Betreff
Sachstand Kavernenerweiterung in Etzel
Vorlage
0071/2012
Art
Beschlussvorlage

Begründung:


Gültige Genehmigungen:

Das Genehmigungsverfahren für Kavernen ist prinzipiell dreigestuft. Zunächst muss in einem Rahmenbetriebsplan (fakultativ/obligatorisch) die lang- und mittelfristige Planung auf Basis einer Planfeststellung genehmigt werden. Auf Basis der Rahmenbetriebspläne werden dann die Hauptbetriebspläne für den laufenden Betrieb mit Befristung von 2 Jahren aufgestellt. Die einzelnen tatsächlichen Maßnahmen (bohren, solen, Betrieb) werden dann jeweils in Sonderbetriebsplänen genehmigt. Zuständig ist das Landesamt für Bergbau und Energie (LBEG).



Für die Kavernenanlage besteht ein fakultativer Rahmenbetriebsplan für 144 Kavernen. Fakultativ bedeutet, dass das grundsätzliche Recht zur Planung dieser Kavernen für IVG besteht. Hierin enthalten sind keine konkreten Erlaubnis zur Aussohlung von Kavernen, die einzeln mit Sonderbetriebsplänen genehmigt werden müssen. In Form von Sonderbetriebsplänen (= Baugenehmigung) liegen derzeit 99 Erlaubnisse zum Bohren von Kavernen vor. Das Aussohlen der Kaverne sowie der Betrieb bedürfen weiterer Sonderbetriebspläne.



Die durch die bereits genehmigten Kavernen ausgelösten Senkungen werden sich nach Prognosen auf rund 2,10 m unter dem heutigen Geländeniveau summieren. In wie fern die Folgen dieser Senkung in den vorhandenen Genehmigungen berücksichtigt sind, ist derzeit unklar und soll im Rahmen eines Gesprächs mit der Genehmigungsbehörde geklärt werden.

Im Jahr 2010 wurde das Bergrecht geändert, so dass bei dem Anlegen von Kavernen die Rahmenbetriebspläne nicht mehr nur fakultativ, sondern obligatorisch durch eine Planfestellung zu genehmigen sind und für die Planfeststellung zwingend eine Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) zu erfolgen hat (§ 52 Abs. 2a BBergG.). Dies war der eigentliche Anlass, das Planverfahren öffentlich bekannt zu machen.



Sachstand Planverfahren - Leitbildprozess:

Das Vorhaben der IVG ist grundsätzlich ROV-pflichtig (§ Abs. 1 Nr. 16 ROV) und weist eine z. T. internationale Bedeutung für die Energieinfrastruktur auf. Deshalb hat die Regierungsvertretung (RV) Oldenburg das Verfahren an sich gezogen und prüft derzeit, ob die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens (ROV) erforderlich ist. Sowohl am ROV als auch im Rahmen einer raumordnerischen Stellungnahme werden der Landkreis Friesland und die betroffenen Gemeinden gehört. Das Planfeststellungsverfahren für den obligatorischen Rahmenbetriebsplan wird dem gegenüber vom LBEG geführt und ist bereits durch den Scopingtermin zur UVS angestossen worden.



Beide Verfahren, ROV und Planfeststellung, greifen zum Teil auf die gleichen fachlichen Grundlagen (UVS, Senkungsprognose) zu und sind davon abhängig, welchen Zielzustand die Landschaft nach Ende der Kavernenbetriebsphase erreichen soll. Um hierfür das erforderliche Meinungsbild in der betroffenen Region besser erfassen zu können, wurde vom Vorhabenträger unter Moderation der RV der Prozess “Leitbild Kulturlandschaft Etzel” ins Leben gerufen. Dieser Prozess ersetzt nicht die im eigentlichem Planfeststellungsverfahren durchzuführende Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung, sondern ist ein freiwilliges Angebot des Vorhabenträgers. An dem Prozess haben u.a der Landkreis Friesland (FB 12, FB 14) als auch die Gemeinde Sande teilgenommen.

Kern der Leitbild-Diskussion war dabei die Senkungsprognose und deren wasserwirtschaftlichen Auswirkungen. Diese haben insbesondere hinsichtlich des Naturschutzes (Vernässung/Trockenhaltung, FHH - Gebiet “Friedeburger Tief”) des Landschaftsbildes (Wasserflächen, Deiche an Fließgewässern), dem Schutz von Bauwerken (Schloß Gödens, Neustadtgödens) und der unterschiedlichen Flächenkonkurrenzen die größten Auswirkungen auf die zukünftige Entwicklung des Gebiets.

Die Senkungsprognose geht davon aus, dass der Betrieb der Kavernen in 2060 eingestellt wird. Bis dahin sollen sich lt. Prognose die Senkungen am tiefsten Punkt auf ca. 2,30 m unter heutigem Niveau summiert haben. Erst ca. 20 Jahre nach der sicheren Endverwahrung und ca. 0,2 m weitere Senkungen sollen dann die Setzungen abgeklungen sein. Das tatsächliche Ausmaß der Senkung ist neben der Anzahl der Kavernen auch von Betriebsdauer, dem Betriebsdruck, der Dichte der Kavernen sowie der Geologie der Kavernen selbst abhängig. Von den Senkungen betroffen ist dabei ein Gebiet von ca. 71 km² (Zone 2 gem. UVP), das auch in den Landkreis Friesland bzw. in das Gebiet der Gemeinde Sande hineinragt. Die Auswirkungen z. B. in Bezug auf den Grundwasserhaushalt werden jedoch darüber hinaus gehen und müssen im Rahmen der hydrogeologischen Gutachten noch erfasst werden. Diese Auswirkungen sind auch vom gewählten Leitbild des Zielzustandes der Landschaft abhängig.

Diese Aspekte wurden in vier Arbeitskreisen für

  • Naturschutz,

  • Siedlung,

  • Wasserwirtschaft und

  • Landwirtschaft

jeweils fachspezifisch diskutiert und in einer Ergebniswerkstatt am 14.3.2012 zusammen geführt. Kernpunkte der Zielaussagen waren dabei

  • die weitgehende Einhaltung der bestehenden Grundwasserflurabstände,

  • der Erhalt des wesentlichen Charakters der Kulturlandschaft Etzel (Marsch und Geest) und

  • die Sicherung der Siedlungsbereiche und der kulturhistorisch bedeutsamen Bauwerke, der ordnungsgemäßen Wasserversorgung und Wasserentsorgung sowie der Infrastruktur.

Anhand dieser Grundaussagen soll nun das Leitbild weiter konkretisiert, auf Umsetzbarkeit geprüft und ein einer abschließenden Veranstaltung im Frühsommer 2012 vorgestellt werden. Teil der Konkretisierung wird auch sein, ob und wie der Leitbildprozess fortgesetzt werden und in die Planfeststellung einfließen kann. Ziel soll es sein, das heute gefundene Leitbild auch den tatsächlichen zukünftigen Entwicklungen anpassen zu können.

Das jetzt gefundene Leitbild soll dann im Rahmen der UVS dazu dienen, den zu bewertenden Zielzustand der Landschaft besser erfassen zu können. Die Ergebnisse, die Fachpräsentationen und der Ablauf des Prozesses sind auf www.kulturlandschaft-etzel.de öffentlich zugänglich.



Endverwahrung der Kavernen:

Im Rahmen der Ergebniswerkstatt wurde auch das Thema der Endverwahrung der Kavernen nach Ende der Nutzung 2060 diskutiert. Als Verfahren wird nach derzeitigem Stand der Technik eine Wiederverfüllung der Kavernen mit Sole beabsichtigt, so dass sich im Salzstock nach
ca. 15 – 20 Jahren wieder ein Gleichgewichtszustand wie vor der Herstellung eingespielt hat und die obertägigen Setzungen abklingen. Diese Setzungen werden nochmals rund 20 cm betragen.

Ob dieses Verfahren “sicher” ist, ist derzeit auch Diskussion zwischen der BI “Lebensqualität.” und der IVG. Die BI sieht in diesem Verfahren die Gefahr, dass über sogenannte Makrorisse Sole in den Grundwasserkörper gelangen und es wegen des dann fehlenden Innendrucks der Kavernen zu weiteren und wesentlich stärken Setzungen von weit über 10 m kommen kann.

Eine abschließende Bewertung, welches Szenario nun das “Richtige” ist, ist derzeit nicht möglich. In der Betrachtung der Risiken kann nur unter dem Gesichtspunkten der Eintrittswahrscheinlickeit und Modellkonsistenz eine Bewertung im Rahmen der Planfeststellung vorgenommen werden. Eine absolute Sicherheit, gleich für den Extrem- oder Minimalfall, besteht nicht.



Auswirkungen auf den Landkreis Friesland und die Gemeinde Sande:

Das Antragsgebiet erfasst erstmals auch die Teilflächen der Gemeinde Sande als Kavernenstandort (siehe Anlage). Damit weicht die IVG von ihren bislang angegebenen Beschränkungen auf das Gebiet des Landkreises Wittmund ab. Ob der Standortbereich tatsächlich genutzt werden kann, hängt von der geologischen Eignung des Salzstocks sowie noch mehr von de oberirdisch Nutzung und den darunter liegenden Salzrechten ab.

Der Senkungstrichter selbst wird sich in seinen stärksten Ausprägungen westlich des Friedeburger Tiefs bilden, und sich mit Setzungen von bis zu 0,4 – 0,6 m auch auf die friesländische Gebiet auswirken. Dabei sind die Setzungen in der Regel, nach Angaben der Gutachter, nicht in der Örtlichkeit wahrnehmbar und werden nicht zu plötzlichen Bergsenkungen bzw. Gebäudeschäden führen. Die wesentlichen Auswirkungen der Senkungen werden sich nicht nur durch die Geländeabsenkung selbst ergeben, sondern vielmehr aus den Auswirkungen auf die Oberflächengewässer und den Grundwasserkörper. Dessen Absenkung wiederum kann dann u. U. zu Setzungen führen, wenn z. B. Torfschichten oder Holzpfähle unterhalb von Gebäuden trocken fallen. Die aus dem Leitbildszenario des “überwiegenden Trockenhaltens” resultierenden wasserwirtschaftlichen Maßnahmen und Bauwerken gehen, auch in den Ewigkeitskosten, zu Lasten des Antragsstellers, als hier der IVG. Im Rahmen der Planfeststellung müssen diese insolvenzsicher abgesichert werden. Problematisch ist hingegen die Beweislast, die derzeit noch dem Eigentümer obliegt. Ein Beweislastumkehr ist aktuell nicht gegeben bzw. geplant. Vorsorglich wird derzeit im Auftrag der IVG der Bereich vermessen, um zur Vorbereitung des Planfestellungsverfahren den Zustand der Gebäude in Zone 2 sowie deren unmittelbarem Grenzbereich zu erfassen.



Weitere Schritte:

Das Ergebnis des Leitbildprozesses zeigt die wesentlichen Rahmenbedingungen für die weiteren Planverfahren und deren Entwicklungsziele. So gesehen kann der Leitbildprozess durchaus als Chance zur frühzeitigen Mitwirkung gesehen werden. Das formelle Planverfahren wird noch folgen und in diesem müssen dann auch die Bedenken und Anregungen der Behörden und der Öffentlichkeit abschließend behandelt werden. In diesem Sinne wird der Landkreis weiterhin darauf hinwirken, dass die vorhandenen Gebäude, insbesondere die unter Denkmalschutz stehenden, gesichert werden und die Beweislast möglichst der IVG auferlegt wird. Ferner soll bewirkt werden, dass der Leitbildprozess und dessen Fortsetzung als Auflage in den Planfestellungsbeschluss aufgenommen wird, um eine langfristige Mitgestaltungsmöglichkeit der Region zu sichern.


Beschlussvorschlag:


Der Ausschuss nimmt die Ausführungen zur Kenntnis.


Der Kreisausschuss wird ebenfalls um Kenntnisnahme gebeten.


Finanzielle Auswirkungen: Ja Rahmen2 Nein

Gesamtkosten der Maßnahmen (ohne Folgekosten)

Direkte jährliche Folgekosten

Finanzierung:

Eigenanteil objektbezogene Einnahmen

Sonstige einmalige oder jährliche laufende Haushaltsauswirkungen

Erfolgte Veranschlagung: Ja, mit € Nein

im Ergebnishaushalt Finanzhaushalt Produkt- bzw. Investitionsobjekt:

gez gez

A. Tuinmann G. Peters

Sachbearbeiter/in Fachbereichsleiter/in

Sichtvermerke:


Abteilungsleiter Kämmerei Landrat

Beratungsergebnis:

Einstimmig

Ja-Stimmen


Nein-Stimmen


Enthaltungen


Kenntnisnahme

Lt. Beschluss-vorschlag

Abweichender Beschluss




Anlagen:


Anlage 1