Beschluss: zur Kenntnis genommen

Das Gremium nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.


Die Neuschaffung des § 8b SGB VIII zum 01.01.2012 verpflichtet den Landkreis Friesland als öffentlichen Träger der Jugendhilfe, im Rahmen der Gesamtverantwortung zu gewährleisten, dass ein entsprechendes Beratungsangebot rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung steht. Die Fachberatung hat durch eine „insoweit erfahrene Fachkraft“ zu erfolgen.


In der Fachöffentlichkeit wird folgendes Profil einer „insoweit erfahrenen Fachkraft“ beschrieben:

Bayerisches Landesjugendamt:(http://www.blja.bayern.de/themen/waechteramt/gewalt/Empfehlungen_8a.html)


  • einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung (z. B. Sozialpädagogik, Psychologie, Medizin),

  • Qualifizierung durch nachgewiesene Fortbildung,

  • Praxiserfahrung im Umgang mit traumatisierten Kindern und Problemfamilien,

  • Fähigkeit zur Kooperation mit den Fachkräften öffentlicher und freier Träger der Jugendhilfe, sowie mit weiteren Einrichtungen, z. B. der Gesundheitshilfe, Polizei,

  • Kompetenz zur kollegialen Beratung; nach Möglichkeit supervisorische oder coaching-Kompetenzen,

  • persönliche Eignung (z. B. Belastbarkeit, professionelle Distanz, Urteilsfähigkeit).


Die „insoweit erfahrene Fachkraft“ soll nicht die Aufgaben der Fallführung oder Fallkoordination wahrnehmen, sondern hat nach der neuen Gesetzeslage für kinder- und jugendnahe Berufsgruppen eine Einschätzungs- und Prozessberatung bei Hinweisen auf eine Kindeswohlgefährdung vorzunehmen. Die „insoweit erfahrene Fachkraft“ soll den fachlichen Bewertungsprozess strukturieren und damit für die Einhaltung fachlicher Standards sorgen.

(vgl. Stefan Heinitz, JAmt Heft 11/2012, Seite 560)


Folgende Berufsgruppen haben Anspruch auf eine Beratung durch eine „insoweit erfahrene Fachkraft“:


  1. ÄrztInnen, Hebammen oder Entbindungspfleger oder Angehörige eines anderen Heilberufes, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,

  2. BerufspsychologInnen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung,

  3. Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder JugendberaterInnen,

  4. BeraterInnen für Suchtfragen in einer anerkannten Beratungsstelle, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt ist,

  5. Mitgliedern oder Beauftragten einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes,

  6. staatlich anerkannten SozialarbeiterInnen oder SozialpädagogInnen

  7. LehrerInnen an öffentlichen und an staatlich anerkannten privaten Schulen


Eigene Fachkräfte im ASD werden als „insoweit erfahrene Fachkräfte“ zur Fachberatung ausgenommen. Sie können die gesetzlich geforderte Pseudonymisierung nicht gewährleisten (da die Familien zu häufig bereits bekannt wären) und auch die erforderliche Erwartung an Vertraulichkeit nicht erfüllen (weil die Aufgabe der vertraulichen Fachberatung mit dem eigenen Schutzauftrag kollidiert).

(siehe Frankfurter Kommentar, 7. Auflage 2013, § 8b, Rdnr. 9).


Innerhalb des Fachbereiches wurde die Möglichkeit geprüft, durch eigenes – neu anzustellendes – Personal die Fachberatung der kinder- und jugendnahen Berufsgruppen zu leisten. Die Bruttoarbeitgeberkosten einer Vollzeitstelle in der Vergütungsgruppe S 12 Stufe 4 (wegen notwendiger Berufserfahrung) liegen bei ca. 51.000,00 €. Es ist auszuschließen, dass einzelne MitarbeiterInnen Praxiserfahrung in allen potentiellen Gefährdungslagen aufweisen können. Erfolgt aus diesem Grunde eine fehlerhafte Beratung, so ist eine zielgerichtete Aufgabenwahrnehmung des Kinderschutzes nicht gegeben. Dieses „Fehlerrisiko“ wird durch die Bildung eines Fachberater-Pools weitestgehend reduziert. Außerdem wird durch die Beteiligung der freien Träger ein wesentlicher Schritt zum kooperativen Kinderschutz vollzogen.


Zusammenfassend besteht das fachliche Erfordernis, einen Fachberater-Pool zu bilden, der aus qualifizierten Kinderschutzkräften des Fachbereiches (außer MitarbeiterInnen des ASD) und den „insoweit erfahrenen Fachkräften“ bei den freien Trägern der Jugendhilfe besetzt wird. Hierdurch ist gewährleistet, dass je nach Gefährdungslage und -art eine Fachberatung in Anspruch genommen werden kann, die eine auf den Einzelfall zugeschnittene und als erforderlich gehaltene passgenaue Prozess- und Beratungsbegleitung sicherstellt. Im Dialog mit den freien Trägern wird eine Übersicht der einzelnen „insoweit erfahrenen Fachkräfte“ zusammengestellt, die die Person, die Qualifikation und die Kenntnisse in den einzelnen potentiellen Gefährdungsbereichen benennt. Diese Übersicht wird an die einzelnen Akteure der kinder- und jugendnahen Berufsgruppen verteilt. In den kommenden Netzwerktreffen und Kinderschutzveranstaltungen des Landkreises wird auf diese Übersicht des Berater-Pools hingewiesen.


Wird eine „insoweit erfahrene Fachkraft“ von anspruchsberechtigten Personen/ Personengruppen eingeschaltet, muss der öffentliche Jugendhilfeträger die anfallenden Personalkosten der Fachkraft übernehmen. Um die Abrechnung zu vereinfachen und den gesetzlichen Vorgaben der größtmöglichen Vertrautheit des Beratungsprozesses gerecht zu werden, wird eine pauschale Vergütung in Höhe von drei Fachleistungsstunden je Beratungsfall vorgeschlagen. Sollte im Einzelfall ein erheblicher Mehraufwand erforderlich sein, wird die Bestätigung mit genauer Bezifferung der Mehrstunden durch die eingesetzte Fachkraft, dem Mitglied der kinder- und jugendnahen Berufsgruppe und der jeweiligen Leitungskräfte vorgeschlagen.


Die hier vorgeschlagene Regelung wird regelmäßig überprüft werden müssen und dient der perspektivischen Annäherung an einen Mittelwert der Fachberatung. Hierzu wird der tatsächliche Stundenumfang von der Fachberatung und dem Mitglied der kinder- und jugendnahen Berufsgruppe dokumentiert und dem Fachbereich mit den anonymisierten Daten der betreffenden Familie übermittelt werden müssen.


Aktuell sind seit Januar 2012 ca. 30 Fälle durch den ASD bearbeitet worden, die im Kontext der Regelung des § 8b SGB VIII einzuordnen sind. Eine konkrete Fallzahl kann mangels statistischer Erfassung nicht benannt werden. Auch ist der zu beziffernde Zeitaufwand der Fallbegleitung nicht abschließend zu beurteilen. Mit größerer Information über das Beratungsangebot wird die Anfrage erwartungsgemäß steigen. Bei einem durchschnittlichen Fachleistungsstundensatz in Höhe von 40,00 € und angenommenen 100 Beratungsfällen im Jahr sowie der pauschalen Vergütung von drei FLS pro Fall sind Gesamtkosten in Höhe von 12.000,00 €/Jahr zu erwarten.



Herr Meyer-Helfers berichtet, seit Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes haben Personen, die beruflich in Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen stehen, bei der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung gegenüber dem Jugendamt einen Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft.


Über einen längeren Zeitraum wurde verwaltungsintern diskutiert, ob der Anspruch durch eigenes zusätzliches Personal erfüllt werden soll. Schlussendlich ist der Landkreis Friesland in einen Dialog mit den freien Jugendhilfeträgern getreten, da jeder freie Träger insoweit erfahrene Fachkräfte vorhalte. Insofern sei aus Sicht eines qualifizierten Kinderschutzes eine Bündelung vorhandener Ressourcen innerhalb eines Beraterpools sinnvoll.


Die im Beraterpool aufgenommenen Fachkräfte können bei Bedarf von den anspruchsberechtigten Personengruppen kontaktiert werden. Nach den Erfahrungen der Verwaltung sind für eine Beratung bei einem klassischen Problemfall drei Zeitstunden auskömmlich, so dass der jeweilige freie Träger pauschal auf Grundlage von drei Fachleistungsstunden vergütet werde. Bei besonderen Problemfällen ist eine Vergütung über die Pauschale hinaus verhandelbar.


Der Landkreis Friesland verpflichtet sich zudem, den Zeitwert regelmäßig mit den freien Trägern gemeinsam zu überprüfen und ggf. nach oben oder nach unten zu korrigieren.


Auf Nachfrage der Ausschussmitglieder, welche Vorgaben an die insoweit erfahrenen Fachkräfte gestellt werden und welche Personengruppen eine Beratung in Anspruch nehmen können, verweist Herr Meyer-Helfers auf die Vorlage.


Die freien Träger können dem Landkreis Friesland ihre insoweit erfahrenen Fachkräfte zur Aufnahme in den Beraterpool melden. Bei Vorliegen der Qualitätsvoraussetzungen, die sich eng an den Vorgaben des bayrischen Landesjugendamtes und den Vorgaben der neuen Mustervereinbarungen nach §§ 8a und 72a SGB VIII orientieren, werde die gemeldete insoweit erfahrene Fachkraft auf die Liste des Beraterpools gesetzt.


Sofern nicht per Gesetz anspruchsberechtigte Personen Beratung zur Einschätzung einer Kindeswohlgefährund benötigen, z.B. Trainer in Sportvereinen, werde der Landkreis im Sinne eines engmaschigen Kinderschutzes keine Beratung bzw. Kostenübernahme verweigern.


Die Garantenstellung verbleibt, unabhängig der Bildung eines Beraterpools, beim Jugendamt.