Beschluss: in Abänderung des Beschlussvorschlages zugestimmt

Abstimmung: Ja: 23, Nein: 10, Enthaltungen: 6

Geänderter Beschluss:

Dem Antrag der Mehrheitsgruppe SPD/GRÜNE/FDP zum Erhalt der kreiseigenen Schuldnerberatung und der Nachbesetzung der vorhandenen Stelle, wird zugestimmt.

 

 


Begründung:

Die Schuldnerberaterin des Landkreises Friesland wird zum 01.11.2020 aus dem aktiven Dienst beim Landkreis Friesland ausscheiden.

 

Angesichts sinkender Fallzahlen und einer nicht vorhanden Vertretungsregelung ergeben sich folgende Fragen:

  • Wie hoch ist der Bedarf für Leistungen der Schuldnerberatung (bisher eine Vollzeitstelle)?
  • Soll die Aufgabe der Schuldnerberatung zukünftig von einer externen Schuldner-Beratungsstelle / der Diakonie Friesland-Wilhelmshaven wahrgenommen werden?

 

Hauptaufgabe der Schuldnerberatung ist, den Menschen existenzsichernde Maßnahmen zu eröffnen und aufzuzeigen (z.B. Antragstellung auf Erhöhung der Pfändungsfreibeträge für deren Konto). Bei vielen Ratsuchenden steht die Aufklärungsarbeit im Vordergrund, hieran schließt sich die Schuldenregulierung in Absprache mit den Ratsuchenden an. Die Schuldnerberatung des Landkreises Friesland ist anerkannte Stelle für Insolvenzverfahren

 

Neben der Schuldnerberatung des Landkreises gibt es im Landkreis Friesland noch die Schuldnerberatung ausgeführt von der Diakonie, besetzt mit jeweils einer Halbtagskraft in Varel und Jever. Die Diakonie bekommt die allgemeine Förderung vom Land, die Sparkassenförderung, wie auch die Einzelfallförderung vom Land. Zusätzlich können sich die Einwohner/innen auch an Anwälte oder den Verein Insolvenz- und Schuldnerberatung Friesland e.V. (auch Einzelfallförderung über das Land) wenden. Auf Gewinn orientierte Schuldnerberater nehmen in der Regel nur rentable Fälle an, die sich möglichst refinanzieren. Wenn jemand zum Beispiel vor 10 Jahren eine Insolvenz durchgeführt und diese abgebrochen hat, kann diese Person kein zweites Mal als Einzelfallförderung übers Land bezuschusst werden. Diese Fälle werden daher häufig von auf Gewinn orientierten Schuldnerberatern abgelehnt und derzeit im Landkreis Friesland über die Schuldnerberatung des Landkreises oder der Diakonie beraten und begleitet.

 

In schwierigen Fällen wurde unsere Schuldnerberaterin von der Rechtsberatung über das Fachzentrum Schuldenberatung Bremen (FSB Bremen) unterstützt. Diese rechtliche Beratung erfolgt aufgrund des Mitgliedsbeitrages i.H.v. jährlich 1.775,00 €. Fast alle Schuldnerberatungsstellen in Norddeutschland sind Mitglied im FSB Bremen (derzeit 71 Mitglieder).

 

Die nachfolgende Fallzahlenentwicklung verdeutlicht zudem, dass die Anzahl der Beratungen, der Erarbeitung und Durchsicht von Entschuldungskonzepten wie auch der Insolvenzanträge rückläufig sind.

 

Fallzahlenentwicklung

 

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

2017

2018

2019

Tatsächl. Beratungen ab 15 Min.

188

193

167

171

166

148

119

125

90

94

Erarbeitung u. Durchsicht v. Entschuldungs-konzepten

103

102

77

93

74

84

77

99

77

66

Insolvenzanträge

75

62

63

55

52

52

60

56

46

35

 

 

Der Landkreis Friesland ist eine der wenigen Kommunen, die derzeit noch eine eigene Schuldnerberatung anbieten. Die meisten Kommunen haben entsprechende Vereinbarungen mit Trägern der freien Wohlfahrtspflege geschlossen.

 

Die Einwohner Frieslands können die Schuldnerberatung der Diakonie ohnehin nutzen – unabhängig von dem Angebot des Landkreises. Die Diakonie ist eine vom Land Niedersachsen anerkannte Schuldnerberatungsstelle und gewährleistet daher ebenfalls eine kostenlose Beratung für Bedürftige.

 

Nach den Bestimmungen des Sozialrechts (§ 11 Abs. 5 SGB XII, § 16a Nr. 2 SGB II) sind die Kommunen aufgefordert, Leistungen der Schuldnerberatung zur Verfügung zu stellen. Dies bedeutet ein Vorhalten der Leistung im Kreisgebiet, nicht beim Landkreis selbst.

 

Das Klientel der Schuldnerberatung des Landkreises Friesland setzt sich fast ausschließlich aus Kunden des Fachbereichs Soziales und Senioren (Grundsicherung) und des Fachbereichs Jobcenter (Arbeitsvermittlung) zusammen.

 

Eine Beratung von jungen Menschen, die das Ziel hat, dass junge Menschen Schuldenfallen erkennen und meiden, kann nur von präventiver Natur sein. Diese könnte z.B. im Bereich der Jugendsozialarbeit und damit im ProAktiv Center oder bei den Frühen Hilfen angesiedelt sein. Zudem gibt es Projekte in Schulen, die über die Bildungsregion unterstützt werden können. Hierbei handelt es sich aber nicht um eine klassische Schuldnerberatung im Sinne einer Schuldner- und Insolvenzberatung.

 

Grundsätzlich handelt es sich bei der Schuldnerberatung um freiwillige Leistungen. Diese werden in bestimmten Fällen zur Pflichtleistung bzw. zur Pflicht der Übernahme der Kosten - z.B. wenn in den Aufgabenbereichen „Jobcenter“ oder „Grundsicherung“ Maßnahmen, die eine Beratung in einer Schuldnerberatung konkret vorsehen, mit den Kunden vereinbart werden.

 

Das Verhältnis der Kommunen zu den Trägern der freien Wohlfahrtspflege ist in den Vorschriften des SGB mehrfach beschrieben. Hier ist vom Grundsatz ein gewisser Vorrang der freien Wohlfahrtspflege normiert worden bzw. die Träger der freien Wohlfahrtspflege sind angemessen zu unterstützen (z.B. § 5 Abs. 4 SGB XIIWird die Leistung im Einzelfall durch die freie Wohlfahrtspflege erbracht, sollen die Träger der Sozialhilfe von der Durchführung eigener Maßnahmen absehen.)

Die Kommunen/ Jobcenter sollen nach § 17 SGB II eigene Einrichtungen und Dienste (z.B. Schuldnerberatung) nicht neu schaffen, soweit geeignete Einrichtungen und Dienste Dritter vorhanden sind, ausgebaut oder in Kürze geschaffen werden können.

 

Mit Blick auf die vorhandenen Einrichtungen im Landkreis Friesland wird angemerkt, dass die Schuldnerberatung des Landkreises in Jever ansässig ist. Die Schuldnerberatung der Diakonie ist (neben einer Stelle in Varel) in Jever angesiedelt. Bei einer entsprechenden Einigung mit der Diakonie können auch fachliche Doppelstrukturen in regionaler Nähe vermieden werden und gleichzeitig qualitativ hochwertige Beratung im Nord- und Südkreis angeboten werden.

 

Neben den sinkenden Fallzahlen ist Hauptgrund für eine Vergabe die nicht gelöste Vertretungssituation. Für den zukünftig eingeschätzten Bedarf kann eine Vertretung für Urlaubs- und Krankheitszeiten in der erforderlichen Qualität nicht vorgehalten werden bzw. ist wirtschaftlich nicht vertretbar.

 

Zudem ist der rechtlich vorgeschriebene Aus- und Fortbildungsaufwand sehr hoch. In diesen Zeiten wäre die Schuldnerberatung unbesetzt.

 

Es wird daher empfohlen, mit der Diakonie eine Vereinbarung zur Übernahme der Aufgaben der Schuldnerberatung des Landkreises Friesland auf Basis des geschätzten Bedarfs von zunächst 0,5 AK zu schließen.

 

Zielsetzung ist, eine entsprechende Vereinbarung abzuschließen.

In der Vereinbarung sollen

  • Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen,
  • die Kostenregelung
  • die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen

geregelt werden.

 

In einem Vorgespräch teilte der Geschäftsführer der Diakonie mit, die Aufgabe auch aus qualitätssichernden Gründen gerne mitübernehmen zu wollen und zu können.

 

 

Nachtrag der Verwaltung:

 

Die Mehrheitsgruppe SPD/GRÜNE/FDP stellte am 6.7.2020 den anliegenden Antrag zum Erhalt und zur Nachbesetzung der kreiseigenen Schuldnerberatung.

 

Beschluss des Kreisausschusses vom 8.7.:

Die Vorlage wird vorberatend zur Kenntnis genommen und zur abschließenden Meinungsbildung in die Fraktionen gegeben. Eine Beschlussfassung erfolgt in der Kreistagssitzung am 15. Juli 2020.

 

 

Beratung:

 

Frau KTA Esser trägt den Antrag der Mehrheitsgruppen auf Erhalt der kreiseigenen Schuldnerberatung vor und macht hierbei deutlich, dass sich coronabedingt eine Prognose zum Mehrbedarf an Beratungen stellen lasse.

 

Herr KTA Zillmer kann dem Antrag namens der CDU-Fraktion nicht zustimmen und begründet dies mit den rückläufigen Zahlen, wie von der Verwaltung dargestellt und der Bedarfsdeckung über die Diakonie. Aus diesem Grund stimme die CDU der Vorlage der Verwaltung zu.

 

Herr KTA Wilken spricht sich noch einmal deutlich für den Erhalt aus, da die sinkenden Zahlen seines Erachtens auf die Unklarheit über den Fortbestand der Schuldnerberatung zurückzuführen seien. Aufgrund der coronabedingten Auswirkungen auf die Bevölkerung, sei mit einem großen Bedarf für die in Not geratenen Arbeitnehmer zu rechnen, die den bisherigen Bedarf der Kunden der Fachbereiche „Jobcenter“ und „Soziales und Senioren“ dadurch noch steigern. Das Beratungsangebot sei ein Sozialangebot und dürfe nicht weiter eingeschränkt werden.

 

Herr Vorsitzender Pauluschke lässt zunächst über den weitergehenden Antrag der Mehrheitsgruppe wie folgt abstimmen:

 

 


Abstimmungsergebnis:

mehrheitlich zugestimmt

 

Ja:

23

Nein:

10

Enthaltung:

6

 

Durch die Stattgabe des Antrages der Mehrheitsgruppe, erübrigt sich eine weitere Abstimmung über die Vorlage.