Betreff
Kreislaufwirtschaftsgesetz, hier: Sachstand
Vorlage
0087/2012
Art
Beschlussvorlage

Begründung:


Das bisherige Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz wird zukünftig durch das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) ersetzt. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz wird zum 01. Juni 2012 in Kraft treten. Während des Gesetzgebungsverfahrens hatte der Landkreis Friesland, genau wie viele andere Kommunen, eine Resolution gegen den ursprünglichen Gesetzesentwurf beschlossen. Die Verwaltung hatte zu dem Gesetzgebungsverfahren regelmäßig berichtet.


Das Gesetzgebungsverfahren hat insgesamt sehr lange gedauert. Nachdem der Bundesrat seine Zustimmung verweigert hatte, bedurfte es letzlich des Vermittlungsausschusses des Bundestages und des Bundesrates, der einen Kompromiss zu den besonders strittigen Gesetzesformulierungen erarbeitet hat.


Aus Sicht der Kommunen konnte so zumindest „das Schlimmste“ verhindert werden. Eigentlich hätte nur die Europäische Abfallrahmenrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Tatsächlich hat man diese Situation dazu genutzt, unter dem „Deckmäntelchen“ der Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur kommunalen Zuständigkeit der Altpapierentsorgung in sein Gegenteil zu verkehren. Angestrebt wurde zudem eine vollständige Liberalisierung der Abfallentsorgung bei den Privathaushalten – also neben Altpapier auch Bioabfälle und die lukrativen Bereiche aus dem Sperrmüll und dem Restabfall. Die Kommunen hätten sich nur noch um unbedeutende und von anderen ungewollte Abfälle kümmern dürfen. Die bisher – aufgrund der bestehenden Gesetze – getätigten Investitionen in die Entsorgungsinfrastruktur als Aufgabe der Daseinsvorsorge wären ad absurdum geführt worden. Die Bürgerinnen und Bürger hätten diese Kosten jedoch nach wie vor zu tragen und wären die eigentlichen Verlierer bei dem ursprünglichen Gesetzesentwurf geworden.


Dieses Vorhaben konnte aufgrund der eindeutigen Position vieler Bundesländer verhindert werden. Das „Kämpfen“ um die kommunale Daseinsvorsorge, die u. a. von den meisten Kommunen in entsprechenden Resolutionen beschlossen wurde, hat offenbar Wirkung gezeigt.


Aus Sicht der Abfallwirtschaft Friesland und vieler anderer Kommunen ist der „große Wurf“ mit der Neufassung dennoch nicht gelungen. Die zum Teil extrem kommunenfeindlichen Formulierungen wurden zwar abgeschwächt, die Klarstellung der Rechtslage in dem bisherigen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz durch das Bundesverwaltungsgericht (nach rd. 10 Jahre Rechtsstreitigkeiten) hat durch das neue Gesetz jedoch keinen Bestand mehr. Äußerst unglücklich ist, dass in dem Gesetz weitere zahlreiche neue unbestimmte Rechtsbegriffe Einzug gefunden haben, die weitere jahrelange rechtliche Streitigkeiten geradezu provozieren. Dass Grauzonen ausgelotet werden, um Zugriff auf die kommunale Daseinsvorsorge zu erhalten, erscheint fast zwangsläufig.


Grundsätzliche zentrale Fragen der zukünftigen Kreislaufwirtschaft wurden zum Teil nicht geregelt. Insbesondere die in der Öffentlichkeit vermeintlich beschlossene Wertstofftonne ist durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz gerade nicht beschlossen worden. Beschlossen wurde lediglich eine Ermächtigungsgrundlage für ein Wertstoffgesetz.


Die „Wundertonne“, in der sämtliche werthaltigen Abfälle zusammen gesammelt werden, wird es in der diskutierten Form ohnehin nicht geben. Insbesondere die Vermischung mit Elektrokleingeräten, Handys und Abfällen ist weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll. Entsprechende Modellversuche und wissenschaftliche Auswertungen. Zudem würde den klaren rechtlichen Trendvorgaben nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz widersprochen.

Zudem wurde deutlich, dass der Begriff werthaltige Abfälle bzw. Wertstoffe einer Klarstellung bedarf. Wertstoffe bedeuten im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts nicht einen ökonomischen Wert, sondern vielmehr einen ökologischen Wert im Sinne einer echten Kreislaufwirtschaft bzw. Ressourcenwirtschaft.

Die „Wertstofftonne würde sich also nicht einmal selbst tragen – wäre also in keinem Falle kostendeckend. Man hatte hierbei vor allem Lizenzentgelte im Rahmen der Produtkverantwortung für die Inverkehrbringer der Produkte (die ökologisch werthaltige Abfälle enthalten) im Sinn.

Zur Zeit sind Erlöse je nach Marktlage lediglich beim Altpapier, beim Altmetall und bei Alttextilien zu erzielen.


Ob das Wertstoffgesetz in dieser Legislaturperiode noch beschlossen wird, bleibt nach Ansicht vieler Experten fraglich. Angesichts des zeitaufwendigen Gesetzgebungsverfahrens für das Kreislaufwirtschaftsgesetz würde auch das Wertstoffgesetz entsprechend lange diskutiert werden. Die „großen Entsorger“ haben bereits Druck auf die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin direkt ausgeübt – mit der Zielrichtung ein Wertstoffgesetz nicht zu beschließen. Hintergrund ist offensichtlich die Sorge, dass das Wertstoffgesetz aus Sicht der „großen Entsorger“ ebenfalls kommunenfreundlicher ausfallen könne.


Es waren insbesondere die „großen Entsorger“, die versucht haben, das Gesetzgebungsverfahren in ihrem Sinne zu beeinflussen. Ziel war der Zugriff auf die gesamte Wertschöpfungskette vom Sammeln bei den Privathaushalten und Gewerbebetrieben bis zu den Behandlungsanlagen und den Zugriff auf die im Rahmen der Produktverantworftung zu erhebenden bzw. zu zahlenden Lizenzentgelte.


Gefährdet wären durch diese Strukturen auch die zahlreichen Entsorgungsaufträge von mittelständischen Entsorgungsunternehmen mit Kommunen. Diese Unternehmen arbeiten bereits seit Jahren mit den Kommunen – z. B. wie im Landkreis Friesland – zusammen. Auch diese Strukturen wären letztlich gefährdet.

Es ist ohehin nicht zu erwarten, dass die Kommunen entsprechende Behandlungsanlagen für werthaltige Abfälle errichten würden. Bei Kommunaler Zuständigkeit würden die meisten Entsorgungsleistungen ausgeschrieben werden, so dass es auch hier zu einer Zusammenarbeit zwischen Kommunen und privaten Entsorgern kommen würde.

Der Unterschied ist, dass mögliche Erlöse aus der Wertstofferfassung dem Abfallgebührenhaushalt und somit den Bürgerinnen und Bürgern direkt zugute kommen würden.

Gerade im ländlichen Bereich wäre auch gewährleistet, dass eine flächendeckende Entsorgung – einschließlich Inselentsorgung – tatsächlich erfolgt.


Die objektiv sinnvolle gemeinsame Erfassung von verwertbaren Kunststoffen, die zur Zeit als Verpackungsabfall über gelbe Säcke, ansonsten über sogenannte stoffgleiche Nichtverpackungen im Restabfall gesammelt werden, kann nur über eine Novellierung der derzeitigen Verpackungsverordnung erfolgen. Diese wurde jedoch im Zusammenhang mit der Gesetzesänderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes nicht auf den Weg gebracht.


Die derzeitige Verpackungsverordnung gilt nach der Auffassung vieler Experten und Sndere der Kommunen insgesamt als gescheitert.


Was zunächst als Versuch gestartet ist, nämlich die Ausnahme der bisherigen Entsorgungsverantwortung der Kommunen durch die Organisation der Verpackungsverordnung durch ein sogenanntes privates duales System, hat sich mittlerweile zu einem unübersichtlichen und nicht praktikablen Komplex entwickelt.


Ursprünglich war lediglich die DSD GmbH (Grüner Punkt) als sogenanntes Non-Profit-Unternehmen für die Verpackungsentsorgung zuständig war – mittlerweile sind es 9 duale Systeme, die registriert sind. Hintergrund der Umstrukturierung waren kartellrechtliche Vorgaben.


Die Probleme, resultierend aus unübersichtlichem Bürokratismus, nicht die lizensierter Verpackungen und daraus resultierender Finanzierungslücken, Trittbrettfahrerproblematik, nicht plausibler Nachweis der Mengenströme u.a.m. hat man nie in den Griff bekommen. Diese Probleme werden in erster Linie auf dem Rücken mittelständischer Entsorger ausgetragen, die von den dualen Systemen beauftragt werden. Zum Teil hat sich dies auch in der Qualität der Entsorgung widergespiegelt – deutlich wurde, dass es den dualen Systemen in erster Linie nicht wirklich um eine möglichst flächendeckende und bürgerfreundliche Entsorgung ging – die Probleme der Verpackungsverordnung wurden indirekt auch auf die kommunale Abfallwirtschaft abgewälzt.


Die Abfallwirtschaft des Landkreises Friesland sieht es als am sinnvollsten an, wenn die Kommunen die komplette Zuständigkeit für die Entsorgung der Abfälle bei Privathaushalten, also auch der Verpackungsabfälle, erhalten. Dies sehen auch zahlreiche andere Kommunen so. Die Kommunen würden für die Finanzierung dieser Aufgabe entsprechende Lizenzentgelte von den Inverkehrbringern von Verpackungen erhalten, die über eine zentrale Stelle eingenommen und verteilt werden müssten.


Dieses Modell wurde im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens auch als sogenanntes „Modell 4“ diskutiert. Dieses Modell war eines von insgesamt 4 diskutierten Planspielen. Leider sind von der Bundesregierung nur 2 Planspiele auf den Weg gebracht worden, die jedoch eine kommunale Verantwortung bzw. Zuständigkeit vorn vornherein gar nicht erst untersucht haben.


Hier gilt es, aus kommunaler Sicht bei dem Gesetzgebungsverfahren für ein mögliches Wertstoffgesetz wachsam zu bleiben und auch dieses Gesetz genau so kritisch zu begleiten wie das Gesetzgebungsverfahren beim Kreislaufwirtschaftsgesetz.


Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz beinhaltet jedoch auch zahlreiche positive Aspekte, resultierend aus der Zielrichtung der europäischen Abfallrahmenrichtlinie einer weiteren Optimierung der Kreislaufwirtschaft.

Als neuer Grundsatz ist die sog. 5-stufige Abfallhierarchie (bisher 3 Stufen) eingeführt worden. Neben der Vermeidung und Beseitigung von Abfällen ist der Begriff der Verwertung ausgeweitet worden. Hierzu zählen zukünftig die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling sowie die sonstige Verwertung – insbesondere energetische Verwertung.


Zudem hat die Bundesregierung weitere Verwertungsquoten festgelegt.


Das Umdenken zu einer echten Kreislaufwirtschaft bietet auch für den Landkreis Friesland Chancen und Möglichkeiten, sein System im Hinblick auf die energetische und stoffliche Verwertung von Abfällen zu verbessern.

Die Abfallwirtschaft hat für die Ressourcenwirtschaft und dem Klimaschutz – aber auch für die Energieerzeugung einen noch höheren Stellenwert.


Diese Überlegungen müssen in das noch zu erstellende Abfallwirtschaftskonzept des Landkreises Friesland einfließen. Zudem muss der Gedanke der Kreislaufwirtschaft durch eine Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit – wie in vielen anderen Kommunen – im Sinne einer nachhaltigen Ressourcenwirtschaft noch mehr in der Bevölkerung verankert werden, um die Stoffströme noch besser zu steuern.


Die Abfallwirtschaft wird das Kreislaufwirtschaftsgesetz analysieren. Über eventuelle Auswirkungen dieses Gesetzes auf die Abfallwirtschaft in Friesland sowie den weiteren Verlauf der Gesetzgebungsverfahren für das untergesetzliche Regelwerk wird die Abfallwirtschaft regelmäßig berichten.


Beschlussvorschlag:


Der Ausschuss nimmt die Ausführungen zur Kenntnis.


Kreisausschuss und Kreistag werden ebenfalls um Kenntnisnahme gebeten.


Finanzielle Auswirkungen: Nein

Gesamtkosten der Maßnahmen (ohne Folgekosten)

Direkte jährliche Folgekosten

Finanzierung:

Eigenanteil objektbezogene Einnahmen

Sonstige einmalige oder jährliche laufende Haushaltsauswirkungen

Erfolgte Veranschlagung: Ja, mit € Nein

im Ergebnishaushalt Finanzhaushalt Produkt- bzw. Investitionsobjekt:



Sachbearbeiter/in Fachbereichsleiter/in

Sichtvermerke:


Abteilungsleiter Kämmerei Landrat

Beratungsergebnis:

Einstimmig

Ja-Stimmen


Nein-Stimmen


Enthaltungen


Kenntnisnahme

Lt. Beschluss-vorschlag

Abweichender Beschluss