Sitzung: 02.10.2013 Kreistag des Landkreises Friesland
Beschluss: mehrheitlich beschlossen
Abstimmung: Ja: 27, Nein: 5, Enthaltung: 2
Vorlage: 0350/2013
Beschluss:
Die Errichtung eines themenorientierten Portals und einer Promenade zum Leitthema „UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer“ wird als grundsätzlich förderfähig anerkannt. Der Kurverwaltung Nordseebad Dangast wird zur Teilfinanzierung der Maßnahme ein Kreiszuschuss in Höhe von 30 % der nicht durch Zuschüsse Dritter gedeckten förderfähigen Kosten, maximal jedoch 500.000 €, bewilligt, unter der Voraussetzung, dass die Landesmittel der NBank in der beantragten Höhe bewilligt werden.
Im Haushaltsjahr 2013 wird der erste Teilbetrag in Höhe von 100.000 Euro bereitgestellt und in den Haushaltsjahren 2014 und 2015 weitere Teilbeträge in Höhe von jeweils 200.000 Euro eingestellt.
Die Auszahlung der Mittel erfolgt nach Baufortschritt unter Berücksichtigung der Haushaltslage des Landkreises Friesland.
Auf die Ausführungen zu TOP 3.1.2 der KA-Niederschrift vom 11. September 2013 wird verwiesen; der Kreisausschuss hatte der Zuschussgewährung bei 9 Ja- und 2 Gegenstimmen zugestimmt.
Kreistagsabgeordneter Chmielewski erklärte seine Ablehnung. Es gehe nicht an, öffentliche Mittel in ein Projekt zu investieren, das im Außenbereich und damit im potenziellen Überflutungsgebiet liege – eine Ausnahme bildeten Maßnahmen des Deichschutzes. Trotz Überschwemmungsphasen in der Vergangenheit und trotz zu erwartender Folgen des Klimawandels werde Geld für ein Bauwerk im Außenbereich investiert, das dem Tourismus diene. Es sei lediglich eine Frage der Zeit, bevor das Gebäude den Sturmfluten ausgeliefert sei. - Mit gestrigem Datum habe er, so Herr Chmielewski, einen Antrag an den Kreistag gestellt, die Förderrichtlinien des Landkreises Friesland zu ändern.
Gegen eine Zuschussgewährung sprach sich auch KTA Just aus. Zahlreiche Dangaster Bürger/innen hätten in der Sitzung des Kreis-Wirtschaftsausschusses vorgetragen, dass das geplante Bauwerk außendeichs liege und daher gefährdet sei. Nur 20 % der Fläche des Bauwerks seien überhaupt dem Weltnaturerbe gewidmet. 80 Prozent seien für touristische Zwecke – beispielsweise eine 80 qm große Sauna - vorgesehen, die nicht zwingend an dieser Stelle vorgehalten werden müssten. Der touristische Nutzen des Gesamtkonzepts sei von den Anwohnern grundsätzlich in Zweifel gezogen worden, denn die Eigenfinanzierung durch die Stadt Varel solle durch großen Grundstücksverkauf und den Bau vieler Eigentumswohnungen erbracht werden. Der ursprüngliche Charme des Ortes Dangast werde durch diese Bauten zerstört.
Massive Zweifel seien geäußert worden, ob sich für den Haushalt der Stadt Varel tatsächlich eine Entlastung ergebe.
Der Hauptgrund seiner Ablehnung, so Herr Just, sei die Tatsache, dass das Projekt gegen den Widerstand großer Teile der Bevölkerung in Dangast durchgeführt werden solle. Dieses Vorgehen widerspreche allen Grundsätzen demokratischen Handelns und werde den Entscheidungsträgern nicht verziehen werden. Insofern sollte die Angelegenheit an die Stadt Varel zurück gegeben werden mit dem Hinweis, sie möge zunächst eine Verständigung mit den Bürgern herbei führen und die geforderte Leitbilddiskussion in die Tat umsetzen, um einen breiten Konsens für die Entwicklung in Dangast zu finden. Danach könne ein erneuter Förderantrag an den Kreis gestellt werden. Nach heutigem Stand fehle die moralische Legitimation für eine Entscheidung.
Kreistagsvorsitzender Pauluschke wies darauf hin, der Kreisausschuss habe nicht über die Sinnhaftigkeit des Projektes in Varel diskutiert. Gegenstand der Beratung sei ausschließlich die Förderfähigkeit der Maßnahme im Rahmen der Förderrichtlinien des Landkreises gewesen. Nur darauf ziele auch die heutige Beschlussfassung des Kreistages.
Frau Bödecker unterstrich, der Landkreis könne nur signalisieren, dass aufgrund seiner Förderrichtlinien die Bereitschaft bestehe, Mittel zu gewähren. Die politische Debatte sei Angelegenheit der Stadt Varel.
Landrat Ambrosy führte aus, der Landkreis Friesland als untere Deichbehörde sei mit dem Thema „Deicherhöhung“ an dieser Stelle seit Jahren befasst. Die Stadt Varel werde bei Umsetzung des Projektes alle Schritte mit der unteren Deichbehörde und mit dem II. Oldenburgischen Deichband abstimmen. Für die Planung habe die Stadt ein Oldenburger Fachbüro beauftragt; dieser Dienstleister sei vom II. Oldenburgischen Deichband empfohlen worden.
Die Arbeiten am Schutzdeich unterlägen – wie alle Baumaßnahmen außerhalb der Deichlinie – den strengen Kriterien der beteiligten Fachbehörden. Seinerzeit sei diskutiert worden, den Hauptdeich von der jetzt planfestgestellten Linie vorzuverlegen. Bei der damals angestrebten Außendeichböschung von ca. 1 : 4 hätte man allerdings fast keinen Strand mehr gehabt; diese Variante sei also sehr problematisch.
Der bestehende Schutzdeich werde bei den Bauarbeiten nicht aufgebrochen, sondern bleibe in seiner kompletten Substanz erhalten und werde um die zur Erhöhung notwendige Kleimenge ergänzt. Das Problem „Unterbestick Hauptdeich“ müsse also ohnehin parallel gelöst werden. Im Rahmen der Deichschauen sei dabei der II. Oldenburgische Deichband gefordert. Die Anschlussarbeiten am Außendeich fänden in Abstimmung mit den Deichbehörden bzw. mit dem II. Oldenburgischen Deichband statt. Die erforderlichen Kleimengen würden auf der Innenseite des Schutzdeiches aufgebracht bzw. zwischengelagert, so dass mit den Kleitransporten der Schutzdeich automatisch gestärkt werde. Beide Themen würden zwischen unterer Deichbehörde, Deichband, Nationalparkbehörde und Niedersächsischem Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz besprochen. Dies sei die Darstellung aus Sicht der Deichbehörde.
Herr Chmielewski erklärte, die Förderrichtlinien des Landkreises enthielten keine Vorgabe, die sichere Anlage der Kreiszuschüsse vorab zu prüfen. Daher habe er den Antrag gestellt, dieses Manko zu beseitigen. Investitionen im Überflutungsbereich sollten demnach nicht gefördert werden – es sei denn, es gehe um Deichschutzmaßnahmen oder Bauwerke, die diesen dienten. Insofern bitte er darum, eine Anpassung der Richtlinien zu überdenken. Man öffne sonst Tür und Tor für sinnlose Investitionen. Kein Mensch würde im vorliegenden Fall privates Geld für die in Dangast geplante Maßnahme investieren. Das Projekt sei auch bereits als Dienstleistungskonzept ausgeschrieben gewesen. Es habe sich kein Bewerber gefunden, der bereit gewesen wäre, das Projekt umzusetzen – weder vom Kostenvolumen noch von der Risikoabwägung her. Wieso müsse dann die öffentliche Hand derartige Risikoinvestitionen fördern?
Als Vareler sei er auch durchaus für Tourismusförderung in Dangast, so Chmielewski. Es gebe aber Alternativen, die die Dorferneuerung vorgeschlagen habe und von anderen Fraktionen favorisiert worden seien. Das Entwicklungskonzept für Dangast sei insofern nicht alternativlos.
Kreistagsvorsitzender Pauluschke führte aus, der Antrag von KTA Chmielewski auf Änderung der Förderrichtlinien mit dem Ziel, vor der Gewährung einer Förderung die Sinnhaftigkeit eines Projektes zu überprüfen, sei am Vortage bei der Kreisverwaltung eingegangen. Der Antrag werde den Gremien zugeleitet und sodann eine Beratung und ggf. Beschlussfassung eingeleitet.
KTA Neugebauer schilderte seine besondere Situation: Der Stadt Varel wolle er natürlich nicht schaden, indem er ihr Fördergelder vorenthalte. Zum anderen habe man heute viele Argumente gehört, die die Sinnhaftigkeit der Maßnahme in Frage stellten. Einer der wichtigsten Punkte sei die Tatsache, dass ein Großteil der Bevölkerung sich dagegen ausspreche – nicht nur die Dangaster. Das habe sich an der großen Beteiligung an der Unterschriftenaktion zur Durchführung eines Bürgerbegehrens am Wahlsonntag gezeigt. Die Menschen seien scharenweise bereit gewesen, ihre persönlichen Daten anzugeben.
Der Landkreis habe den Grundsatzbeschluss zur Förderung touristischer Maßnahmen. Trotzdem werde er, so KTA Neugebauer, gegen den Zuschuss für Dangast stimmen, weil seine Zweifel zu stark seien: Die Bevölkerung sei gegen das Projekt, man plane und baue in einem Überflutungsgebiet und für das eingesetzte Kapital zeige sich ein großes Risiko.
Die Ausführungen des Landrates bedürften der Richtigstellung: Es gehe nicht nur um den Deich. Alle seien dafür, den Deich zu erhöhen. Aber in diesen Deich hinein solle das Fundament für das Weltnaturerbeportal gebaut werden; das könne nicht funktionieren. Es gehe nicht an, eine Deichbaumaßnahme zu fördern und gleichzeitig über das Fundament für eine Neubau-Investition von rd. 5 Mio. Euro mit abzustimmen. Er bitte darum, so Herr Neugebauer, die Entscheidung über den Zuschussantrag zurückzustellen, um der Stadt Varel die Möglichkeit zu geben, über Alternativen nachzudenken.
Herr Ratzel regte an, in den Beschlussvorschlag einen Vorbehalt aufzunehmen, dass im Falle einer Änderung der Richtlinien der Beschluss hinfällig werde. Zurzeit sei die Maßnahme noch nicht begonnen. Sollten die Richtlinien nach intensiver Beratung geändert werden, gebe es ohne entsprechenden Vorbehalt kein Zurück mehr. Er bitte den Vorschlag zu überlegen.
KTA Böcker verwies darauf, seit ca. 35 Jahren bereits werde über die weitere Entwicklung von Dangast diskutiert. In Dangast fahre man über Jahre immer wieder Verluste ein. Nun gebe es ein Konzept, das von Stadt und Kurverwaltung getragen werde und eine Chance auf Verwirklichung habe. Bedauerlich sei, dass nun negative Argumente in die Diskussion getragen würden. Im besagten Bereich stehe seit 25 Jahren das DanGast Quellbad. Viele Dangaster wären erfreut, wenn es durch einen höheren Deich endlich abgesichert würde. Die Integration des Gebäudes in den Deich sei durch Fachkräfte genau berechnet worden. Insofern gebe es keine Bedenken, dass das Gebäude einmal „absaufen“ könne; gleichwohl sei eine Sturmflut in Dangast natürlich möglich. Die Diskussion müsse nun ein Ende haben; die Abstimmung zum Zuschussantrag sollte nicht vertagt werden.
Leider werde auch mit falschen Zahlen argumentiert. Vor zwei Jahren habe die Dangaster Bürgerinitiative erklärt, die gesamte Deichbaumaßnahme koste 19,4 Mio. Euro. Nun gehe es um einen Betrag von rd. 900.000 Euro. Die Bevölkerung werde verunsichert. Die von Herrn Neugebauer erwähnte Beteiligung an der Unterschriftenaktion gelte es zu hinterfragen: Vielen sei nicht bewusst, welche Forderung genau sie mit ihrer Unterschrift unterstützten. - Vor diesem Hintergrund bitte er, so Herr Böcker, um ein Ende der Diskussion und Entscheidung über die Zuschussgewährung in der heutigen Sitzung.
KTA Chmielewski stellte klar, die Bürgerinitiative habe keinesfalls dieselbe Baumaßnahme unterschiedlich bewertet. Anfangs sei die Diskussion eine andere gewesen: Damals sei Thema die Verlegung der Hauptdeichlinie vor das neue Bauwerk gewesen; es habe damals von einander abweichende Kalkulationen gegeben. Diese Planung sei nicht weiter verfolgt worden, weil eine richtige Hauptdeichlinie vor diesem Bauwerk aus Kosten- und Zeitgründen nicht realisierbar sei.
Herr Böcker habe des weiteren die nun anstehende Baumaßnahme von rd. 900.000 Euro angesprochen. Wenn es nur darum ginge, eine Altinvestition zu schützen, so stünde eine Förderung außer Frage. Aber die Rede sei von einer Deichbaumaßnahme, einem zusätzlichen Schutz, der keine richtige Deichlinie darstelle, aber eine Verbesserung des bisherigen Zustandes.
Kreistagsvorsitzender Pauluschke unterbrach mit dem Hinweis, eine inhaltliche Diskussion dieser Art sei erst im Zusammenhang mit der Beratung über den von Herrn Chmielewski gestern eingereichten Antrag zu führen.
KTA Just führte aus, die von Herrn Böcker erwähnten Diskussionen in Varel seien bei den Mitgliedern des Kreistages nicht angekommen. Anlässlich der Beratung im Wirtschaftsausschuss hätten sich mehrere Dangaster Bürger der BI sachlich und eindrucksvoll zu Wort gemeldet. Dabei sei auf den kulturellen Stellenwert des Ortes und den Zusammenhang von Tradition und Tourismus in Dangast hingewiesen worden. Und es seien auch die von Herrn Neugebauer und Herrn Chmielewski angeführten Argumente vorgetragen worden.
Kreistagsvorsitzender Pauluschke ließ zunächst über den Antrag der KTA Chmielewski und Neugebauer abstimmen,
den Tagesordnungspunkt zu vertagen, um der Stadt Varel die Mög-
lichkeit zu geben, Alternativen zur bisherigen Beschlussfassung
zu überdenken.
Der Antrag auf Vertagung wurde bei
6 Ja-Stimmen
3 Enthaltungen
25 Gegenstimmen
abgelehnt.
Sodann wurde der Beschlussvorschlag des Kreisausschusses vom 11. September 2013 zur Abstimmung gestellt.
Abstimmungsergebnis:
mehrheitliche Zustimmung bei
27 Ja-Stimmen
5 Gegenstimmen
2 Enthaltungen