Betreff
Errichtung eines Steinkohlekraftwerkes durch die Electrabel Kraftwerk Wilhelmshaven GmbH + Co.KG im Rüstersieler Groden nördlich des E.O.N.-Kraftwerkes und südlich der ehemaligen Geniusbank.
Vorlage
243/2008
Art
Beschlussvorlage

Begründung:


Die Firma Electrabel Kraftwerk Wilhelmshaven GmbH & Co. KG beabsichtigt im Rüstersieler Groden nördlich des E.O.N.-Kraftwerkes ein Steinkohlekraftwerk der 800 MW-Klasse zu errichten und zu betreiben. Die Anlage soll im Jahre 2011 in Betrieb genommen werden und Strom in das öffentliche Netz einspeisen. Die Versorgung des Kraftwerkes mit Steinkohle erfolgt über die Niedersachsenbrücke.

Für die Durchflusskühlung wird Wasser aus der Jade entnommen und nach Durchlaufen der Kühlaggregate wieder in die Jade eingeleitet.

Electrabel wird die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Kraftwerkes in einem gestuften Genehmigungsverfahren mit mehreren Teilgenehmigungen beantragen.

Die beantragte 1. Teilgenehmigung beinhaltet

- die Baufeldfreimachung sowie die Errichtung und Herstellung der Erschließungs-
straßen, Büro- und Sanitärcontainer, Lagerhallen, Werkstätten, Strom- und Wasser-
anschlüssen pp.,

- die Errichtung des Maschinenhauses, des Kesselshauses, der Rauchgasreinigung
und des Schornsteins sowie der Silos für die Rest- und Hilfsstoffe,

- die Errichtung des Kühlwasserpumpenhauses und des Kraftschlussbeckens;

- die Errichtung der landseitigen Kühlwasserleitungen einschl. Deichquerungen und

- die elektrische Anbindung bis zur kraftwerkseitigen Schaltanlage.


Die 1. immissionsschutzrechtliche Teilgenehmigung beinhaltet

die Baugenehmigung nach der Nds. Bauordnung,

die notwendigen deichrechtlichen Erlaubnisse und Ausnahmegenehmigungen,

die strom- und schifffahrtspolizeiliche Genehmigung nach dem Wasserstraßen-
gesetz,

Befreiungen nach dem Bundes-Naturschutzgesetz bezüglich artenschutzrecht-
licher Verbotstatbestände und

Ausnahmen von den Bestimmungen des Nds. Naturschutzgesetzes bezüglich
gesetzlich geschützter Biotope.




Die Firma Electrabel hat beantragt, den vorzeitigen Baubeginn für die mit der 1. Teilgenehmigung verbundenen Maßnahmen zuzulassen.
Für die Durchführung des Genehmigungsverfahrens ist das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg zuständig, das am 14.12.2007 auf das beantragte Genehmigungsverfahren hingewiesen und die Anträge und Planungsunterlagen öffentlich ausgelegt.

Der Landkreis Friesland ist als Träger öffentlicher Belange an dem Verfahren beteiligt.

Die Frist, um Anregungen oder Bedenken vorzutragen, läuft am 11.02.2008 ab.

Nach erster Prüfung der Unterlagen durch die Verwaltung wird dazu wie folgt ausgeführt:


Immissionsschutz:

Nach den eingereichten Antragsunterlagen und den darin enthaltenen Gutachten sind die Immissionen in Form von Staub, Schadstoffen und Lärm in der bewohnten Nachbarschaft zum Kraftwerkstandort so gering, dass die geltenden Richtwerte und Irrelevanzgrenzen unterschritten werden. Danach wären auf dem Gebiet des Landkreises Friesland keine vom Kraftwerk ausgehenden Immissionen zu erwarten, die nicht mehr tolerierbar sind.

Festzustellen ist, dass hier anscheinend nur das geplante Kraftwerk selbst im Fokus der Emissions-/Immissionsbetrachtung stand. Die bereits bestehenden Vorbelastungen durch das vorhandene Kohlekraftwerk, die vorhandene Kohlelagerung und die weiteren Industrieanlagen sowie durch die geplanten umfangreichen Anlagen des unmittelbar nördlich des geplanten Kohlekraftwerkes liegenden Jade-Weser-Ports sind hier gegebenenfalls nicht ausreichend berücksichtigt worden. Durch Überlagerung der Emissionen aus den o. g. Anlagen kann sich die Immissionssituation für die Gemeinde Wangerland und insbesondere den Fremdenverkehrsstandort Hooksiel wesentlich ungünstiger darstellen, als dies in den Antragsunterlagen prognostiziert wird.

Aus immissionsschutzrechtlicher Sicht muss sichergestellt sein, dass die bestehenden und die zu erwartenden Vorbelastungen durch alle industriellen Emittenten bei der Bewertung ausreichend berücksichtigt werden. Es ist der Nachweis zu erbringen, werden, dass die Immissionen auf dem Gebiet des Landkreises Friesland auch durch Überlagerungseffekte nicht das zulässige Maß überschreiten können.







Naturschutz und Landschaftsschutz:

Aus naturschutzfachlicher Sicht sind noch folgende Fragestellungen im Zulassungsverfahren zu klären:

  1. Es ist nachzuweisen, dass es durch die Einleitung von zusätzlichem Kühlwasser in die Jade hier nicht zu einer nicht mehr tolerierbaren Veränderung der Lebensraumbedingungen kommt. Es ist bekannt, dass es in der Jade während einer Tide nicht zu einem vollständigen Austausch der Wassermassen kommt. So findet z.B. ein vollständiger Wasseraustausch im Jadebusen erst innerhalb einer Jahres statt. Hierbei ist auch die allgemein festzustellende Tendenz zur Erwärmung der Nordsee und der küstennahen Bereiche zu berücksichtigen, die bereits zum Auftreten von bisher fremden Arten geführt. Die Auswirkungen von derartigen Artenverschiebungen, d.h. das Verschwinden bzw. das Verdrängen von Arten und das Auftreten neuer Arten ist zu berücksichtigen und zu bewerten.

  2. Die Auswirkungen von Immissionen auf das Umfeld von Wilhelmshaven, die durch das projektierte Kraftwerk hervorgerufen werden, sind zu bewerten. Hierzu gehören die Auswirkungen auf den Menschen aber auch auf die Standortbedingungen von Pflanzen und Tieren.

  3. Die Abführung des gewonnenen Stroms gehört ursächlich mit zu der Planung. Bereits heute ist das Umfeld von Wilhelmshaven erheblich durch Leitungs- und Kabeltrassen tangiert, die es immer schwieriger werden lassen neue Trassen zu finden, die konfliktarm zu verwirklichen sind. Die Unterlagen sind entsprechend zu ergänzen.

  4. Der Bau des Kraftwerks ist mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden. Nach der Naturschutzgesetzgebung des Bundes und des Landes Niedersachsen sind hierfür Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen notwendig. In den Unterlagen wird hier auf eine zu gründende Stiftung verwiesen, die die Kompensationsmaßnahmen verwirklichen soll. Die Erfahrung mit anderen Großprojekten in Wilhelmshaven lehrt, dass im Stadtgebiet Kompensationsmaßnahmen nur sehr gegrenzt möglich sind. Vorhabenträger sind gezwungen, auf das Umland auszuweichen. Durch zahlreiche Großvorhaben wie den Bau des JadeWeserPorts und andere geplante Vorhaben werden bereits heute Flächen in großem Umfang in Anspruch genommen. Es wird zunehmend schwieriger, geeignete Bereiche in ausreichender Größe zu finden, in denen die notwendigen Kompensationsmaßnahmen durchgeführt werden können. Institutionen wie die Flächenagentur Region Friesland-Wittmund-Wilhelmshaven oder die Naturschutzstiftung Region Friesland-Wittmund-Wilhelmshaven erleichtern zwar die Organisation der Flächen und stehen auch für Vorhaben in der Region zur Verfügung. Notwendig ist jedoch eine intensive, längerfristig angelegte Zusammenarbeit, um das notwendige Einvernehmen und die erforderliche Akzeptanz für den Bedarf und letztendlich die Inanspruchnahme von Flächen herstellen zu können.


Raumordnung:

Für den Landkreis Friesland liegt ein rechtskräftiges regionales Raumordnungsprogramm 2003 vor, dass es zu berücksichtigen gilt, sofern durch die Planungen Bereiches des Landkreises betroffen sind. In diesem Zusammenhang wird der Landkreis Friesland im Rahmen des Genehmigungsverfahrens auf folgende Aspekte hinweisen:


1. Gesamtkonzeptionelle Diskussion des Vorhabens, Überlegungen zur
Trassierung von Stromableitungen

Die vorliegende Planung der Fa. Electrabel hat zunächst den Bau eines 800 MW Kohlekraftwerks zum Inhalt. Darüber hinaus muss bereits jetzt über den notwendigen Stromabfluss diskutiert werden. Hierzu werden in den Antragsunterlagen keine Aussagen dargestellt.

Im Rahmen der Änderung und Ergänzung des LROP Niedersachsen, wurde Aussagen zu weiteren Leitungstrassen getroffen. Es ist darzustellen, wie die Ableitung des gewonnen Stroms des Kohlekraftwerkes erfolgen soll.

Weiter erscheint es aus Sicht des Landkreises Friesland notwendig eine gesamtkonzeptionelle Entwicklungsperspektive für die Stromerzeugung und den Stromabfluss von verschiedenen Energieeinrichtungen im Küstenraum zu skizzieren, um auch Belastungsgrenzen für den Küstenraum definieren zu können. Es wird gleichermaßen hierbei auf die Berücksichtigung der Bauleitplanungen und Siedlungsentwicklungbereiche der Städte und Gemeinden als zu berücksichtigende Belange verwiesen. Hervorgehoben wird hier insbesondere das interkommunale Industrie- und Gewerbegebiet JadeWeserPark.

Zu einem Gesamtkonzept gehört insbesondere die unvorhereingenommene Prüfung einer Nutzung des Kühlwassers durch ein Fernwärmenetz. Anstatt durch die Einleitung in die Jade weitere ökologische Probleme zu schaffen, kann eine Fernwärmenutzung des Kühlwassers zur Verringerung von CO2-Emissionen beitragen und so die CO2-Bilanz des Vorhabens insgesamt verbessern. Diese Möglichkeit wurde in der bisherigen Diskussion zu wenig berücksichtigt.

Bereits im Scopingverfahren wurde gefordert, dass eine gezielte Zusammenarbeit und betriebswirtschaftliche Abstimmung zwischen den einzelnen Energieversorgern und dem Antragsteller erreicht werden muss, damit Synergieeffekte z.B. bei der Leitungsnutzung genutzt und zusätzliche Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes vermieden werden können. Vor diesem Hintergrund wäre aus Sicht des Landkreises eine Einbeziehung der Planungen der Fa. E.ON zielführend.





2. Auswirkungen auf den Tourismus

Der Landkreis Friesland als Küstenlandkreis stellt eine bedeutende Tourismusregionen dar. Insbesondere in der Gemeinde Wangerland stellt der Fremdenverkehr einen Hauptwirtschaftszweig dar. Bei der Realisierung von Energieeinrichtungen gilt es vor diesem Hintergrund negativen Auswirkungen durch Emissionen/ Immissionen sowie die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und der Erholungslandschaft und damit nicht verträglichen Auswirkungen auf die Tourismusstandorte im Landkreis Friesland zu vermeiden. Dies gilt insbesondere für die auch als Vorranggebiete für Erholung im Regionalen Raumordnungsprogramm des Landkreises Friesland dargestellten Küstenorte Hooksiel und Hormuersiel mit ihrem Umfeld. Sie weisen eine besondere Wertigkeit für die Erholung auf und müssen entsprechende Entwicklungsperspektiven auch zukünftig realisieren können.


Zusammenfassend sind die Auswirkungen der o.a. Planungen auf die Tourismusstandorte im Landkreis Friesland umfassend zu prüfen. Es ist auf eine ganzheitliche Diskussion der Verträglichkeit des Vorhabens hinzuwirken und die Stromableitung mit einzubeziehen.



Soweit sich bei der fachlichen Prüfung der Unterlagen noch weitere Erkenntnisse ergeben, wird die Verwaltung im Ausschuss ergänzend vortragen.


Der Projektkoordinator von Electrabel, Herr Albers, wird dem Umweltausschuss das Projekt vorstellen und stellt sich auch den Fragen des Ausschusses.


Der Landkreis Friesland bittet Electrabel

a) einen höchstmöglichen Effizenzgrad anzustreben,

b) die Kraft-Wärme-Koppelung (KWK) einzuführen,

c) eine CO2-Abscheidung zu prüfen.


Beschlussvorschlag:


Der Ausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.


Finanzielle Auswirkungen: Nein

Gesamtkosten der Maßnahmen (ohne Folgekosten)

Direkte jährliche Folgekosten

Finanzierung:


Eigenanteil

objektbezogene Einnahmen



Sonstige einmalige oder jährliche laufende Haushaltsauswirkungen


Erfolgte Veranschlagung:Ja, mit € Nein

im Verwaltungshaushalt Vermögenshaushalt Haushaltsstelle:


___ ______________________Peters___

Sachbearbeiter/in Fachbereichsleiter/in

Sichtvermerke:

____________ ________________ ________________

Abteilungsleiter Kämmerei Landrat

Beratungsergebnis:

Einstimmig

Ja-Stimmen



Nein-Stimmen



Enthaltungen



Kenntnisnahme

Lt. Beschluss­vorschlag

Abweichender Beschluss



Anlagen:


Kurzfassung des Genehmigungsantrages zur Errichtung und zum Betrieb des Kraftwerkes.