Betreff
Neuorganisation des SGB II zum 1.1.2011: Sachstandsbericht und weitere Vorgehensweise
Vorlage
633/2010
Art
Beschlussvorlage

Begründung:


Durch das Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) wurden zum 1. Januar 2005 bekanntermaßen Arbeitslosenhilfe (SGB III) und Sozialhilfe (BSHG) zu einem neuen einheitlichen Sozialleistungssystem zusammengeführt. Voraus­gegangen war ein langwieriges Gesetzgebungsverfahren, das in erster Linie geprägt war von den unterschied­lichen Auffassungen zur Zuständigkeit der neuen Leistungen: Kommu­nale Trägerschaft oder Trägerschaft der Agenturen für Arbeit. Herausgekommen ist schließlich im Vermittlungsver­fahren ein Kompromiss in Form des jetzigen SGB II


Die Kommunen sind in erster Linie zuständige Träger für die Kosten der Unterkunft (KdU).

Außerdem sind sie zuständige Träger für die Betreuung minderjähriger oder behinderter Kinder oder die häusliche Pflege von Angehörigen, die Schuldnerberatung, die Sucht­beratung, die psychosoziale Betreuung (die sogenannten “flankierenden Sozialleis­tungen” nach § 16 a SGB II) und einigewenige einmalige Leistungen (Beihilfen) wie Erstausstat­tung für die Wohnung, Erstausstattung für Bekleidung einschließlich bei Schwangerschaft und Geburt sowie mehr­tägige Klassenfahrten im Rahmen der schul­rechtlichen Bestim­mungen.


Die Agenturen für Arbeit sind zuständige Träger für die sonstigen Geldleistungen (Leis­tungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Form von Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld) und die Eingliederungsleistungen (Vermittlung in Arbeit; Qualifizierung usw.)


Das Leistungssystem (Geldleistungen) entspricht weitestgehend dem der bis zum 31. De­zember 2004 geltenden Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt).


Der laufende Lebensunterhalt wird in Regelsätzen, heute Regelleistungen, bemessen.


Die KdU werden übernommen, soweit sie angemessen sind.


Im LK Friesland werden die Aufgaben nach dem SGB II seit dem 1.1.2005 durch die Arbeitsge­meinschaft (ARGE) “Job-Center Friesland” wahrgenommen. Vertragspartner des LK in der ARGE ist die Agentur für Arbeit (AfA) Wilhelmshaven.

Weitere derzeit praktizierte Formen der Aufgabenwahrnehmung nach dem SGB II stellen einer­seits die sogenannte Option (= eigenverantwortliche Aufgabenwahr­nehmung nur durch eine Kommune) und andererseits die “Getrennte Aufgabenwahr­nehmung” (GAW) dar.



Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) hatte Ende 2009 Entwürfe zur Neuorganisation des SGB II sowie einen Mustervertrag für eine freiwillige Kooperation von Bundesagentur und Kommunen vorgelegt. Die Arbeitspapiere sahen zwei Gesetzentwürfe für die getrennte Aufgabenwahr­nehmung sowie die Entfristung der Option vor. Beide Entwürfe orientierten sich an dem (über­arbeiteten) Eckpunktepapier des BMAS und sahen auch keine Ausweitung der Option vor. Somit war für den Bereich des Landkreises Friesland von einer Umsetzung des SGB II in der Zukunft von dem Modell der getrennten Trägerschaft auszugehen.


Da bis spätestens Juli/August 2010 eine endgültige geeignete Lösung geschaffen werden musste, hatte der Landrat die Verwaltung bereits Ende 2009 dahingehend angewiesen, fachbe­reichsübergreifend die verschiedenen Möglichkeiten durch zu planen.

Erste Besprechungen hatten be­reits stattgefunden. Auch eine Arbeitsgruppe mit Mitarbeitern der Agentur für Arbeit WHV und der Geschäftsführung der ARGE wurde bereits gebildet, um die Ko­operationsmöglichkeiten vor Ort zu erarbeiten.


Inzwischen hatten im Rahmen einer Umfrage des Deutschen Landkreistages bundesweit 171 Kommunen, welche bislang in einer ARGE mitwirken, erklärt, bei einer Ausweitung des Options­modells diese alleinige Aufgabewahrnehmung zu wählen. In den teilweise heftigen politischen Diskussionen hinsichtlich der Neuorganisation im Bereich des SGB II bezog sich ein Teil davon auch auf eine doch noch zu regelnde Ausweitung des Optionsmodells. Allein in Niedersachsen haben 14 Landkreise zusätzlich zu den bestehenden 13 Options­landkreisen den Wunsch ge­äußert, die Betreuung der Langzeitarbeitslosen in eigener Regie zu übernehmen.


Seit dem 8. Februar 2010 ist nunmehr jedoch von einer Grundgesetzänderung mit dem Ziel einer rechtliche Absicherung der ARGEn und gegebenenfalls auch einer Ausweitung der kommunalen Option auszugehen. Damit ist das Modell der getrennten Trägerschaft für den Landkreis hinfällig geworden.

Nach wie vor (Stand 12.02.2010) ist aber völlig offen, zu welchen Konditionen die Erweiterung der Option vorgesehen ist. Insbesondere ist für die Kommunen derzeit nicht ersichtlich, welche Änderungen hinsichtlich der Finanzierung und der Fachaufsicht durch den Bund zu erwarten sind.


Es gilt nunmehr auszuloten, inwieweit der Landkreis seinen Beschluss vom Dez. 2008 hinsicht­lich der Möglichkeit der alleinigen Aufgabenträgerschaft (Option) umsetzen sollte. Dazu müssen die Auswirkungen bei der Umsetzung beider wahrscheinlich möglichen Modelle betrachtet werden.

Von Nachteil hierbei ist, dass derzeit noch nicht erkennbar ist, wie das Fortbestehen der ARGE gesetzlich abgesichert werden soll. Andererseits gilt dies auch für den Fall einer Ausweitung des Optionsmodells.


Generell ist anzumerken, dass die Argumente für und wider das eine oder andere Modell bereits hinlänglich oft genannt worden sind. Die Argumente, welche zu dem Beschluss vom Dezember 2008 geführt haben sind weiterhin für die Sichtweise des Landkreises zutreffend.


Hier sollen nunmehr jedoch Punkte benannt werden, welche sich bei der konkreten Umsetzung des jeweiligen Modells auf der Ebene der Verwaltung auswirken oder ergeben können:




Option

„ARGE“

Personal

Der Landkreis müsste Personal neu bzw. zusätzlich einstellen, da das bisherige Personal zum Teil nicht den Arbeitgeber wechseln wird (von der BA zum Landkreis).


Das Personal ist bereits aufgrund der bisherigen ARGE vorhanden. Es bleibt aller Voraussicht nach bei den bisherigen Arbeitgebern und wird wahrscheinlich weiter zur ARGE abgeordnet.


Gebäude

Der Landkreis muss für ein zusätzliches Gebäude in Varel sorgen, da im bisherigen Gebäude (Filmer) die BA Mieter ist.


Hinsichtlich der Gebäudenutzung bleibt zunächst alles wie es ist. Das Gebäude in Jever könnte weiter für das künftige Job-Center vermietet werden, in Varel würde sich die BA um die weitere Gebäudenutzung kümmern.


Ausstattung

Mobiliar und sonstige Sachausstattung muss neu vom Landkreis angeschafft werden.

Mobiliar und sonstige Sachausstattung ist bereits vorhanden, wurde von der BA beschafft.


Technik

Hard- und Software muss neu vom Landkreis angeschafft werden. Hinsichtlich der Software – sowohl für die Auszahlung der Leistung, wie auch für die Arbeitsvermittlung – sind die Programme der meisten Anbieter nach den Erfahrungsberichten der bisherigen Optionskommunen gut nutzbar und flexibel anpassbar.


Hard- und Software sind bereits vorhanden, wurde von der BA beschafft.

Hinsichtlich der Programme ist für den Bereich der Leistungssoftware zu bemerken, das die Software A2LL bei ihrer Einführung auf ganzer Linie versagt hat. Bis heute sind viele Millionen Euro in die Nachbesserung gesteckt worden (Stichwort “Umgehungslösungen“).

Ein Nachfolger, ALLEGRO, befindet sich in der Planung und soll bis 2013 fertig gestellt sein. Die Software für die Arbeitsvermittlung wird von Fachleuten als wenig praxisgerecht für den SGB II-Bereich betrachtet.



Finanzen

Die Aufwendungen können zum Teil aus der Bundeszuweisung für die Durchführung der Aufgabe „SGB II“ finanziert werden. Kontrolle des Landkreises durch den Bundesrechnungshof.

Finanzierung z.T. aus Bundesmitteln, dabei Mitteleinsatz und -verantwortung durch die BA.




Der Ausschuss wird von der Verwaltung über die weitere Entwicklung zeitnah informiert werden.


Beschlussvorschlag:


Der Ausschuss nimmt den Sachstandsbericht zur Neuorganisation des SGB II zum

1. Januar 2011 zur Kenntnis.


Finanzielle Auswirkungen: Ja, aber derzeit nicht eindeutig zu beziffern.

Gesamtkosten der Maßnahmen (ohne Folgekosten)


derzeit unbekannt

Direkte jährliche Folgekosten

Finanzierung:


Eigenanteil

objektbezogene Einnahmen



Sonstige einmalige oder jährliche laufende Haushaltsauswirkungen


Erfolgte Veranschlagung:Ja, mit € Nein, derzeit noch nicht

im Ergebnishaushalt Finanzhaushalt Produkt- bzw. Investitionsobjekt:


_gez. Rocker__ _________________________

Sachbearbeiter/in Fachbereichsleiter/in

Sichtvermerke:

_gez. Wehnemann___ ________________ ____gez. Ambrosy_____

Abteilungsleiter Kämmerei Landrat

Beratungsergebnis:

Einstimmig

Ja-Stimmen



Nein-Stimmen



Enthaltungen



Kenntnisnahme

Lt. Beschluss­vorschlag

Abweichender Beschluss