Betreff
Liberalisierung der Wasserversorgung
Vorlage
0279/2013
Aktenzeichen
67.2
Art
Beschlussvorlage

Begründung:


Derzeit bewegt ein Richtlinienvorhaben Europa, das seit vielen Jahren äußerst umstritten ist. Während die Befürworter beruhigen und in der EU-Konzessionsrichtlinie lediglich das notwendige Schließen einer Regelungslücke im europäischen Vergaberecht sehen, verurteilen die Gegner das Vorhaben als Privatisierungsinitiative für die Wasserversorgung durch die Hintertür.


Aus Sicht der Versorgungsunternehmen gewinnt die geplante Richtlinie besondere Bedeutung im Bereich der Versorgung mit Trinkwasser und wird unter diesem Gesichtspunkt seit langem von den zuständigen Verbänden und Institutionen kritisiert. Die Richtlinie hat zum Ziel, eine Lücke im europäischen Vergaberecht zu schließen und einen verbindlichen Rechtsrahmen für die Vergabe von Konzessionen aller Art (ausgenommen sind u. a. Konzessionen im öffentlichen Personennahverkehr) vorzugeben. Auf diese Weise soll nach dem Verständnis der europäischen Institutionen mehr Rechtssicherheit und Wettbewerb bei der Vergabe von Konzessionen erreicht werden. Die Verabschiedung des endgültigen Richtlinientextes wird für Sommer d. J. erwartet. Danach wird die Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen sein bevor sie endgültig Wirksamkeit für die Versorgungswirtschaft in Deutschland erhält. Die Richtlinie enthält Bestimmungen für die Verfahren von öffentlichen Auftraggebern bei der Vergabe von Konzessionen, deren geschätzter Vertragswert mindestens 5 Mio. Euro beträgt. Eine Ausnahme für die Konzessionen zur Versorgung mit Trinkwasser konnte bisher nicht durchgesetzt werden.


Es ist festzustellen, dass die EU sich zunehmend in das Leben der Bürger einmischt. Nach der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland liegt die öffentliche Daseinvorsorge in kommunalen Händen. Ausfluss dieser Situation ist eine ausgeprägte kommunale Selbstverwaltung im Gegenbeispiel zu einem zentralistisch organisierten Staat.


Die von der EU auch jetzt wieder geplante Regelungsdichte ist, dies zeigt die Verwaltungspraxis auch im Landkreis Friesland, dem Bürger nicht immer zu vermitteln und trägt auch nicht zum Verständnis der Bürger für Europa bei.


Wie sich die Privatisierung der Wasserversorgung ausgewirkt hat, zeigt das Beispiel Portugal, mit Preissteigerungen von rd. 400 % oder das Beispiel England, wo sich mittlerweile die Qualität des Trinkwassers verschlechtert hat und die Systeme der Wasserversorgung als marode zu bezeichnen sind. Auch das Land Berlin hat mit der vorgenommenen Privatisierung der Wasserversorgung keine guten Erfahrungen gemacht.


Im Landkreis Friesland findet die Versorgung mit Trinkwasser durch den OOWV statt. Dieser Wasser- und Bodenverband ist gegründet worden, um die Wasserversorgung im Oldenburger Land sicherzustellen, da den Kommunen klar war, dass sie diese Aufgabe nicht alleine bzw. nur unter größten Schwierigkeiten bewältigen können.


Der OOWV vertritt die Auffassung, dass die durch die Europäische Kommission vorgelegte Richtlinie die kommunalwirtschaftlichen Strukturen der Wasserwirtschaft, die in der Bevölkerung hohe Anerkennung genießt, untergräbt.


In diesem Zusammenhang ist auch auf ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hinzuweisen, das eindeutig feststellt, dass die Wasserversorgung zur kommunalen Daseinsvorsorge gehört und damit durch die Kommunen bzw. im Falle des OOWV einen gemeinschaftlichen Verband sicherzustellen ist.


In vielen Fällen wird die europaweite Ausschreibung von Wasserkonzessionen zum Regelfall erhoben. Die an den örtlichen Gegebenheiten ausgerichtete bürgernahe Entscheidung der Kommunen über die Organisation ihrer Wasserversorgung wird durch eine europaweit vereinheitlichtes Vergabeverfahren ersetzt. Zwar spricht der Richtlinienentwurf in der Begründung davon, dass die kommunale Gestaltungsfreiheit beachtet werden soll, tatsächlich aber wird die kommunales Gestaltungsfreiheit insbesondere aufgrund der sehr eng gefassten Ausnahmeregelungen stark eingeschränkt. Für die Wasserversorger in Form von Verbänden, deren Leistungen für die Kommunen auf einer Mitgliedschaft und nicht auf einem Konzessionsvertrag beruhen, sind negative Folgen, insbesondere durch die sehr eng gefassten Ausnahmeregelungen in der kommunalen Zusammenarbeit und zu sog. Inhousevergabe zu befürchten. Das deutsche Modell der kommunalen Selbstverwaltung und Organisationsfreiheit auch in Kernbereichen der Daseinsvorsorge, wie z. B. der Wasserversorgung, findet nach wie vor europaweit keine ausreichende Beachtung und wird bei europäischen Rechtssetzungsakten wie auch bei der Konzessionsrichtlinie nicht berücksichtigt. Es ist daher aus Sicht des OOWV geboten, dass auch die Bundesregierung ihre bisherige Haltung zu dem Richtlinienentwurf überdenkt und sich dafür einsetzt, dass die kommunale Wasserwirtschaft aus dem Anwendungsbereich der geplanten Richtlinie herausgenommen wird.


Es ist außerdem zu befürchten, dass infolge der Liberalisierung die Erfolge auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wasserwirtschaft gefährdet werden. Nachhaltige Wasserwirtschaft bedeutet, dass das Wasser so genutzt wird, dass die Bedürfnisse der heute lebenden Menschen und der Umwelt in ausreichendem Maße befriedigt werden. Dazu dürfen aber die Verfügbarkeit von Wasser und die davon abhängigen Ökosysteme nicht so verändert werden, dass eine zukünftige Nutzung eingeschränkt wird. Für den Fall des Verbandsgebietes des OOWV bzw. insbesondere der Situation im Landkreis Friesland und der benachbarten Gebietskörperschaften bedeutet dies, dass über die bereits vergebenen Wasserrechte keine neuen Wasserrechte vergeben werden dürfen, um auch zukünftig eine ausreichende Versorgung mit Trinkwasser bzw. auch mit Brauchwasser herzustellen, sowie das Verhältnis zwischen Entnahme und Neubildung nicht zu gefährden. Es ist im Zuge der geplanten Liberalisierung daher auch zu befürchten, dass die Wasserversorgung zur Handelsware wird und damit zu einem Spekulationsobjekt.


Infolge einer Marktöffnung würde Kostendruck die Unternehmen verstärkt dazu zwingen, Einsparungen vorzunehmen. Diese Tendenz würde problematisch, falls sich diese Maßnahmen negativ auf die Qualität des gelieferten Trinkwassers auswirken. Eine mögliche Einsparung mit entsprechenden hygienischen Auswirkungen wäre die Vernachlässigung der Rohrnetzpflege. So war infolge der Liberalisierung des Strommarktes zu beobachten, dass Instandhaltungsinvestitionen teilweise drastisch zurückgefahren worden sind. Bei der Trinkwasserversorgung nehmen bei unzureichender Rohrnetzpflege die Leckagen voraussichtlich zu, wodurch Verunreinigungen in das Leitungsnetz gelangen können. Einsparungen bei der Wasseraufbereitung könnten ebenfalls die Qualität des Trinkwassers beeinträchtigen.


Eine rechtliche Bewertung muss daher zum Ergebnis kommen, dass vor einer Liberaliserung der Wasserversorgung der Bundesrepublik Deutschland eine verfassungsrechtliche Prüfung zu dem Ergebnis kommen muss, dass die Liberaliserung einen Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden darstellt.


Das Recht der Kommunen beim Inkrafttreten der Konzessionsrichtlinie und der Umsetzung in nationales Recht in der Bundesrepublik Deutschland würde den Kommunen das Wahlrecht einschränken. Sie müssten kurzfristig die Wasserversorgung ausschreiben. Dieses Recht, wie sie diesen Teil der Daseinsvorsorge erfüllen, wird ihnen genommen. Interkommunale Zusammenarbeit würde erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht.


Es wird daher für erforderlich gehalten, dass auch der Landkreis Friesland sich einer Privatisierung der Wasserversorgung auf der Grundlage der Konzessionsvergaberichtlinie der EU und der anschließenden Umsetzung in nationales Recht ausspricht.



Es wird daher für sinnvoll gehalten, dass der Kreistag des Landkreises Friesland sich in einer Resolution mit folgendem Wortlaut dagegen ausspricht:


Der Kreistag des Landkreises Friesland spricht sich mit Nachdruck gegen Bestrebungen auf europäischer Ebene aus, das öffentliche Vergabewesen durch weitere Vorgaben zu reglementieren.


Insbesondere wird kein Bedarf gesehen, die Wasserversorgung als grundgesetzlich verbrieftes Recht Kommunen als Teil der Daseinsvorsorge neuen Regelungen zu unterwerfen, die in der Folge eine Tendenz zur Privatisierung des öffentlichen Gutes „Wasser“ mit sich bringen würden. Das Recht auf Wasser und das Recht auf sanitäre Grundversorgung sind Menschenrechte entsprechend der Charta der Vereinten Nationen. Eine funktionieren Wasser- und auch Abwasserwirtschaft muss als Dienstleistung für alle Menschen gewährleistet sein. Nur in öffentlicher Hand ist dies auch dauerhaft, nachhaltig, in guter Qualität und mit einem ausgewogenen Preis-Leistungverhältnis möglich.


Der Landkreis Friesland spricht sich daher nachdrücklich gegen die Planungen der Europäischen Union aus, das öffentliche Vergabewesen im Bereich der Wasserversorgung und der Abwasserreinigung in die Liberalisierungsagenda der geplanten Richtlinie aufzunehmen. Die Wasser- und damit auch die Abwasserwirtschaft darf nicht unter den Zuständigkeitsbereich der Binnenmarktregelung fallen.


Die Europäische Union wird daher aufgefordert, Rechtsvorschriften zu erlassen, die die Wasserversorgung sowie die sanitäre Grundversorgung für alle Menschen in Europa garantieren. Das Recht auf Wasser und der Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu den Leistungen der Wasser- und Abwasserwirtschaft muss vor Markinteressen gehen.


Die Abgeordneten des Niedersächsischen Landtages, des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlamentes werden aufgefordert, sich gegen eine Ausschreibungspflicht für Dienstleistungskonzessionen im Hinblick auf die Daseinsvorsorge auszusprechen und den Richtlinienentwurf der Kommission in der jetzt vorgelegten Form abzulehnen sowie die kommunale Selbstverwaltung, die Daseinsvorsorge und die Trinkwasserversorgung zu schützen.




Vertreter des OOWV sind zur Sitzung des Umweltausschusses eingeladen und werden dort die Möglichkeit erhalten, zu der geplanten Richtlinie der EU vorzutragen.





Beschlussvorschlag:


Der Ausschuss nimmt die Ausführungen zur Kenntnis und empfiehlt die vorgelegte Resolution zu beschließen.


Der Kreisauschuss wird um einen gleichlautenden Beschluss gebeten.


Finanzielle Auswirkungen: Rahmen1 Ja Nein

Gesamtkosten der Maßnahmen (ohne Folgekosten)

Direkte jährliche Folgekosten

Finanzierung:

Eigenanteil objektbezogene Einnahmen

Sonstige einmalige oder jährliche laufende Haushaltsauswirkungen

Erfolgte Veranschlagung: Ja, mit Nein

im Ergebnishaushalt Finanzhaushalt Produkt- bzw. Investitionsobjekt:

Vorlage ist in LiquidFriesland abgestimmt worden ja, mit folgendem Ergebnis:

Teilnehmer: Zustimmung Ablehnung Enthaltung Alternativvorschläge

Vorlage betrifft die demografische Entwicklung: ja nein

Falls ja, in welcher Art:

Vorlage bezieht sich auf


MEZ Nr.

HSP Nr.

gez. A. Tuinmann

Sachbearbeiter/in Fachbereichsleiter/in

Sichtvermerke:

Abteilungsleiter/in Kämmerei Landrat

Beratungsergebnis:

Einstimmig

Ja-Stimmen


Nein-Stimmen


Enthaltungen


Kenntnisnahme

Lt. Beschluss-vorschlag

Abweichender Beschluss