Begründung:
Die Schuldnerberaterin des Landkreises Friesland wird zum 01.11.2020 aus
dem aktiven Dienst beim Landkreis Friesland ausscheiden.
Angesichts sinkender Fallzahlen und einer nicht vorhanden
Vertretungsregelung ergeben sich folgende Fragen:
- Wie hoch ist der Bedarf für Leistungen
der Schuldnerberatung (bisher eine Vollzeitstelle)?
- Soll die Aufgabe der Schuldnerberatung
zukünftig von einer externen Schuldner-Beratungsstelle / der Diakonie
Friesland-Wilhelmshaven wahrgenommen werden?
Hauptaufgabe der Schuldnerberatung ist, den Menschen existenzsichernde
Maßnahmen zu eröffnen und aufzuzeigen (z.B. Antragstellung auf Erhöhung der
Pfändungsfreibeträge für deren Konto). Bei vielen Ratsuchenden steht die
Aufklärungsarbeit im Vordergrund, hieran schließt sich die Schuldenregulierung
in Absprache mit den Ratsuchenden an. Die Schuldnerberatung des Landkreises
Friesland ist anerkannte Stelle für Insolvenzverfahren
Neben der Schuldnerberatung des Landkreises gibt es im Landkreis
Friesland noch die Schuldnerberatung ausgeführt von der Diakonie, besetzt mit
jeweils einer Halbtagskraft in Varel und Jever. Die Diakonie bekommt die
allgemeine Förderung vom Land, die Sparkassenförderung, wie auch die
Einzelfallförderung vom Land. Zusätzlich können sich die Einwohner/innen auch
an Anwälte oder den Verein Insolvenz- und Schuldnerberatung Friesland e.V.
(auch Einzelfallförderung über das Land) wenden. Auf Gewinn orientierte
Schuldnerberater nehmen in der Regel nur rentable Fälle an, die sich möglichst
refinanzieren. Wenn jemand zum Beispiel vor 10 Jahren eine Insolvenz
durchgeführt und diese abgebrochen hat, kann diese Person kein zweites Mal als
Einzelfallförderung übers Land bezuschusst werden. Diese Fälle werden daher
häufig von auf Gewinn orientierten Schuldnerberatern abgelehnt und derzeit im
Landkreis Friesland über die Schuldnerberatung des Landkreises oder der
Diakonie beraten und begleitet.
In schwierigen Fällen wurde unsere Schuldnerberaterin von der
Rechtsberatung über das Fachzentrum Schuldenberatung Bremen (FSB Bremen)
unterstützt. Diese rechtliche Beratung erfolgt aufgrund des Mitgliedsbeitrages
i.H.v. jährlich 1.775,00 €. Fast alle Schuldnerberatungsstellen in
Norddeutschland sind Mitglied im FSB Bremen (derzeit 71 Mitglieder).
Die nachfolgende Fallzahlenentwicklung verdeutlicht zudem, dass die
Anzahl der Beratungen, der Erarbeitung und Durchsicht von
Entschuldungskonzepten wie auch der Insolvenzanträge rückläufig sind.
Fallzahlenentwicklung
|
2010 |
2011 |
2012 |
2013 |
2014 |
2015 |
2016 |
2017 |
2018 |
2019 |
Tatsächl.
Beratungen ab 15 Min. |
188 |
193 |
167 |
171 |
166 |
148 |
119 |
125 |
90 |
94 |
Erarbeitung u.
Durchsicht v. Entschuldungs-konzepten |
103 |
102 |
77 |
93 |
74 |
84 |
77 |
99 |
77 |
66 |
Insolvenzanträge |
75 |
62 |
63 |
55 |
52 |
52 |
60 |
56 |
46 |
35 |
Der Landkreis Friesland ist eine der wenigen Kommunen, die derzeit noch
eine eigene Schuldnerberatung anbieten. Die meisten Kommunen haben
entsprechende Vereinbarungen mit Trägern der freien Wohlfahrtspflege
geschlossen.
Die Einwohner Frieslands können die Schuldnerberatung der Diakonie
ohnehin nutzen – unabhängig von dem Angebot des Landkreises. Die Diakonie ist
eine vom Land Niedersachsen anerkannte Schuldnerberatungsstelle und
gewährleistet daher ebenfalls eine kostenlose Beratung für Bedürftige.
Nach den Bestimmungen des Sozialrechts (§ 11 Abs. 5 SGB XII, § 16a Nr. 2
SGB II) sind die Kommunen aufgefordert, Leistungen der Schuldnerberatung zur
Verfügung zu stellen. Dies bedeutet ein Vorhalten der Leistung im Kreisgebiet,
nicht beim Landkreis selbst.
Das Klientel der Schuldnerberatung des Landkreises Friesland setzt sich
fast ausschließlich aus Kunden des Fachbereichs Soziales und Senioren
(Grundsicherung) und des Fachbereichs Jobcenter (Arbeitsvermittlung) zusammen.
Eine Beratung von jungen Menschen, die das Ziel hat, dass junge Menschen
Schuldenfallen erkennen und meiden, kann nur von präventiver Natur sein. Diese
könnte z.B. im Bereich der Jugendsozialarbeit und damit im ProAktiv Center oder
bei den Frühen Hilfen angesiedelt sein. Zudem gibt es Projekte in Schulen, die
über die Bildungsregion unterstützt werden können. Hierbei handelt es sich aber
nicht um eine klassische Schuldnerberatung im Sinne einer Schuldner- und
Insolvenzberatung.
Grundsätzlich handelt es sich bei der Schuldnerberatung um freiwillige
Leistungen. Diese werden in bestimmten Fällen zur Pflichtleistung bzw. zur
Pflicht der Übernahme der Kosten - z.B. wenn in den Aufgabenbereichen
„Jobcenter“ oder „Grundsicherung“ Maßnahmen, die eine Beratung in einer
Schuldnerberatung konkret vorsehen, mit den Kunden vereinbart werden.
Das Verhältnis der Kommunen zu den Trägern der freien Wohlfahrtspflege
ist in den Vorschriften des SGB mehrfach beschrieben. Hier ist vom Grundsatz
ein gewisser Vorrang der freien Wohlfahrtspflege normiert worden bzw. die
Träger der freien Wohlfahrtspflege sind angemessen zu unterstützen (z.B. § 5 Abs. 4 SGB XII – Wird die Leistung im Einzelfall durch die
freie Wohlfahrtspflege erbracht, sollen die Träger der Sozialhilfe von der
Durchführung eigener Maßnahmen absehen.)
Die Kommunen/ Jobcenter sollen nach
§ 17 SGB II eigene Einrichtungen und Dienste (z.B. Schuldnerberatung) nicht
neu schaffen, soweit geeignete Einrichtungen und Dienste Dritter vorhanden
sind, ausgebaut oder in Kürze geschaffen werden können.
Mit Blick auf die vorhandenen Einrichtungen im Landkreis Friesland wird
angemerkt, dass die Schuldnerberatung des Landkreises in Jever ansässig ist.
Die Schuldnerberatung der Diakonie ist (neben einer Stelle in Varel) in Jever
angesiedelt. Bei einer entsprechenden Einigung mit der Diakonie können auch
fachliche Doppelstrukturen in regionaler Nähe vermieden werden und gleichzeitig
qualitativ hochwertige Beratung im Nord- und Südkreis angeboten werden.
Neben den sinkenden Fallzahlen ist Hauptgrund für eine Vergabe die nicht
gelöste Vertretungssituation. Für den zukünftig eingeschätzten Bedarf kann eine
Vertretung für Urlaubs- und Krankheitszeiten in der erforderlichen Qualität
nicht vorgehalten werden bzw. ist wirtschaftlich nicht vertretbar.
Zudem ist der rechtlich vorgeschriebene Aus- und Fortbildungsaufwand
sehr hoch. In diesen Zeiten wäre die Schuldnerberatung unbesetzt.
Es wird daher empfohlen, mit der Diakonie eine Vereinbarung zur
Übernahme der Aufgaben der Schuldnerberatung des Landkreises Friesland auf
Basis des geschätzten Bedarfs von zunächst 0,5 AK zu schließen.
Zielsetzung ist, eine entsprechende Vereinbarung abzuschließen.
In der Vereinbarung sollen
- Inhalt, Umfang und Qualität der
Leistungen,
- die Kostenregelung
- die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und
Qualität der Leistungen
geregelt werden.
In einem Vorgespräch teilte der Geschäftsführer der Diakonie mit, die
Aufgabe auch aus qualitätssichernden Gründen gerne mitübernehmen zu wollen und
zu können.
Das Konzept der Diakonie ist als Anlage beigefügt.
Beschlussvorschlag:
Die Stelle der Schuldnerberatung wird beim Landkreis Friesland nach dem
Ausscheiden der derzeitigen Schuldnerberaterin nicht wieder besetzt und im
Stellenplan 2021 gestrichen.
Die Verwaltung wird beauftragt, mit der Diakonie Friesland-Wilhelmshaven
eine Vereinbarung über die Schuldnerberatung im Landkreis Friesland zu
schließen.
Anlage(n):
- Soziale Schuldnerberatung Konzeptpapier
Diakonie