Betreff
Einführung der Software Liquid Feedback zur Online-Bürgerbeteiligung
Vorlage
0097/2012
Art
Beschlussvorlage

Begründung:


Bürgerbeteiligung ist kein Luxus - sie ist ein Muss. Dafür liefert uns das Internet heute eine Technik, die es besser als jemals zuvor erlaubt, möglichst viele Menschen auch zu komplexen politischen Themen direkt zu beteiligen. Elemente direkter Demokratie können, ohne die Kompetenz der gewählten politischen Vertreter der Bürgerinnen und Bürger zu berühren, den politischen Prozess bereichern.


Sie können diesen gewählten Vertretern umfassender und differenzierter als jemals zuvor Meinungsbilder, Einstellungen und Alternativvorschläge aus der Mitte der Bevölkerung widerspiegeln, als es selbst die engagierteste persönliche Ansprache jemals leisten könnte.


Diese Bereicherung für den Landkreis Friesland zu organisieren ist erklärtes Ziel der Kreisverwaltung.


Die Kreisverwaltung schlägt deshalb vor, für eine Testphase von einem Jahr die Software "LiquidFeedback" für alle Bürgerinnen und Bürger in Friesland als online verfügbares Forum des freien Meinungsaustausches zu nutzen.


Diskutiert werden sollen darin sowohl Vorlagen, die in den politischen Gremien des Landkreises beraten werden, als auch eigene Initiativen aus dem Kreis der Nutzer.


Mit dieser Initiative geht der Landkreis Friesland als deutschlandweit erste Kommune einen äußerst innovativen Weg der Bürgerbeteiligung. Zwei Elemente stehen insbesondere für diese Innovation:


  • Die eingesetzte Software ist moderationsfrei und fördert durch ihre Abstimmungsregeln den konstruktiven Dialog. Störungen durch einseitig empfundene Moderation auf der einen oder nicht konstruktive Beiträge auf der anderen Seite, wie sie in vielen anderen Online-Beteiligungsverfahren üblich sind, werden minimiert.

  • Der Landkreis stellt eine echte Verbindung zu den politischen Gremien her (s.u.) und vermeidet so den größten Stolperstein von Online-Beteiligungsverfahren, die meist mangelnde oder gar nicht vorhandene Auswirkung von Ergebnissen auf den politischen Prozess.


Wer soll sich beteiligen?

An "LiquidFeedback" kann und soll sich jede Friesländerin und jeder Friesländer beteiligen, die/der über einen Zugang zum Internet verfügt. Denjenigen Bürgern, die sich auch ohne Zugang beteiligen wollen, wird der Landkreis ein Angebot machen, wie diese technische Hürde niedriger gestaltet werden kann.


Wozu dient die Beteiligung?

Bürgerbeteiligung kann nur erfolgreich sein, wenn ein tatsächlicher Einfluss auf Pläne und Projekte spürbar wird - diesen Fakt, der schon aus gesundem Menschenverstand heraus einleuchtet, haben auch Fallbeispiele bisheriger Versuche in Deutschland belegt (vgl. Kubicek et. al. (2009): Medienmix in der Bürgerbeteiligung). Unstrittig ist, dass die Bürgerinnen und Bürger diesen erwähnten Einfluss auf Pläne und Projekte im Landkreis ohnehin definitiv und verbrieft innehaben - gesetzlich normiert ist allerdings auch der Weg, auf dem sie diesen Einfluss ausüben: Sie wählen Vertreter, die in ihrem Namen abstimmen.

Die Organisation zusätzlicher Bürgerbeteiligung mit Online-Instrumenten hat deshalb zu gewährleisten, dass dieser faktische Einfluss auf der einen Seite abgebildet wird und gleichzeitig die gesetzlich vorgegebenen Entscheidungsregeln (formale Beschlüsse durch Kreisgremien) nicht ausgehebelt werden.


Dieses beachtend schlägt die Kreisverwaltung für wichtige Themen in eigener Zuständigkeit des Landkreises, die Belange der örtlichen Gemeinschaft betreffen, vor:


  • Vorlagen für die Gremien parallel in "LiquidFeedback" zur Diskussion und Abstimmung zu stellen und so ein Meinungsbild (gegebenenfalls auch über Alternativvorschläge) zu erzeugen,

  • dieses Meinungsbild der Vorlage entsprechend §35 NkomVG für das letztlich entscheidende Gremium (Kreisausschuss, Kreistag) hinzuzufügen (zum Beispiel mit einem Zusatz: "Vorlage war Thema in "LiquidFeedback": ja / Resultat: 68% dafür, zusätzliche 10% Unterstützung möglich bei Umsetzung des Verbesserungsvorschlages X) und

  • Initiativen aus dem Nutzerkreis, die im Internet die erforderlichen Quoren gewonnen haben, als Anregung nach §34 NKomVG und §8 Abs. 4 der Hauptsatzung des Landkreises Friesland zu behandeln.



Warum gerade die Software "LiquidFeedback"?


  • Sie bietet ein Forum, das nicht moderiert wird, sondern sich durch seine Abstimmungsregeln selbst moderiert - das gibt Bürgern die volle Kompetenz im Diskussionsprozess,

  • sie schließt gleichzeitig Störungen effektiv aus, indem Initiativen nur durch konstruktive Kritik vorankommen,

  • jedermann kann eine Initiative einbringen,

  • jedermann kann über alle Initiativen abstimmen - oder seine Stimme auf eine Vertrauensperson delegieren,

  • jedermann kann Alternativvorschläge machen und

  • jedermann kann schließlich abstimmen.


Diese Software ist entwickelt worden von der Public Software Group e.V., Berlin. Sie wird zum Beispiel von der Piratenpartei und der Organisation "Slow Food" genutzt. Es handelt sich um ein so genanntes Open-Source-Produkt, die Software ist also frei zugänglich. Kosten fallen dennoch an für die erste Einrichtung des Produktes, gegebenenfalls für Veranstaltungen zu ihrer Einführung in Friesland und für den Betrieb eines Servers, auf dem die Software läuft.


Bis zur Einrichtung sind noch einige (teils technische) Fragen zu klären. Ziel muss ein Ablauf sein, der gewährleistet, dass nur Friesländer Bürgerinnen und Bürger über Friesländer Themen abstimmen und Abstimmungen nicht manipuliert werden können.


Essentiell für den erfolgreichen Betrieb ist dann auch, dass die Regeln des Systems allgemein verständlich und gut zugänglich erklärt werden. Auch hier sind auf den Landkreis Friesland zugeschnittene Lösungen zu erarbeiten.



Abschließende Bewertung: Vergleich mit anderen Online-Bürgerbeteiligungsverfahren


Nach Auswertung zahlreicher nationaler und internationaler E-Partizipationsprojekte kam eine vom Institut für Informationsmanagement Bremen (ifib) und dem Unternehmen Zebralog erstellte Studie für das Bundesministerium des Inneren 2008 zu drei Kernempfehlungen für künftige Projekte (Kubicek 2009: 225):


  • Transparenz durch Veröffentlichung aller Beiträge, wo immer dies geht. Diese Empfehlung ist durch die Moderationsfreiheit von "LiquidFeedback" umgesetzt. Die Kreisverwaltung behält sich nur vor, bei strafrechtlich relevanten Inhalten einzugreifen und bei Nichtzuständigkeit oder bei bereits durch vorangegangene Beschlüsse erledigten Themen einen entsprechenden Hinweis zu geben.

  • Förderung der Responsivität durch klare Darstellung, wie das Beteiligungsprojekt in den politischen Prozess eingebunden ist. Auch diese Empfehlung wird durch die Verknüpfung von Online-Beteiligung und politischem Prozess wie oben beschrieben umgesetzt.

  • Einbeziehung weiterer Kreise durch zusätzliche verkürzte Beteiligungsformen. Gemeint ist hier, dass der Nutzer nicht zwingend eigene Texte verfassen, sondern auch einfach per Mausklick seine Zustimmung oder Ablehnung kundtun kann, was gegebenenfalls die Beteiligung erleichtert. Auch diese Forderung wird durch die Software "LiquidFeedback" einfach, aber effektiv erfüllt.


Zusammenfassung: Der Einsatz der Software "LiquidFeedback" kann, verzahnt mit dem realen politischen Prozess, anders als viele vergleichbare Projekte eine innovative Lösung für die Online-Bürgerbeteiligung bringen. Der Landkreis Friesland schlägt vor, diese Chance zu nutzen und das entsprechende Forum für ein Jahr lang testweise zu betreiben, um anschließend die Erfahrungen auszuwerten und den politischen Gremien erneut vorzulegen.



Beschlussvorschlag:


Der Landkreis Friesland testet als bundesweit erste Kommune mit der Software Liquid Feedback für ein Jahr ein innovatives Forum der Online-Bürgerbeteiligung und wertet anschließend die Erfahrungen aus.


Finanzielle Auswirkungen: Rahmen1 Ja Nein

Gesamtkosten der Maßnahmen (ohne Folgekosten)

Direkte jährliche Folgekosten

Finanzierung:

Eigenanteil objektbezogene Einnahmen

Sonstige einmalige oder jährliche laufende Haushaltsauswirkungen

Erfolgte Veranschlagung: Ja, mit € Nein

im Ergebnishaushalt Finanzhaushalt Produkt- bzw. Investitionsobjekt:



Sachbearbeiter Fachbereichsleiter/in

Sichtvermerke:


Abteilungsleiter Kämmerei Landrat

Beratungsergebnis:

Einstimmig

Ja-Stimmen


Nein-Stimmen


Enthaltungen


Kenntnisnahme

Lt. Beschluss-vorschlag

Abweichender Beschluss