Begründung:
Zu Beginn des neuen Schuljahres (27.08.2020) wurde der
Präsenzunterricht an den Schulen im Landkreis Friesland im eingeschränkten
Regelbetrieb wieder aufgenommen. Im Landkreis müssen täglich ca. 5000
Schülerinnen und Schüler (Bus, Bus-Selbstzahler, + Taxi), davon rund 3.800 unmittelbar täglich
in der Busbeförderung, zu 50 verschiedenen Schulen, auch über die
Landkreisgrenzen hinaus, befördert werden. Dafür sind zu den Stoßzeiten ca. 50
Busse auf 37 Buslinien im Einsatz, welche die Beförderung im Rahmen der
Schülerbeförderungssatzung durch ein komplexes, über Jahrzehnte hinsichtlich
Fahrtzeiten und Kapazitäten optimiertes Liniennetz sicherstellen.
Entsprechend
der Corona-Verordnung des Landes Niedersachsen in der aktuellen Fassung gilt im
Öffentlichen Personennahverkehr (auch an den Haltestellen) die Pflicht zum
Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung, da der Abstand nur bedingt eingehalten werden
kann. Die Einhaltung der Maskenpflicht
im ÖPNV wird seit Beginn des Schuljahres durch das Gesundheitsamt und die
Polizei kontrolliert. Des Weiteren weisen auch die Busunternehmen ihre
Fahrgäste auf die Maskenpflicht hin und schreiten bei Verstößen entsprechend
ein. Zu Beginn des Schuljahres wurde zudem dazu aufgefordert, vermehrt das
Fahrrad zu nutzen. Wichtig ist hier auch, dass eine Stehplatzbeförderung im
Linienverkehr ausdrücklich zulässig ist. Eine dauerhafte Beibehaltung der
Reduzierung der Stehplätze würde dem gesetzlichen Auftrag zu einer
wirtschaftlichen Schülerbeförderung widersprechen, da die – in vielen Fällen
nicht erreichte - Vollbesetzung der Busse (maximale Anzahl an Sitz- und
Stehplätzen laut Zulassungsbescheinigung) rechtlich zulässig und für eine
wirtschaftliche Durchführung der Schülerbeförderung erforderlich ist.
Aufgrund
des veränderten Infektionsgeschehens soll nunmehr eine neue Bewertung der
Schülerbeförderung im ÖPNV mit dem Ziel erfolgen, die Beförderung mit den Anforderungen
der Hygienepläne der Schulen in Einklang zu bringen. Dies würde eine
Beförderung unter Einhaltung der Abstandsbedingungen von jederzeit mind. 1,50 m
oder der Einhaltung des Kohortenprinzips bedingen.
Beide
Anforderungen bedingen eine erhebliche Aufstockung des Fahrmaterials und von
Fahrern. Um die Einhaltung des Abstandes von 1,5 Metern in den Bussen zu
gewährleisten, dürften die Busse nur noch mit maximal 25 Personen
(Doppeldecker oder Gelenkbus) besetzt werden, bei einem Solobus sind es mit 12 Personen
nochmals deutlich weniger. Bei einer rechnerisch durchschnittlichen Belegung
von 76 SchülerInnen pro Bus müsste mindestens die dreifache Anzahl (ca. 150) an
Gelenkzugbussen und Fahrern eingesetzt werden. Bezogen auf Solobusse sogar rund
das 6-fache mit mehr als 300 Fahrzeugen und Fahrpersonal. Selbst bei einem
hälftigen Einsatz von Gelenkzügen und Solobussen eine immer noch immens hohe
Zahl zusätzlicher Busse und Fahrer.
Auch
eine Trennung der Schulen würde zu einem ähnlichen Ergebnis führen, da Schüler
aus allen Städten und Gemeinden und deren Ortsteilen zu den unterschiedlichsten
Schulen befördert werden und eine Linie immer mehrere Schulen bedient bzw. mit
mehreren Schulen über Umsteigebeziehungen verknüpft ist (z.B. Hooksiel zur BBS
Jever, Elisa-Kauffeld-Oberschule, KGS Wittmund, IGS Friesland-Nord,
Mariengymnasium Jever, Oberschule Hohenkirchen, Grundschule Tettens; Beispiel
Linienverlauf: Linie 223 über Hohenkirchen nach Jever, Umstieg in Jever in die
219 Rtg. Schortens oder die 313 nach Wittmund). Eine Trennung der SchülerInnen
muss also schon ab Starthaltestelle erfolgen, so dass bspw. auf der o. g. Linie
auf der gleichen Strecke 4 bis 5 Busse hintereinander fahren. Nach Angaben der
Busunternehmen sind hierzu rund 90 zusätzliche Busse und Fahrer erforderlich.
Entsprechend
verhalten sich die Kosten. Angenommen, die Regelung gelte für 100 Schultage,
würden sich die Kosten in etwa wie folgt darstellen. Bei zusätzlich
erforderlichen 100 Bussen und 600 EUR pro Bus für 2 Fahrten kommen je Tag rund
60.000 € auf den Landkreis an Kosten zu. Entsprechend rund 6.000.000 € für
einen Zeitraum von 100 Tagen. Für das Jahr 2020 sind an Kosten für
Busfahrkarten rund 2,2 Mio. € im Haushalt vorgesehen.
Der
Einsatz von Bussen im Freistellungsverkehr hingegen würde entsprechende
Vergabeverfahren erfordern. Bei den anstehenden Summen von > 210.000 €
insgesamt kommt zudem ein EU-weites Vergabeverfahren in Betracht, sodass nicht
notwendigerweise die regionalen/lokalen Busunternehmen zum Zuge kommen. Ferner
muss im Freistellungsverkehr sichergestellt werden, dass ausschließlich Schüler
mit Beförderungsanspruch diesen Bus nutzen; für den Jedermannverkehr, also auch
die selbstzahlenden Schüler, besteht kein Mitnahmeanspruch.
Diese
Fahrkarten müssten bei den Linienbusunternehmen eingezogen werden, sodass es
dort zu weiteren Einnahmeausfällen kommt und, besonders wichtig, es muss zuvor
eine Auswahl der SchülerInnen stattfinden, die vom Freistellungsverkehr
profitieren. Zudem würde eine vertragliche Bindung im Freistellungsverkehr dazu
führen, dass die Busse nicht entsprechend der Infektionslage bzw.
Fahrgastnutzung zu- und abbestellt werden können. Somit bietet der
Freistellungsverkehr keine günstigere oder schnellere Lösung zur Entlastung und
die Lösung im Linienverkehr ist vorzuziehen.
Insgesamt
wird an den oben genannten Zahlen deutlich, dass eine vollständige Umsetzung
der Anforderungen gemäß der Hygienekonzepte nicht realistisch ist, da die bei
den im Kreisgebiet linienbetreibenden Busunternehmen zur Verfügung stehenden
Busreserven und entsprechende Fahrer hierfür nicht, schon gar nicht
kurzfristig, aktivierbar sind. Zudem besteht keine Kostenregelung mit dem Land
Niedersachsen.
Somit
bleibt nur noch die Möglichkeit zur Entlastung besonders stark ausgelasteter Relationen
zu prüfen. Als stark ausgelastet werden demnach 12 Fahrten auf 8 Linien
eingestuft, bei denen die Besetzung der Busse mit 100 % der Sitzplätze und 40 %
der Stehplätze überschritten wird. Dies erfolgt analog zu den Vorgaben des
Landes Baden-Württemberg, welches bei Überschreitung dieser Grenze den Einsatz
von Verstärkerbussen fördert, um zu verhindern, dass die stehenden Fahrgäste zu
dicht aneinander stehen. Es sei angemerkt, dass auch hierbei der Mindestabstand
nicht eingehalten werden kann. Eine Pflicht zur Mund-Nase-Bedeckung besteht
dort ebenfalls weiterhin.
Die
Busunternehmen wurden nunmehr aufgefordert, bis zur erneuten Wiederaufnahme des
(eingeschränkten) Regelbetriebes, frühestens nach den Herbstferien, den Einsatz
von Verstärkerbussen für stark ausgelastete Linien zu gewährleisten. Eine
solche Vorgehensweise ermöglicht die Abrechnung zusätzlicher Mittel aufgrund
zusätzlicher Leistungen im Linienverkehr. Aktuell stellt das Land Niedersachsen
für solche Verstärkerbusse im Linienverkehr keine weiteren Mittel bereit. Eine
Umsetzung innerhalb des ÖPNV-Systems ermöglicht jedoch voraussichtlich eine
mögliche spätere Abrechnung, da hierfür bestehende Mechanismen vorhanden sind,
bspw. Erhöhung der Zuweisungen nach § 7a NNVG.
Diesbezüglich
hat bereits eine Ermittlung der stark ausgelasteten Linien stattgefunden, um
den voraussichtlichen Bedarf zu ermitteln. Dafür werden bei Vollauslastung
maximal 12 Verstärkerfahrten (8 Busse) auf 6 Linien (121, 215, 216, 219, 220,
313) benötigt. Daraus resultieren Mehrkosten in Höhe von rund 150.000 € bis zum
Ende des Jahres. Eine Deckung hierfür ist im Ergebnishaushalt 2020 nicht
gegeben. Eine Deckung dieser Aufwendungen würde dazu führen, dass weniger
Liquidität für Investitionen zur Verfügung steht. Zur Deckung dieser
Auszahlungen müssten daher bereits geplante Investitionen reduziert oder diese
ggf. auch durch neue Kredite finanziert werden. Gemäß der Haushaltssatzung für
2020 ist eine neue Kreditaufnahme für Investitionen bis z.H. von rd. 2,267 Mio.
möglich.
Der
Einsatz der Verstärkerbusse soll zunächst bis zu den Osterferien [Ende Winter
i. S. d. Schülerbeförderung] gewährleistet werden, sodass sich für das
Haushaltsjahr 2021 Mehrkosten in Höhe von 180.000 € ergeben, welche bereits in
die Haushaltsplanung 2021 mit aufgenommen wurden. Sollte sich die Situation bis
zu den Osterferien derart positiv verändern (keine Neuinfektionen über mehrere
Wochen und/oder Verfügbarkeit eines Impfstoffes), dass eine Entlastung der
Schülerbeförderung nicht mehr erforderlich ist, wird der Einsatz der
Verstärkerbusse wieder eingestellt. Dies ist auch zwingend erforderlich, damit
die Mittel nicht langfristig für die Umsetzung des Nahverkehrsplanes fehlen.
Eine
alternative Ermittlung des Bedarfs bei ausschließlicher Nutzung der Sitzplätze
hat ergeben, dass dafür ca. 60 Verstärkerfahrten pro Tag notwendig wären. Dies
ergäbe allein bis zum Ende des Jahres Mehrkosten in Höhe von ca. 750.000 €.
Zudem bestünde wieder das Problem der Beschaffung von zusätzlichen Bussen und
Fahrern (ca. 30).
Fahrradnutzung: Analog zum
Landkreis Aurich möchte der Landkreis Friesland ebenfalls die freiwillige
Nutzung des Fahrrades für den Schulweg trotz Fahrkartenanspruch finanziell
attraktiver machen, um die Busse dadurch zusätzlich zu entlasten. Schülerinnen
und Schüler, die dauerhaft das Fahrrad für den Schulweg nutzen und ihre
kostenlose Fahrkarte an den Landkreis zurückgeben, können die Erstattung einer
Kilometerpauschale (0,23 € pro km) für den Schulweg beim Landkreis beantragen.
Dies fördert den Individualverkehr ohne vor den Schulen die Verkehrssituation
zu verschärfen.
Zusammenfassend betrachtet wird deutlich, dass die vollständige Umsetzung der Hygienekonzepte unter den heutigen finanziellen und tatsächlichen Bedingungen, hier vor allem die Verfügbarkeit von Bussen und Fahrern, weiterhin nicht möglich ist. Der Einsatz von punktuellen Verstärkerbussen wird die Gesamtsituation nur bedingt erleichtern, da u. a. auch das Nutzerverhalten für die gleichmäßige Auslastung der Busse erforderlich ist, und die Anforderungen der Hygienekonzepte nicht eingehalten werden können. Ferner wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass unter dem Aspekt der Gleichbehandlung vor allem der künftigen Kostenentwicklung auch weiterhin die Nutzung Stehplätzen nicht ersetzbar ist.
Beschlussvorschlag:
1.
Der Finanzierung von Verstärkerbussen bei Belegung von
über 40 % der Stehplätze und der Erstattung von einer Kilometerpauschale bei
Nutzung des Fahrrades wird zugestimmt.
2.
Die Verwaltung wird ermächtigt, den Einsatz von
Verstärkerbussen zu reduzieren oder einzustellen, soweit es das
Infektionsgeschehen zulässt. Ebenso wird sie ermächtigt, bei nachhaltig
steigenden Zahlen erneut Verstärkerbusse anzufordern.
Anlage:
keine