Sitzung: 15.08.2016 Ausschuss für Umwelt, Abfall und Landwirtschaft
Beschluss: einstimmig beschlossen
Vorlage: 1004/2016
Beschluss:
Dem als Anlage 1) beiliegendem Entschließungssentwurf wird zugestimmt.
Der
Landkreis Friesland stellt derzeit sein Regionales Raumordnungsprogramm (RROP)
neu auf. Wesentliches Ziel der Raumordnung ist es, die verschiedenen
Nutzungsansprüche zu ordnen, zu sichern und zu entwickeln. Um auch die
Landwirte in Friesland mit ihren besonderen Interessen an der künftigen Nutzung
der ländlichen Räume am RROP angemessen zu beteiligen, hat die
Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Bezirksstelle Oldenburg-Nord, im Auftrag
des Landkreises im letzten Jahr einen landwirtschaftlichen Fachbeitrag
erstellt. In diesem Zusammenhang konnte sich ausführlich mit den Interessen der
Landwirtschaft und den landwirtschaftlichen Betrieben auseinandergesetzt
werden. Das Fachgutachten stellt nach der „Agrarstrukturellen Vorplanung von
1970“ und der „Agrarstrukturellen Entwicklungsplanung von 1998“ eine Art
Fortschreibung der landwirtschaftlichen Verhältnisse im Landkreis Friesland
dar. Dem Landkreis und der Landwirtschaftskammer war es von vornherein wichtig,
in moderierten Veranstaltungen in Form von Arbeitskreisen und Foren, sowohl die
Entwicklungsziele der Landwirtschaft im Landkreis konkret aufzugreifen als
auch die wichtigsten Handlungsfelder zu bearbeiten. Insgesamt soll damit
die Aufstellung des RROP vorbereitet und begleitet werden und die Ist-Situation
der Landwirtschaft, dem größten Flächennutzer im Landkreis Friesland, gebührend
vertreten werden. Das wurde durch die Mitwirkung der relevanten Akteure, z.B.
Landjugend, Kreislandfrauenverbände, Vorsitzenden/Vorstände der
Ortslandvolkvereine sowie Vertretern der Fachabteilungen des Landkreises,
gewährleistet.
Der
Resolutionsentwurf „Eine klare Stimme für die Landwirtschaft“ knüpft an die im
Landwirtschaftlichen Fachbeitrag genannten Handlungsfelder an und stellt neben
dem RROP eine gute Möglichkeit dar, sich für eine zukunftsfähige Ausgestaltung
der Landes-, Bundes- und EU-Gesetzgebung im Sinne der regionalen Landwirtschaft
einsetzen:
Der
landwirtschaftliche Strukturwandel hat sich auch im Landkreis Friesland in den
letzten Jahrzehnten kontinuierlich fortgesetzt und lag jährlich im Durchschnitt
bei einem Rückgang der Anzahl der Betriebe um 3 %. Während 1996 bereits nur
noch ca. 1.080 landwirtschaftliche Betriebe in Friesland wirtschafteten, hat
sich die Anzahl bis 2010 auf 635 Betriebe mit einer Durchschnittsgröße von 67
ha verringert. Für 2015 ist nach Auswertung der Agrarförderungsdaten von
insgesamt 685 Antragstellern auszugehen. Davon bewirtschaften 460 Betriebe über
20 ha Fläche. Die mittlere Größe beträgt bei diesen 90 ha LF. Zur
Einkommensform Nebenerwerb sind in der Agrarförderung auch Betriebe, die in
geringem Umfang Flächen bewirtschaften und gegebenenfalls Tierhaltung
betreiben, einzuordnen. Der Anteil liegt danach bei 30 %. Der
Pachtflächenanteil betrug im Jahr 2010 ca. 64 % und bewegt sich stetig Richtung
70 %. Dementsprechend werden bei einer außerlandwirtschaftlichen Nachfrage nach
Flächen die Bewirtschafterinteressen oftmals vernachlässigt.
Die
Abhängigkeit der Bewirtschafter von den Verpächtern sowie der Entwicklung des
Boden- und Pachtmarktes ist groß. Dieser hat sich hinsichtlich der Werte seit
etwa 2011 stark verändert. Die durchschnittlichen Kaufpreise für Ackerland
haben in Friesland die 4 €/qm Marke erreicht. Bei Neuverpachtungen sind die
Pachtpreise mit bis zu 450 €/ha für Grünland oftmals jenseits dessen, was aus
betrieblicher Sicht verträglich ist. Unter Berücksichtigung bestehender
Pachtverträge liegen die durchschnittlichen Jahrespachtentgelte im Schnitt
aller Flächen und Nutzungenallerdings bei etwa 300 €/ha.
Der
Landkreis ist aufgrund der heterogenen Böden und der entstandenen
Kulturlandschaft, z.B. in den Wallheckengebieten oder dem engmaschigen
Grabensystem, durch eher ungünstige kleinteilige Bewirtschaftungseinheiten
geprägt. So liegt die mittlere Feldblockgröße, also eine potenziell
zusammenhängende landwirtschaftlich nutzbare Fläche, bei ca. 3,4 ha. Dieser
Wert beträgt in Niedersachsen rund 4 ha.
Die
Landwirtschaftsfläche im Landkreis Friesland ist lt. Kataster von 2001 bis 2010
um gut 2 % zurückgegangen. Der Grünlandanteil hat sich in dem Zeitraum um 3,5 %
verringert. Im Jahr 2015 wurden rund 27.000 ha Grünland in Friesland
bewirtschaftet, was einem Anteil von 65 % an der landwirtschaftlichen
Nutzfläche entspricht. Auf der Ackerfläche werden mit einem Anteil von 36 % ca.
5.000 ha Silo- oder Körnermais angebaut. Dieser Anbau ist seit 2012 leicht
rückläufig. Mais hat aufgrund seiner Standortansprüche auf den vorhandenen
Böden und den bestehenden Verwertungsmöglichkeiten als energiereiches Futter in
der Rinderfütterung und energiereiches Gärsubstrat in Biogasanlagen Vorzüge.
Seit 2012 stagniert die Anzahl der Biogasanlagen bei 18 Stück im Landkreis
Friesland.
80 %
der im Landkreis Friesland ansässigen Betriebe sind auf den Bereich Futterbau
(Milchvielhaltung, Jungviehaufzucht und Rindermast) spezialisiert.
Dementsprechend wird der Aufwuchs des Grünlandes im Landkreis als Rauhfutter in
diesen Betrieben eingesetzt und mit Futterpflanzen wie Silomais ergänzt. Von
den etwa 480 Rinderhaltern in Friesland sind ca. 370 Milcherzeuger, die im
Durchschnitt 100 Milchkühe betreuen. Vor 20 Jahren gab es noch 700
Michviehhalter mit mittleren Bestandsgrößen von 45 Kühen. Der Milchkuhbestand
ist seitdem um ca. 18 % auf ca. 37.000 angestiegen. Die Veredelungsbereiche mit
Ferkelerzeugung und Schweinemast sowie die Geflügelhaltung hat in Friesland
eine sehr untergeordnete Rolle. Die Liquidität und Wirtschaftskraft der
Landwirtschaft in Friesland hängt somit insgesamt sehr stark von der
Erlössituation im Milchbereich ab. Die derzeit schwachen Milchpreise weit unter
den weithin für mindestens notwendig erachteten 30 Cent pro kg Milch schwächen
die Betriebe und haben auch die Investitionsbereitschaft, z.B. hinsichtlich
Stallbaumaßnahmen, vermindert.
Die
Nährstoffsituation im Landkreis Friesland wird im Fachbeitrag anhand der
Ergebnisse des „Nährstoffberichts in Bezug auf Wirtschaftsdünger für
Niedersachsen 2013/2014“ dargestellt. Grundlage des Berechnungsverfahrens sind
die vorhandenen Daten über die verfügbare Fläche mit dem Anbauverhältnis, Tierbestände,
Biogasanlagen, Klärschlammverwertung, Importe von Wirtschaftsdünger aus den
Niederlanden und anderen Bundesländern sowie die gemeldete Verbringung von
Wirtschaftsdüngern und Gärresten nach der Meldeverordnung innerhalb
Niedersachsens. Die Auswertung des Nährstoffberichts ergibt hinsichtlich der
Verwertung des anfallenden Phosphors in Friesland weiterhin einen
Nährstoffbedarf von ca. 2 kg P2O5/ha LF. Der anrechenbare Stickstoff kann auch
vollständig verwertet werden, es besteht hier ein Restdüngebedarf von ca. 78 kg
N/ha LF. Die gemäß § 4 Abs. 3 der Düngeverordnung geltende Stickstoffobergrenze
von 170 kg N/ha wird im Landkreis Friesland mit 152 kg/ha LF ebenso unter
Berücksichtigung der gemeldeten Verbringungen eingehalten. Der ökologische
Landbau wird in Friesland von 14 Betrieben auf ca. 700 ha Fläche durchgeführt.
In dem Bereich ist seit Jahren trotz Förderung eine Stagnation festzustellen.
Interessierte Milchviehhalter, die evtl. Biomilch erzeugen möchten, benötigen
für die Zeit der Umstellung beispielsweise entsprechende finanzielle Reserven.
Wichtige
Herausforderung bleibt die
quantitativ ausreichende Ausbildung von landwirtschaftlichen Fachkräften und
zukünftigen Betriebsleitern, die die potenzielle Hofnachfolge übernehmen
können. Erfreulich ist die seit Jahren wachsende Zahl der
Ausbildungsverhältnisse. In 2015/2016 sind allein 114 Auszubildende bzw.
Berufsfachschüler im Ausbildungsberuf Landwirt an der Berufsbildenden Schule in
Varel zu verzeichnen. Die allgemeinen Entwicklungstendenzen der
Landwirtschaft werden im Fachbeitrag unter anderem anhand von Betriebsmodellen
diskutiert. Grundlage eines nachhaltig wirtschaftenden Betriebes ist ein
ausreichend hoher Gewinn. Dieser muss Eigenkapitalbildung ermöglichen, die
Lebenshaltungskosten der Unternehmer decken und aus ihm müssen betriebliche
Tilgungsverpflichtungen bedient werden. Aufgrund der einzelbetrieblich stark
variierenden Rahmenbedingungen kann dieser „Mindestgewinn“ unterschiedlich hoch
ausfallen. Modellhaft ist ein klassischer Futterbaubetrieb mit 94 ha
Betriebsausstattung und einem Grünlandanteil von 75 % sowie Pachtanteil von 50
% dargestellt worden, der gut 150 Milchkühe mit einer Durchschnittsleistung von
8.500 kg Milch und entsprechender Nachzucht halten müsste, um ein ausreichendes
Unternehmensergebnis erzielen zu können.
Im
Arbeitskreis Landwirtschaft haben die Beteiligten die bisherige Entwicklung im
Landkreis aus landwirtschaftlicher Sicht zusammengetragen. Diese Stärken- und
Schwächenanalyse hat im weiteren Verlauf zu konkreten Formulierungen für
Nutzungsansprüche geführt. Für die Formulierung der landwirtschaftlichen
Entwicklungsziele waren die Handlungsfelder „Landwirtschaftliche
Entwicklung, Agrarstruktur und Infrastruktur“, „Daseinsvorsorge/Akzeptanz/Image
der Landwirtschaft“, „Flächenverbrauch“, „Kompensation (Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen)“ sowie „Naturschutz/Kulturlandschaft“ die
wichtigsten Themen. Neben dem Themenfeld der allgemeinen Daseinsvorsorge, in
dem Handlungsempfehlungen zur Wohnqualität, infrastrukturellen Anbindung
(Breitbanderschließung, Internet) sowie zur Nahversorgung (medizinisch,
schulisch, einzelhandelbezogen) gegeben wurden, ist das Image und die Akzeptanz
der Landwirtschaft sowie die familiäre Betriebsstruktur behandelt worden.
Besonders
herausgestellt wurde die Beachtung von Agrarbelangen bei Planungen jeder Art.
Der Flächenverbrauch bei Siedlungs- und Gewerbegebiets- sowie
Verkehrswegeentwicklungen steht dabei im Fokus. Aber auch die Bereitstellung
von Flächen bzw. die Inanspruchnahme für Versorgungstrassen, beispielsweise für
Strom und Trinkwasser, oder für Kompensationsmaßnahmen wurde diskutiert. Auf
das gesetzlich festgehaltene Rücksichtnahmegebot für agrarstrukturelle Belange
bei der Planung von Kompensationsmaßnahmen wurde hingewiesen. Als erhebliche
Belastung für die betroffenen Landwirte, insbesondere zwischen Sande und Varel
im Umfeld des Vogelschutzgebietes am Jadebusen, haben sich die Nordischen
Gastvögel, die hier ihre Winterrastgebiete aufsuchen, entwickelt. Insbesondere
ist die Weißwangengans (Nonnengans) mit Gruppengrößen von mehreren tausend
Gänsen problematisch geworden. Aus Sicht einiger betroffener Landwirte hat das
Ausmaß der Schäden existenzbedrohende Formen angenommen und die
Ersatzfutterbeschaffung wird schwieriger. Der ländliche Wegebau, insbesondere
auf Gemeindestraßen, bleibt für die Kommunen und die Landwirtschaft ein
permanentes Thema.
Die
mit dem Landkreis erarbeiteten Handlungsempfehlungen werden teilweise in das
Regionale Raumordnungsprogramm einfließen. So werden im Fachbeitrag auf
Grundlage der gemeinsamen Arbeit in den Foren auch Vorschläge für die
regionalen Ziele der Raumordnung in Bezug auf die Landwirtschaft gemacht
(diese Vorschläge sind einzusehen im Landwirtschaftlichen Fachbeitrag in
Kapitel4.1).
Um
in Gebieten mit besonderer Bedeutung der Landwirtschaft, diese gegenüber
konkurrierenden Nutzungsansprüchen durch ein Berücksichtigungsgebot
abzusichern, werden im Fachbeitrag außerdem kartografisch sogenannte Vorbehaltsgebiete
der Landwirtschaft vorgeschlagen. Dazu wurden Gebiete mit vergleichsweise hoher
natürlicher Ertragskraft für die Ackernutzung sowie Grünlandbewirtschaftung
und Gebiete mit besonderer Bedeutung sowie Funktionen für die
Kulturlandschaft (naturschutzfachlichen Schutzkategorien sowie zusammenhängende
Wallheckengebiete) und ihrer Schutzgüter (z.B. Trinkwasserschutz) ausgewertet.
Die
mit dem Landkreis erarbeiteten Handlungsempfehlungen werden bereits teilweise
in das Regionale Raumordnungsprogramm einfließen. Insgesamt könnten dies ca.
35.000 ha LF, d.h. ca. 58 % der Kreisfläche, in Friesland mit dieser
Raumordnungskategorie sein. Eine Übernahme in das RROP kann jedoch erst nach
Abstimmung mit den anderen Raumansprüchen (u.a. Landschaftsrahmenplan,
Tourismus, Siedlungsentwicklung) erfolgen, sodass aktuell noch keine
Darstellung der faktisch in den Entwurf des RROP 2016 übernommenen Flächen
erfolgen kann.
Insgesamt
stellt sich die Lage der Landwirtschaft angesichts der geschilderten
Problemlagen als schwierig dar. Dies hat auch direkte Auswirkungen auf deren
vor- und nachgelagerten Bereich. Hierzu gehören beispielhaft der private und
genossenschaftliche Landhandel, Lohnunternehmen, Landtechnikfirmen, das
Baugewerbe und regionale Handwerk sowie die regional tätigen Kreditinstitute.
Zum
Erhalt der landwirtschaftlichen Infrastruktur und der bewirtschaftenden
Betriebe müssen die rechtlichen Grundlagen auf diese Bedürfnisse nach
zielführender Interessenabwägung abgestimmt werden. Hierzu eignen sich
besonders die Erkenntnisse des landwirtschaftlichen Fachbeitrages. Bereits in
der Vergangenheit und in der Gegenwart bindet die Kreisverwaltung die
Landwirtschaft in seine Entscheidungsfindungen ein. Konflikte im Gewässer- und
Naturschutz werden gemeinsam mit der Landwirtschaft und anderen Akteuren im
Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten erörtert und gelöst. Nur beispielhaft sei
hier der Runde Tisch Naturschutz genannt.
Das
Handeln der Kreisverwaltung ist durch die Landes-, Bundes- und EU-Gesetzgebung
eingeschränkt. Hier bietet sich Potential zur Einflussnahme, um die
Agrarpolitik im Landkreis Friesland nachhaltig und damit zukunftsfähig
auszugestalten.
Weiterführende Informationen
unter:
https://www.friesland.de/planen-und-bauen/landwirtschaftlicher-fachbeitrag/
oder https://www.friesland.de/planen-und-bauen/regionalplanung-und-raumordnung/
Herr Onnen-Lübben
unterstützt den gestellten Antrag ausdrücklich.
Auch Herr Janssen
befürwortet den Schulterschluss mit der Landwirtschaft durch ein solches
politisches Signal.
Wegen der höheren Wirkung durch Bindung der Verwaltung beantragt Herr Zielke die über eine Resolution hinausgehende Entschließung.
Abstimmung:
-einstimmig-