Betreff
Bäume an Kreisstraßen/ Schutz von Baumalleen
Vorlage
923/2011
Art
Beschlussvorlage

Begründung:


Die Richtlinien für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeugrückhaltesysteme (RPS 2009) werden z.Z. durchaus kontrovers diskutiert, so wird vielfach fälschlicherweise befürchtet, dass dieses Regelwerk zur Abholzung von Straßenbäumen in großem Umfang führen werde.

Die RPS 2009 (herausgegeben von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen) wurde durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung mit Rundschreiben vom 20.12.2010 für den Bereich der Bundesfernstraßen eingeführt, darüber hinaus wurde zugleich den obersten Straßenbaubehörden der Länder die Einführung für die in deren Zuständigkeitsbereich liegenden Straßen empfohlen (umgesetzt in Niedersachsen für die Landesstraßen durch Einführungsschreiben der Nds. Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr vom 07.02.2011); für den Bereich der kommunalen Straßen gilt die RPS im Zusammenhang mit der Bewilligung von Förderungen nach dem Entflechtungsgesetz (früher: GVFG), d.h. die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr prüft im Zusammenhang mit entsprechenden Förderanträgen die Einhaltung der technischen Regelwerke (also u.a. der RPS).

Vielfach wird in der aktuellen Diskussion unzureichend berücksichtigt, dass die RPS nur für die Absicherung von Gefahrenstellen bei dem Neu-, Um- oder Ausbau von Straßen gilt; eine bloße Sanierung, bei der beispielsweise der Fahrbahnquerschnitt unverändert bleibt, ist hiervon nicht erfasst.

Im Rahmen der Ermittlung des Gefahrenpotentials von Gefahrenstellen am äußeren Fahrbahnrand werden sog. „kritische Abstände“ definiert, innerhalb derer z.B. „nicht verformbare punktuelle Einzelhindernisse“ (d.h. auch Straßenbäume) einer besonderen Betrachtung bedürfen. Beispielsweise beträgt der kritische Abstand bei Straßen mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 bis 100 km/h 7,50 m vom Fahrbahnrand. Neben dem Entfernen des Hindernisses wäre somit das Aufstellen von Fahrzeug-Rückhaltesystemen nach RPS (also beispielsweise Schutzplanken) oder z.B. die Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung zu prüfen.

Im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage vom 18.02.2011 nimmt das Verkehrsministeriums im Nds. Landtag auch zu der Frage der Erhaltung von Alleen zutreffend Stellung:

Vorhandene Alleen können auch bei unzureichendem Abstand zum äußeren Fahrbahnrand erhalten werden, sofern entsprechende Schutzeinrichtungen zum Einsatz kommen. Auf das ARS 28/2010 zur Einführung der RPS 2009 sei verwiesen, Zitat:

Wo aufgrund der örtlichen Situation Fahrzeug-Rückhaltesysteme nicht den Regellösungen der RPS 2009 entsprechen können, sind Lösungen vorzusehen, die auf den Grundsätzen dieser Richtlinien aufbauen und das unter den Umständen bestmögliche Schutzniveau erreichen... Dies bedeutet in praxi, dass Schutzeinrichtungen angeordnet werden, auch wenn der Wirkungsbereich geringer ist als es die RPS vorsehen. Lt. Recherchen und Erfahrungen der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) stehen geeignete Systeme zur Verfügung.“

Allgemein wird klargestellt, dass die Regelungen der RPS einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Verkehrssicherheit darstellen - ein Ziel, das die Nds. Landesregierung mit Nachdruck unterstützt. Hierbei sei angemerkt, dass Baumunfälle in Niedersachsen ein Problem darstellen, so nimmt Niedersachsen in der bundesweiten Statistik einen hinteren Platz ein (im Landkreis Friesland stellen Baumunfälle übrigens keinen „Problem“-Bereich dar).





Auswirkungen im Landkreis Friesland:

Der Landkreis hat bereits 2006 einen Beschluss zum Umgang mit den Straßenbäumen an Kreisstraßen gefasst, wobei auch hier der Leitgedanke ist, dass pauschale Regelungen abzulehnen, sondern Einzelfallregelungen anzustreben sind –insofern ist die Baumschau, in der jeweils ein vertretbarer Kompromiss zwischen Verkehrssicherheit und Erhalt des Landschaftsbildes gesucht (und gefunden) wird, ein gutes Instrument.

Beschluss Kreisausschuss 08.05.2006:

Sofern es unter Beachtung der Verkehrssicherheit vertretbar und aus landschaftlicher Sicht geboten ist, soll nach übereinstimmender Auffassung des Kreisausschusses der Erhalt von Alleen so weit als möglich gewährleistet werden. Flächenbedarfe für Ersatzpflanzungen sowie die sich daraus für die Landwirtschaft ergebenden Beeinträchtigungen sind zu klären. Das natürliche Gepräge der friesischen Landschaft sollte so weit wie möglich erhalten bleiben.

1. Straßen- bzw. Baumschauen gehören schon seit Jahren zum Standard im Bereich des Landkreises Friesland und werden regelmäßig durchgeführt. Das Ergebnis dieser Schauen dient als Arbeitsgrundlage bei Entscheidungen hinsichtlich von Eingriffen in die (alten wertvollen) Straßenbaumbestände, deren Erhaltung hohe Priorität hat.

2. Wild gewachsene Bäume sind als solche ein bekanntes Problem. Sie werden nach und nach entfernt, wenn sie wegen eines zu geringen Abstandes von der Straße verkehrsgefährdend wirken oder alt bzw. krank sind (sh. Ziff 1). Im Übrigen werden wild aufschlagende Gehölze regelmäßig „auf den Stock gesetzt“, um sie auf Dauer als Sträucher zu erhalten.

3. Eine summarische Absicherung von Straßenbäumen durch Schutzplanken soll wegen der damit verbundenen Unfallgefahren (Echoeffekt) sowie wegen des immensen finanziellen Aufwandes nicht erfolgen. Nur dort, wo ein Unfallbrennpunkt (Baumunfälle) festgestellt wurde und Bäume – aus welchen Gründen auch immer – nicht beseitigt werden sollen oder können, erfolgt die umgehende Absicherung durch Leitplanken.

4. Zu Ersatzanpflanzungen sh. auch Ziff. 2. - Neue Bäume, z. B. im Zuge des Neubaues von Radwegen, werden immer hinter dem Radweg (gesehen von der Straßenmitte) angepflanzt oder aber abseits des eigentlichen Verkehrsraumes (lt. Planfestellungsbeschluss)

(Maßgabe des KA: Soweit verkehrssicherheitstechnisch vertretbar: Alleenschutz, Erhaltung eines attraktiven Landschaftsgepräges; nach Möglichkeit Trennung von Radweg und Fahrbahn durch Anpflanzungen. Anpflanzungen hinter dem Radweg: ggf. Grundstückskaufprobleme, da oftmals landwirtschaftliche Flächen)

5. Für Büsche gilt das für Bäume ausgeführte sinngemäß: Büsche werden „auf den Stock gesetzt“, um sicherzustellen, dass sie einerseits nicht Baumstärke erreichen, andererseits nicht zu mächtig werden und beim Unfallgeschehen Schäden wie bei Baumunfällen hervorrufen. Diese Verfahrensweise stellt auch die wesentlich preisgünstigere Alternative dar, da sich der Pflegeaufwand so in einem auskömmlichen Verhältnis bewegt.



Für die Beachtung der technischen Standards und Regelwerke ist jede Kommune selbst verantwortlich, wobei für bestehende Straßen (und die vorhandenen Straßenbäume) die Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäumen (ESAB 2006) ein weiteres Regelwerk darstellen; hier wird übrigens dargelegt, dass zur Bestandssicherung von Alleen und einseitigen Baumreihen, die hinsichtlich ihrer Gesamtstruktur vital sind und eine gesicherte, weitere Lebenserfahrung von mehr als 10 Jahren haben (und die nicht unfallauffällig sind), die Möglichkeit besteht, in kleineren Baumlücken (ca. 100 m) eine Nachpflanzung unter Beibehaltung der bisherigen Baumflucht vorzunehmen. Darüber hinaus sind (Nach-)Pflanzungen von Bäumen jeweils im Abstand von mindestens 4,50 m vom Rand der befestigten Fläche vorzusehen.

Grundsätzlich ist die bisherige Verfahrensweise im Landkreis Friesland durchaus praxisnah und führte zu keinen Problemen, so stellt die Beschlusslage der politischen Gremien des Landkreises keinen Widerspruch dar zu den Intentionen des Erhalts von Alleen; gleichwohl bleibt festzuhalten, dass es aus Gründen der Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht auch flexibler Möglichkeiten der Beseitigung von Straßenbäumen bedarf.

Im Haushalt des Landkreises sind im Titel für die Unterhaltung und Instandsetzung der Kreisstraßen jährlich 10.000 € für Anpflanzungen an Kreisstraßen eingestellt; im vergangenen Jahr wurden beispielsweise 18.000 € für diese Maßnahmen verwendet, wobei die Baumpflege wie Beseitigung von Totholz und das Aufasten der Bäume sehr kostenintensiv war, so dass im letzten Jahr keine Neuanpflanzungen an Kreisstraßen getätigt wurden. Die Verwaltung wird auch künftig die Pflege der Bäume sowie Neu- und Ersatzanpflanzungen so vornehmen, dass die vorgenannten Beschlüsse der politischen Gremien und die geltenden Richtlinien befolgt werden; im Rahmen der diesjährigen Baumschau wird im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel über Ersatzanpflanzungen an Kreisstraßen befunden werden.



Die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen hat am 27.04.2011 einen aktuellen Antrag zu der Thematik Alleenschutz gestellt:


1. Der Landkreis Friesland erstellt ein Alleenkataster für die Kreisstraßen in Friesland.

2. Abgängige Alleebäume werden zukünftig durch Neuanpflanzungen ersetzt.

3. Es wird geprüft, welche Straßen sich für die Neuanlage von Alleen eignen.


Begründung:

In ausgeräumten Agrarlandschaften vernetzen Alleen und Baumreihen Biotope und sind selbst Lebensraum seltener Pflanzen- und Tierarten. Darüber hinaus sind sie ökologisch bedeutsam als Staub- und Abgasfilter oder als Sauerstoffproduzent. Beispielsweise können Straßenalleen im belaubten Zustand bis zu 70 % der Feinstäube und bis zu 60 % im Winter herausfiltern. Je nach Alter und Baumart kann ein Alleebaum bis zu einer Tonne Staub pro Jahr aus der Luft ausfiltern und an einem Tag werden von einer 100jährigen vitalen Buche mit einer Blattfläche von 1600 m2 durch Photosynthese 1,7 kg Sauerstoff pro Stunde erzeugt. Pro Jahr erzeugt diese Buche den Sauerstoff für 10 Menschen.

Alleen sind heute stark gefährdet, vor allem durch Verletzungen im Kronen- und Wurzelbereich (straßen- und ackerseitig), durch vielfältige Standortveränderungen (insbesondere durch Streusalz) oder schlichtweg durch das hohe Alter.

Viele Beispiele zeigen, dass Alleenschutz und Verkehrssicherheit an Straßen und Wegen vereinbar sind. Allerdings erfordert Alleenschutz auch zukünftig ein Engagement durch die breite Öffentlichkeit und die Unterstützung durch ein politisches Einvernehmen



Hierzu bleibt anzumerken, dass eine Kartierung über im Landkreis Friesland vorhandene Alleen (lt. Merkblatt für Alleen sind dies „beidseitig mit relativ gleichaltrigen und vom Habitus her gleichartigen Bäumen in gleichmäßigem Abstand sowohl vom Fahrbahnrand als auch innerhalb der Reihe bestandene Straßen. Alleen sind eine traditionelle und besondere Form des Straßenbegleitgrüns mit landeskulturellen Eigenarten“) nicht vorhanden ist; der Alleenschutz ist aber –s.o.- in der derzeitigen Beschlusslage bereits verankert, wobei diese selbstverständlich nur für Kreisstraßen gelten kann. Die weitere Beratung zu dieser Thematik sollte im Umweltausschuss erfolgen.



Beschlussvorschlag:


Der Ausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.


Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen wird im Umweltausschuss behandelt.



Finanzielle Auswirkungen: Ja Rahmen2 Nein

Gesamtkosten der Maßnahmen (ohne Folgekosten)

Direkte jährliche Folgekosten

Finanzierung:

Eigenanteil objektbezogene Einnahmen

Sonstige einmalige oder jährliche laufende Haushaltsauswirkungen

Erfolgte Veranschlagung: Ja, mit € Nein

im Ergebnishaushalt Finanzhaushalt Produkt- bzw. Investitionsobjekt:



Sachbearbeiter/in Fachbereichsleiter/in

Sichtvermerke:


Abteilungsleiter Kämmerei Landrat

Beratungsergebnis:

Einstimmig

Ja-Stimmen


Nein-Stimmen


Enthaltungen


Kenntnisnahme

Lt. Beschluss-vorschlag

Abweichender Beschluss