Herr Niebuhr und Frau Vogelbusch erläutern die Gründe zum Erlass der Allgemeinverfügung am 25.09.2020.

Zu Beginn der Pandemie, im März 2020, gab es in Friesland sehr strenge Maßnahmen, die eine lange Zeit niedrig bleibende Fallzahlen zur Folge hatten. Aufgrund dieser Tatsache wurden die Auflagen gelockert. Nach den Sommerferien hat es bereits aufgrund von Reiserückkehrern einen Anstieg der Infektionszahlen gegeben. In den letzten zwei Wochen sind die Fallzahlen in Friesland dann sehr schnell sehr stark angestiegen. Laut Mitteilung vom Land Niedersachsen im Mai 2020 sollen bei einer 7-Tage-Inzidienz von 30 bis 35 Fällen vorsorgliche Maßnahmen zur Eindämmung des Virus getroffen werden. Dieser Wert wurde am 25.09.2020 in Friesland überschritten (34 Infizierte in 7 Tagen).

Da es keinen Hotspot in bestimmten Gebieten gibt, sondern sich die Infektionen auf ganz Friesland verteilen gab es nicht die Möglichkeit die notwendigen Maßnahmen auf nur einige Kommunen zu beschränken. Auch gibt es nicht nur in einer oder zwei Schulen aktuell Fälle, sondern in mehreren.

Im Gegensatz zu den letzten Monaten sind es nun nicht mehr zum großen Teil ältere Menschen, die positiv auf das Corona-Virus getestet wurden. Inzwischen erkranken vermehrt auch junge Menschen. Die meisten Infektionen finden zwar aktuell nicht direkt in den Schulen statt, sondern hauptsächlich auf privaten Familienfeiern, die Kinder tragen das Virus nun aber vermehrt in die Schulen. Es ist jedoch von großer Bedeutung es aus den Schulen herauszuhalten, um hier eine große Ansteckungswelle zu vermeiden. Um dies zu erreichen wurde entschieden, die Schulen vorsorglich für die letzten sieben Schultage vor den Ferien erneut in den Schichtbetrieb wechseln zu lassen.

Um eine möglichst gute Vorbereitung auf die Einhaltung der neuen Maßnahmen sowie auf die Einführung des Schichtsystems in den Schulen zu ermöglichen wurde der Erlass der Allgemeinverfügung bereits Freitagabend und nicht erst am Montag veröffentlicht.

 

Frage: Wieso hat man die Schulen in den Schichtbetrieb gesetzt obwohl sich dort alle Kinder an die Hygiene- und Abstandsregeln halten?

 

Frau Dr. Sell erläutert, dass die Hygienekonzepte in den meisten Schulen gut umgesetzt und eingehalten werden. Es gibt nur einige wenige Ausnahmen. Trotzdem ist festzustellen, dass sich in den letzten Wochen vermehrt Kinder und Jugendliche infiziert haben. Diese Schüler tragen das Virus vermehrt in die Schulen was dazu führt, dass die Vorsichtsmaßnahmen hier noch weiter verschärft werden müssen. Dies bedeutet aber keinesfalls, dass die Schulen bei der Ausarbeitung und Umsetzung ihrer Konzepte „schlechte Arbeit“ geleistet haben. Es handelt sich um zusätzliche Schutzmaßnahmen.

 

Frage: Warum betreffen die Maßnahmen alle Schulen und nicht nur die betroffenen? Warum wurden nicht zumindest die Grundschulen aus der Maßnahme rausgelassen? Warum bezieht sich die Maßnahmen nicht auf Kindergärten und Kindertagesstätten?

 

Frau Vogelbusch, Herr Niebuhr und Frau Dr. Sell erklären, dass die Infektionen, die aktuell häufig auf privaten Familienfeiern vorkommen, sich nicht nur auf ältere Kinder beschränken. Auf diesen Feiern sind auch Grundschüler und Kitakinder. Es ist daher nicht möglich, die Maßnahmen nur auf weiterführende Schulen zu beschränken. Auch die Möglichkeit den Schichtbetrieb nur für Schulen, an denen es schon positive Fälle gibt anzuordnen ist nicht sinnvoll. Das Ziel dieser Maßnahmen liegt nicht allein in der Unterbindung der Ausbreitung des Virus, sondern auch darin zu verhindern, dass es überhaupt in die Schulen hineingetragen wird. Die Aufgabe des Infektionsschutzgesetzes ist nicht erst dann zu handeln, wenn schon etwas passiert ist, sondern schon vorher einzugreifen. Man versucht „vor die Lage“ zu kommen.

Die Einführung des Schichtbetriebes in den Kindergärten und Kindertagesstätten wurde mit den zuständigen Fachberatungen besprochen. Diese haben darauf hingewiesen, dass ein Schichtbetrieb, bzw. die Einhaltung von Abständen, bei Kindern in diesem Alter nicht möglich sei. Für Kindergärten und Kindertagesstätten kam dementsprechend nur eine vollständige Schließung, also Szenario C, in Betracht. Diese Möglichkeit wurde als zu streng erachtet und die Kindertagesstätten wurden daher aus der Allgemeinverfügung rausgelassen.

 

Frage: Warum wurden die Maßnahmen vorher nicht mit den Schulen und dem Kultusministerium abgestimmt? Vorschlag: Einrichtung eines „Runden Tisches“ um solche Maßnahmen in Zukunft im Vorfeld besser besprechen und abstimmen zu können.

 

Frau Vogelbusch erklärt, dass es am Freitagabend keinen Kontakt mehr zu allen Schulleitern gegeben hat. Dies war aufgrund des kurzfristigen Handlungsbedarfes nicht mehr möglich. Es wurde jedoch Kontakt mit der Landesschulbehörde als erstem Ansprechpartner aufgenommen. Am 06.10.2020 ist zudem eine Sitzung mit allen Schulleitern der kreiseigenen Schulen geplant. Diese war ursprünglich auch dazu gedacht, dass weitere Vorgehen in der aktuellen Situation zu besprechen. Aufgrund des sprunghaften Anstieges der Infektionszahlen musste nun jedoch schon vor diesem Gespräch gehandelt werden. Die Schulleiterrunde wird jedoch trotzdem stattfinden, sodass man dort über das weitere Vorgehen mit den Schulen direkt sprechen kann. Bezüglich der Grundschulen wird eine Besprechung mit den Hauptverwaltungsbeamten der Städte und Gemeinden stattfinden, da die Grundschulen in ihrer Trägerschaft liegen.

Mit dem Kultusministerium hat es bereits vor Gültigkeit des  Erlasses der Maßnahme Kontakt gegeben. Frau Vogelbusch erklärt, dass sie nicht mit dem Kultusminister persönlich, sondern mit Mitarbeiten des Ministeriums gesprochen hat.

Laut dem Rahmenhygieneplan des niedersächsischen Kultusministeriums ist für die Ergreifung von Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten das Gesundheitsamt vor Ort zuständig. Dies schließt auch die Anordnung von Schichtbetrieben in Schulen mit ein. Es handelt sich um Maßnahmen im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes. Frau Vogelbusch erklärt, dass für diese Maßnahmen nicht das Kultusministerium, sondern das Gesundheitsministerium zuständig ist. Von dort hat es keine Kritik am Vorgehen des Landkreises gegeben.

Herr Niebuhr sagt zu, einen „Runden Tisch“ einzurichten, um solche Maßnahmen in Zukunft besprechen zu können. Er weist jedoch auch darauf hin, dass es in dringenden Situationen notwendig sein kann Eilentscheidungen zu treffen, die dann nicht vorher ausführlich besprochen werden können.

Frau Vogelbusch ergänzt, dass eine Art „Runder Tisch“ am Wochenende auch bereits telefonisch stattgefunden hat.

 

Frage: Wenn die Schulen in den Schichtbetrieb wechseln bedeutet das, dass die Kinder einen Teil des Stoffes im „Homeschooling“ lernen müssen. Hierbei sollten die Eltern vom Landkreis unterstützt werden. Es sollten Konzepte mit den Schulen und den Eltern ausgearbeitet werden. Des Weiteren wird die Bildungsgleichheit der Schüler beeinträchtigt, da die Kinder, die nach Wilhelmshaven oder Wittmund zur Schule gehen weiter hingehen dürfen.

 

Frau Vogelbusch erklärt, dass der Landkreis nicht für die pädagogischen Konzepte der Schulen zuständig ist und sich da auch nicht „einmischen“ darf. Die Landesschulbehörde hat jedoch versichert, dass sie auf den Wechsel von Schulen in das Szenario B gut vorbereitet sind und die Schulen jederzeit unterstützen können.

Da das Gesundheitsamt des Landkreises nur für Friesland zuständig ist, können von hier aus keine Maßnahmen für die Schulen in Wilhelmshaven und Wittmund erlassen werden. Es gibt aber einen ständigen Austausch zwischen allen Kommunen.

 

Frage: Im Normalbetrieb der Schulen wird darauf geachtet, dass die Kohorten sich nicht vermischen können. Jetzt in der Notbetreuung werden jedoch Schüler aus verschiedenen Kohorten alle zusammen betreut.

 

Frau Vogelbusch zeigt sich überrascht von dieser Tatsache und verspricht diesbezüglich Kontakt zur Landesschulbehörde aufzunehmen.

 

Frage: Die Bundesrepublik betont den Stellenwert der Schulen und Kindergärten und damit die hohe Bedeutung des Gutes Bildung. Inwieweit hat beim Erlassen der Allgemeinverfügung eine Abwägung der Güter Bildung und Gesundheit stattgefunden? Wurden im Hinblick auf die Gesundheit die psychischen Schäden mit einbezogen, die die Kinder aufgrund der erneuten Einschränkungen im Schulbetreib erleiden? Wurden mildere Maßnahmen in Betracht gezogen?

 

Herr Niebuhr und Frau Dr. Sell erläutern, dass eine Abwägung der Güter Bildung und Gesundheit stattgefunden hat. Das Gut Bildung hat auch in Friesland einen sehr hohen Stellenwert. Es ist jedoch laut Grundgesetz unter bestimmten Voraussetzungen einschränkbar. Der Schutz der Gesundheit darf jedoch nicht eingeschränkt werden. Das Recht auf Gesundheit und auf Leben ist daher immer vorrangig zu prüfen.

Das Gesundheitsamt hat die Aufgabe das Gesamtgeschehen im Hinblick auf die Gesundheit aller Friesländer zu betrachten und so zu handeln, dass alle Bürger in Friesland bestmöglich geschützt werden. Das SARS-CoV-2-Virus hat ein exponentielles Wachstum. Das bedeutet, es kann sich sehr schnell sehr weit ausbreiten. Dies zeigt sich auch in den sprunghaft ansteigenden Zahlen. Mit der Anordnung des Schichtbetriebes in den Schulen für die letzten sieben Tage vor den Herbstferien soll das Risiko verringert werden, dass das Virus in die Schulen getragen wird und sich dort verbreiten kann. Dies dient zum einen dem Schutz der Schüler, da aktuell noch nicht bekannt ist, welche Spätfolgen das Virus bei Kindern haben kann. Dass unerwartete Spätfolgen jedoch durchaus möglich sind, sieht man bei Krankheiten wie Windpocken oder Masern. Zum anderen sollen durch diese Maßnahmen aber auch alle übrigen Bürger geschützt werden, da die Kinder das Virus mit in die Familien tragen können von wo aus es sich dann weiterverbreitet.

Aufgrund des hohen Stellenwertes des Gutes Bildung sowie der möglichen psychischen Folgen für die Kinder wurde entschieden, den Schichtbetrieb in den Schulen zunächst nur bis zu den Herbstferien anzuordnen, so dass es sich hier lediglich um sieben Schultage handelt.

Herr Niebuhr berichtet, dass aktuell eine Klage gegen den Landkreis Friesland aufgrund der getroffenen Maßnahmen vorliegt. Eine Entscheidung steht noch aus.

 

Frage: Wie kann es sein, dass die Busse am Donnerstag noch genau so überfüllt waren, obwohl doch alle Schulen in den Schichtbetrieb gewechselt haben müssten? Wie soll es nach den Ferien mit der Schülerbeförderung weitergehen, wenn die Schulen wieder in den Normalbetrieb wechseln? Wieso wurden FFP2 Masken in den Bussen und Taxen ausgegeben und nicht in den Schulen, sodass auch die Schüler welche bekommen können, die mit dem Zug anreisen?

 

Frau Vogelbusch verspricht sich mit den betroffenen Busunternehmen in Verbindung zu setzen und sich zu erkundigen, weshalb die Busse auch im Schichtsystem so voll sind. In der Sitzung des Ausschusses für Bauen, Feuerschutz und Mobilität am 30.09.2020 wurde beschlossen, die Busunternehmen zu beauftragen bei einer Auslastung von 40% der Stehplätze Verstärkerbusse einzusetzen. Die entsprechenden benötigten Gelder hat der Ausschuss freigegeben.

Eine Verteilung von FFP2 Masken in den Schulen für die Schüler, die mit dem Zug anreisen, wird nachgeholt.

 

Frage: Wieso dauert es zum Teil so lange, bis die Ergebnisse der Tests vorliegen? Warum dauert es so lange, bis zum Beispiel Reiserückkehrer, die sich ordnungsgemäß beim Landkreis melden, zurückgerufen werden?

 

Frau Vogelbusch und Frau Dr. Sell erklären, dass der Landkreis die Tests nicht selber auswerten kann, sondern diese in ein Labor geschickt werden müssen. Hier bestehen leider keine Einflussmöglichkeiten auf die Zeit der Auswertung.

Rückrufe bei Reiserückkehrern haben zum Teil nicht stattgefunden, da es keine Personalkapazitäten mehr gab. Die zuständige Abteilung im Landkreis besteht im Regelfall aus drei Personen. Aktuell sind dort insgesamt 25 Personen eingesetzt (zusätzliches Personal aus anderen Fachbereichen). In der letzten Woche wurde zusätzlich die Bundeswehr um Hilfe gebeten, da das aktuelle Arbeitsaufkommen mit dem vorhandenen Personal nicht mehr zu leisten ist. Des Weiteren befinden sich einige Organisationsabläufe aktuell in einer Umstrukturierung, um hier eine weitere Vereinfachung und Verbesserung herbeizuführen.

 

Herr Marušic stellt den Antrag, dass die Verwaltung die erlassene Allgemeinverfügung noch einmal kritisch prüft. Frau Bödecker weist daraufhin, dass der Ausschuss einen solchen Antrag nicht stellen kann, da es sich nicht um eine bildungspolitische Maßnahme handelt, sondern um eine im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes. Es wird jedoch darum gebeten, trotzdem ein Meinungsbild abzugeben.

Der Antrag von Herrn Marušic wird mehrheitlich unterstützt. Des Weiteren wird der Verwaltung der einstimmige Wunsch mitgegeben, so viel Präsenzunterricht wie möglich in den friesländischen Schulen zuzulassen. Frau Vogelbusch wird zusätzlich gebeten die Ergebnisse der Besprechungen den Schulleitern und den Hauptverwaltungsbeamten mitzuteilen.

 

Frau Bödecker schließt die Sitzung um 17:19 Uhr.

 

Anne Bödecker                                               Silke Vogelbusch                             Daike Baumbach

Ausschussvorsitzende                  1. Kreisrätin                                       Protokollführerin