichkeiten
(nach Beendigung des Pflegeverhältnisses) explizit hingewiesen. Das
Fortbildungsangebot bzw. auch die finanzielle Unterstützung des Landkreises für
Fortbildungen soll ausgeweitet werden, dies resultiert aus den gestiegenen
Qualitätsanforderungen des Fachbereiches Jugend, Familie, Schule und Kultur
sowie aus den größeren gesellschaftlichen Herausforderungen an die
Pflegefamilien. Zudem stellt der Punkt Qualitätssicherung eine Verpflichtung
des Landkreises dar, diese Angebote für die Pflegeeltern vorzuhalten.
Der Landkreis Friesland hat derzeit 143 laufende Vollzeitpflegefälle,
für ca. 45% der Fälle erfolgt eine Erstattung der Aufwendungen über einen
anderen Jugendhilfeträger. Aufgrund der anteiligen Kostenerstattung auch zur
veränderten Richtlinie ab dem 01.01.2020 wird von jährlichen Mehrkosten i.H.v.
ca. 29.000,00 € für den Landkreis Friesland ausgegangen.
Diese Änderungen der Richtlinie werden aus den zuvor genannten Gründen
seitens der Verwaltung für erforderlich gehalten.
Anlagen:
Anlage 1: Entwurf
der Richtlinie über Hilfen zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege (ab dem
01.01.2020)
Anlage 2: Richtlinien
über Hilfen zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege gültig seit dem 01.01.2014
(vom 06.11.2013)
Zur Überarbeitung der Richtlinie über Hilfen zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege führt Frau Renken ergänzend aus:
Nach Vorstellung eines ersten Entwurfes im Jugendhilfeausschuss am 05.09.2019 und der damit verbundenen Diskussion, sowie den Beratungen in den Fraktionen und Gruppen wurde die Richtlinie über Hilfen zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege noch einmal überarbeitet.
Neben monetären Verbesserungen im Bereich der Zuschüsse zu den Klassenfahrten, analog zu SGB II, wurde besonders das Thema Qualitätssicherung (Punkt 8) konkretisiert und mit dem Verein Pflege- und Adoptiveltern Friesland e.V. abgestimmt. Der Landkreis Friesland gewährleistet ein Angebot an Fortbildungen und qualitätssichernden Angeboten für Pflegeeltern. Es besteht keine Verpflichtung für Pflegeeltern. Eine Bereitschaft zur Teilnahme an Fortbildungen sowie an Supervisionen, wird jedoch vorausgesetzt. Der Pflegekinderdienst des Landkreises Friesland organisiert zweimal jährlich Netzwerktreffen. Hier haben die Pflegeeltern die Gelegenheit sich themenbezogen einzubringen.
Kurzfristige familienentlastende Maßnahmen können mit dem Pflegekinderdienst abgestimmt und individuell gestaltet werden. Längerfristige Auszeiten sind regelhafte Leistungen, die nach § 27, SGB VIII möglich sind. Der Pflegekinderdienst steht mit den Pflegeeltern im regelmäßigen Austausch und steht für Fragen jederzeit zur Verfügung. Ziel sollte sein, dass langfristig alle Pflegeeltern mit den Pflegekinderdienst mehr als einmal im Jahr im Austausch sind.
Die seitens der Politik geforderte Intensivierung der Zusammenarbeit des Fachbereichs Jugend, Familie, Schule und Kultur mit den Pflegeeltern, wurde in der neuen Richtlinie berücksichtigt. Nach ein bis eineinhalb Jahren soll in einer Besprechung erörtert werden, wie der Stand der Entwicklung ist. Die Verwaltung wird im Jugendhilfeausschuss darüber berichten.
Abstimmungsergebnis:
einstimmig