Betreff
Entwurf eines Rahmenkonzeptes zur Prävention, insbesondere des Alkoholmissbrauchs bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Landkreis Friesland
Vorlage
353/2008
Art
Beschlussvorlage

Begründung:



Das hier vorliegende Rahmenkonzept ist auf eine längere Zeitperspektive hin formuliert, die sich auf einige Jahre beziehen wird.



1. Vorbemerkung


Auf Einladung der Kreisjugendpflege erfolgte am 13.08.2008 ein Gespräch zwischen dem Präventionsbeauftragten der Polizeiinspektion Wilhelmshaven / Friesland, Herrn Hartz, der Fachstelle Sucht Friesland, Herrn Ahlrichs und der Kreisjugendpflegerin, Frau Beßler, um erste Überlegungen zu dem vorliegenden Konzept vorzunehmen. Aus diesem Gespräch wurden wesentliche Elemente in das vorliegende Rahmenkonzept zur Vorgehensweise und zur Strategie der Suchtprävention im Landkreis Friesland eingearbeitet.



2. Problembeschreibung


Alkohol ist die am weitesten verbreitete psychoaktive Substanz unter Kindern und Jugendlichen. Das Einstiegsalter verjüngt sich zunehmend. Die Analyse der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Alkoholkonsum Jugendlicher zeigt, dass ca. 10 Prozent der 12 bis 15 – Jährigen in Deutschland mindestens einmal wöchentlich Alkohol konsumieren (BzgA 2007). Ferner ist zu beobachten, dass sich unter Teenagern in den letzten Jahren besorgniserregende Trinkrituale, hin zu riskanten Konsummustern mit episodisch starkem Konsum, dem sogenannten Binge-drinking entwickeln. Bei diesem Rauschtrinken, welches nicht mehr dem bekannten alterstypischen Experimentieren mit Alkohol zuzuordnen ist, geht es darum, sich gezielt zu betrinken, indem innerhalb kürzester Zeit große Mengen an Spirituosen konsumiert werden. Man geht davon aus, dass Binge-drinking bei jungen Männern drei- bis viermal häufiger vorkommt, als bei jungen Frauen, wobei festzustellen ist, dass dieser Trend aufweicht. Vor allem in der Altersgruppe der 16 und 17 -Jährigen ist das Binge-drinking deutlich angestiegen. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2007, berichteten im selben Jahr 63 Prozent der genannten Altersgruppe davon, innerhalb der letzten 30 Tage mindestens einmal fünf Gläser oder mehr getrunken zu haben. Das Statistische Bundesamt berichtet von 19.400 Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden im Alter von 10 bis 20 Jahren, die 2005 mit akuter Alkoholintoxikation in eine Klinik eingeliefert werden mussten. Gefährliche und sogar lebensbedrohliche Auswirkungen des Konsums sind die Folge, da

beispielsweise im komatösen Zustand lebenswichtige Reflexe ausgeschaltet sind und ein Erbrechen gegebenenfalls zum Tod durch Ersticken führen kann. In den Wintermonaten steigt zudem das Risiko massiver Unterkühlungen bis hin zum Erfrierungstod an. Zu weiteren Risiken des exzessiven Alkoholkonsums zählen Bade- und Verkehrsunfälle, Opfer von Gewaltdelikten zu werden, Organschäden zu erleiden, eine verkürztere Zeitspanne vom Missbrauch zur Abhängigkeit als bei Erwachsenen und die hohe Belastung für die psychosoziale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen.


Verlässliche Fallzahlen für den Landkreis Friesland liegen derzeit nicht vor. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sich Tendenzen auf Landes- und Bundesebene im Landkreis Friesland widerspiegeln.



3. Zielgruppe


Im Rahmen dieses Konzeptes soll insbesondere die Zielgruppe der 12 bis

18-Jährigen angesprochen werden.



4. Zieldefinition


Im Rahmen von Maßnahmen zur Suchtprävention im Kinder- und Jugendalter lassen sich folgende Ziele formulieren:


  • den Zeitpunkt des Erstkonsums psychoaktiver Substanzen, insbesondere des Alkohols, bei Kindern und Jugendlichen hinauszuzögern

  • Kindern und Jugendlichen einen verantwortungsbewussten Umgang mit psychoaktiven Substanzen vermitteln

  • Erwachsene, insbesondere Eltern, zu motivieren, sich als Vorbild zu verhalten

  • zu motivieren, bei Versammlungen, Festen, in Schule, Familie etc. suchtmittelfreie Orte und Zeiten einzurichten und einzuhalten

  • Kinder und Jugendliche durch entsprechende Angebote zu motivieren, ihren Konsum angemessen einzuschränken bzw. sich auf einen verantwortlichen und genussvollen Umgang mit der Substanz zu beschränken

  • bei Erfordernis, frühzeitige Vermittlung und Kontaktaufnahme zur Fachstelle Sucht in Friesland

  • Beratung und Unterstützung anbieten für mit Kindern und Jugendlichen arbeitenden Einrichtungen, wie Jugendzentren, Vereine etc.

  • qualifizieren von ehren- und hauptamtlichen MitarbeiterInnen im Bereich der Jugendarbeit

  • Fortbildung von LehrerInnen zum Thema

  • die allgemeine Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren

  • koordinieren und vernetzen präventiver Projekte/Aktivitäten/Angebote im Landkreis Friesland durch die Einrichtung eines Arbeitskreises Sucht.


5. Implementierung eines Arbeitskreises Sucht


Es sollte ein Arbeitskreis eingerichtet werden. Mitglied im Arbeitskreis sollte jeweils ein(e) VertreterIn folgender Institutionen sein:

1. Fachstelle Sucht Friesland

2. Polizeiinspektion Wilhelmshaven / Friesland

3. Landesschulbehörde (WHV)

4. kreisangehörige Städte und Gemeinden

5. Jugendzentren1

6. Kreisjugendring

7. Kirchen2

8. Kreissportbund (Sportjugend)

9. Ordnungsamt des Landkreises Friesland

10. Krankenkassen3

11. Selbsthilfegruppen

12. Regiestelle des Landkreises Friesland

13. Bündnis für Familie

14. Kreisjugendpflege des Landkreises Friesland


Sofern erforderlich und gewünscht, können weitere Institutionen/Personen in die Arbeit einbezogen werden, z.B. Kreispräventionsrat, Gesundheitsamt des Landkreises Friesland, Feuerwehr.


Bei Bedarf und Erfordernis sollen für einen begrenzten Zeitraum themenspezifische Untergruppen zur Bearbeitung einzelner Arbeitsaufträge gebildet werden.



6. Tätigkeitsfelder der einzelnen Mitglieder


Fachstelle Sucht Friesland

  • Moderation des Arbeitskreises

  • Beratung

  • Fortbildung und Schulung von MultiplikatorInnen

  • Prävention an Schulen / Lehrerfortbildung

  • Elternarbeit

  • Kooperationsprojekte mit unterschiedlichsten Institutionen

  • Mitinitiator zur Gründung eines Arbeitskreises Sucht



Polizei

  • Moderation des Arbeitskreises

  • an Schulen Projekte initiieren

  • Durchführung gemeinsamer Jugendschutzkontrollen mit dem Landkreis

  • Gewährleistung eines Informationstransfers innerhalb der Polizeiinspektion Wilhelmshaven / Friesland

  • Mitwirkung an Elternabenden

  • Mitinitiator zur Gründung eines Arbeitskreises Sucht



Landesschulbehörde (WHV)

  • Lehrerfortbildungen anregen

  • Informationstransfer in die Kollegien sämtlicher Schulen im Landkreis Friesland gewährleisten

Jugendzentren

  • Projektunterstützung vor Ort

  • Einstiegshilfen ins Hilfesystem bieten

  • konkrete AnsprechpartnerInnen für Kinder und Jugendliche sein



Kreisjugendring

  • Informationstransfer in die Vereine der jeweiligen Kommunen gewährleisten

  • mit dem Arbeitskreis abgestimmte Projekte /Aktionen vor Ort veranlassen und/oder begleiten



Kirche

  • Informationstransfer der Arbeitskreisarbeit in sämtliche Kirchengemeinden gewährleisten

  • mit dem Arbeitskreis abgestimmte Projekte /Aktionen vor Ort veranlassen und/oder begleiten



Kreissportbund (Sportjugend)

  • Informationstransfer in die Sportvereine gewährleisten

  • mit dem Arbeitskreis abgestimmte Projekte /Aktionen in den Vereinen veranlassen und/oder begleiten



Ordnungsamt Landkreis Friesland

  • überwachende Funktionen

  • Aufklärung über rechtliche Aspekte



Krankenkassen

  • Projekt- / Aktionsfinanzierung und - unterstützung

  • Informationstransfer innerhalb der Krankenkassen gewährleisten

  • Erheben von Fallzahlen



Selbsthilfe

  • Informationstransfer in die Selbsthilfegruppen gewährleisten

  • mit dem Arbeitskreis abgestimmte Projekte /Aktionen veranlassen und/oder begleiten



Bündnis für Familie

  • Informationstransfer gewährleisten





Kreisjugendpflege

  • Moderation des Arbeitskreises

  • Öffentlichkeitsarbeit

  • Fortbildung der MitarbeiterInnen der Jugendzentren

  • Fortbildung der ehrenamtlich in der Jugendarbeit Tätigen

  • Mitwirkung an Elternabenden

  • Beratung und Unterstützung von MultiplikatorInnen

  • Durchführung gemeinsamer präventiver Jugendschutzkontrollen mit der Polizei

  • Mitinitiatorin zur Gründung eines Arbeitskreises Sucht



7. Auflistung von Vorhaben, die angedacht sind


I. Vortrag für die breite Öffentlichkeit zum Thema Alkoholmissbrauch

bei Kindern und Jugendlichen


Diese Veranstaltung könnten in Kooperation mit der Fachstelle Sucht, dem Präventionsbeauftragten der Polizeiinspektion Wilhelmshaven/Friesland, dem Kreisjugendring und den Jugendzentren erfolgen.


Als Hauptreferent ist Dr.Christoph Möller, Oberarzt der Kinderklinik auf der Bult, Hannover, vorgesehen.


Die Moderation könnte die Fachstelle Sucht übernehmen und über den Jugendschutz, hinsichtlich des Alkoholkonsums, mitsamt den Jugendschutzkontrollen könnten der Präventionsbeauftragte der Polizeiinspektion Wilhelmshaven/Friesland und die Kreisjugendpflegerin referieren.


Als Rahmenprogramm wäre vorstellbar, dass die Jugendzentren, der Kreisjugendring und die Fachstelle Sucht ihre Arbeit an Informationsständen darstellen und alkoholfreie Getränke anbieten.



II. Anti-Sucht-Lauf „Weniger saufen, dafür laufen“


In Zusammenarbeit mit dem Kreissportbund, dem Präventionsbeauftragten der Polizeiinspektion Wilhelmshaven/Friesland, der Fachstelle Sucht, der Kreisjugendpflege, vielen ehrenamtlichen HelferInnen etc. wäre diese landkreisweite Veranstaltung für SchülerInnen, BesucherInnen der Jugendzentren und die jugendlichen Mitglieder der Vereine vorstellbar.









III. Theaterworkshops zum Thema „Komasaufen“


Mit dem mobilen Theater „Wilde Bühne“, Bremen, oder der Theaterpädagogischen Arbeitsgemeinschaft e. V. aus Rhauderfehn könnten von der Kreisjugendpflege in Kooperation mit den Schulen und dem Präventionsbeauftragten der Polizeiinspektion Wilhelmshaven/Friesland, der Fachstelle Sucht, zweitägige Workshops an Schulen, z.B. im Rahmen von Projektwochen, stattfinden. Das Einstudierte könnte in der Folge in einer (öffentlichen) Aufführung dargeboten werden.

Ein Informationsstand mit Materialien zur Suchtprävention könnte zeitgleich zu den Workshops beispielsweise in der Pausenhalle aufgebaut werden.



IV. Runder Tisch


Ein „Runder Tisch“ mit Discothekenbetreibern, dem Dehoga, dem Präventionsbeauftragten der Polizeiinspektion Wilhelmshaven/Friesland und der Fachstelle Sucht könnte seitens der Kreisjugendpflege neu installiert werden. Zwei bis drei Treffen jährlich erscheinen realistisch. Als Themen wären die Selbstverpflichtungserklärung der Betreiber, Billigangebote und Flatrate-Partys zu unterbinden, das „Apfelsaftgesetz“ etc. vorstellbar.



V. Stände mit alkoholfreien Getränken


In Zusammenarbeit, insbesondere mit den Sportvereinen (Kreissportbund), dem Kreisjugendring, der Fachstelle Sucht und der Kreisjugendpflege könnte für Veranstalter z.B. von Sportevents ein Katalog mit Rezepten alkoholfreier , „spritziger“ Getränke entwickelt werden. Dieser Katalog könnte in ansprechender Form gestaltet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Mit diesem Katalog sollen möglichst viele MultiplikatorInnen erreicht werden, die nach diesem Muster auf ihren Veranstaltungen regelmäßig einen Stand mit alkoholfreien Getränken anbieten.



VI. Elternabende


In Kooperation mit dem Präventionsbeauftragten der Polizeiinspektion Wilhelmshaven/Friesland, der Fachstelle Sucht, der Kreisjugendpflege und anderen könnten themenzentrierte Elternabende im Landkreis angeboten werden, die sich mit sucht- und entwicklungsspezifischen Fragestellungen auseinandersetzen. Darüber hinaus könnten Informationsblätter entworfen und eine landkreisweite Plakataktion zum Thema initiiert werden.


Auch wird sich die Kreisjugendpflege direkt an die Jugendlichen und deren Eltern durch Einladung zu Gesprächen und Versendung von Elternbriefen wenden, insbesondere dann, wenn Jugendliche alkoholisiert aufgegriffen worden sind.




VII. Informationsveranstaltungen an Schulen zum Jugendschutzgesetz


Gemeinsam mit dem Präventionsbeauftragten der Polizeiinspektion Wilhelmshaven/Friesland könnte die Kreisjugendpflege auf Anfrage in

Schulklassen über das Jugendschutzgesetz informieren.


Für den Herbst ist geplant, Kontakte z.B. zu Referenten und Theaterpädagogen aufzunehmen, um erste Vorgespräche zu führen.


Konkrete Aussagen zu den finanziellen Auswirkungen der einzelnen Maßnahmen werden nach den Vorgesprächen möglich sein.



8. Schlussbemerkungen


Nach Rücksprache mit der Niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen, Hannover, gilt derzeit, dass weder der Bund noch das Land Mittel zur Umsetzung des HaLT-Projektes zur Verfügung stellen. Insoweit kann der Landkreis für seine suchtpräventive Arbeit aus diesen Bereichen keine finanziellen Mittel aquirieren. Daher erübrigt sich eine Überarbeitung des

HaLT-Konzeptes. Wichtige Elemente des HaLT-Konzeptes sind im vorliegenden Entwurf berücksichtigt und werden in die konkrete Arbeit einfließen.


Es ist angedacht, die Finanzierung zur Umsetzung dieses Konzeptes aus Haushaltsmitteln des Landkreises sowie möglicherweise unter Beteiligung der Krankenkassen sicher zu stellen.


Der vorliegende Entwurf wird mit den im Vorfeld benannten Institutionen noch im Einzelnen besprochen, so dass sichergestellt ist, dass diese in die Entwicklung und Ausgestaltung der präventiven Arbeit einbezogen sind.


In der nächsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses wird der aktuelle Sachstand berichtet werden.

1ein(e) VertreterIn für alle Jugendzentren

2ein(e) VertreterIn je Kirche

3ein(e) VertreterIn für alle Kassen


Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Entwurf des Rahmenkonzeptes zur Prävention zur Kenntnis und wird diesen in der nächsten Sitzung abschließend beraten.


Finanzielle Auswirkungen: Ja, die Höhe der notwendigen Haushaltsansätze wird

aufgrund der Planung noch ermittelt

Gesamtkosten der Maßnahmen (ohne Folgekosten)

Direkte jährliche Folgekosten

Finanzierung:


Eigenanteil

objektbezogene Einnahmen



Sonstige einmalige oder jährliche laufende Haushaltsauswirkungen


Erfolgte Veranschlagung: Nein

im Verwaltungshaushalt Vermögenshaushalt Haushaltsstelle:

Janßen

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Sachbearbeiter/in Fachbereichsleiter/in

Sichtvermerke:

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Abteilungsleiter Kämmerei Landrat

Beratungsergebnis:

Einstimmig

Ja-Stimmen



Nein-Stimmen



Enthaltungen



Kenntnisnahme

Lt. Beschluss­vorschlag

Abweichender Beschluss