Beschluss: einstimmig beschlossen

Beschluss:

Der Einrichtung der Hebammenzentrale wird unter Gewährung eines Zuschusses i.H.v. bis zu 60.000 € zugestimmt.

 


Landrat Ambrosy begrüßt Frau Christina Harms-Janßen als Kreishebamme und Herrn Frank Germeroth als Geschäftsführer der Friesland-Kliniken, sowie Herrn Dr. Christoph Reiche als Chefarzt der Abteilung Geburtshilfe und Gynäkologie vom St. Johannes-Hospital in Varel.

Er weist auf die aktuelle Problematik in der Berufsgruppe der Hebammen hin.

Aufgrund der hohen Verantwortung, der nicht planbaren Arbeitszeiten, der steigenden Versicherungsprämien und eines bundesweiten schwierigen Vergütungssystems fehle es an Nachwuchs.

Um die aktuelle Situation ein wenig zu entlasten, habe der Landkreis Friesland das Konzept für eine Hebammenzentrale entwickelt.

Die Trägerschaft liegt beim St. Johannes Hospital in Varel und die Finanzierung beim Landkreis Friesland. Es ist zunächst eine Befristung von zwei Jahren vorgesehen, sowie eine Evaluierung des Projektes.

Vorerst sei man von Kosten in Höhe von 60.000 Euro ausgegangen, diese konnten mittlerweile jedoch auf 31.900 Euro reduziert werden. Sollte eine höhere Summe für Projekte in der Hebammenzentrale nötig sein, werde man noch einmal an dieses Gremium herantreten.

Am 15.02.2018 sei das Projekt bereits im Lenkungsausschuss der Gesundheitsregion JadeWeser vorgestellt worden, welches dort große Zustimmung bekommen habe.

Sowohl der Landkreis Wesermarsch als auch der Landkreis Wittmund hätten bereits Interesse an einem solchen Projekt bekundet.

 

Herr Dr. Fuchs stellt als wichtigen Punkt für das Projekt den demographischen Wandel und die Veränderung familiärer Strukturen heraus, da hierdurch ein immer größerer Beratungsbedarf entstehe, der zum Beispiel von den Kinderärzten in der Region nicht abgedeckt werden könne.

 

Die Kreishebamme Frau Harms-Janßen erläutert, dass es sich momentan für Schwangere oft schwierig gestalte, eine Betreuung durch eine Hebamme zu erhalten. Es müssten oftmals viele Anrufe bei verschiedenen Hebammen getätigt werden, um sowohl an einem Geburtsvorbereitungskurs teilnehmen zu können als auch eine Betreuung für das Wochenbett und die Rückbildungsgymnastik zu erhalten. Hier erfolge größtenteils eine Betreuung durch insgesamt drei verschiedene Hebammen.

In 2017 könne positiv vermerkt werden, dass im Landkreis Friesland insgesamt mindestens 760 Kinder zur Welt kamen (eine endgültige Zahl steht noch aus). Dies sind bereits 30 Kinder mehr als im Jahr 2016.

 

Die Hebammenzentrale diene als zentrale Koordinationsstelle von Hebammenangeboten aus Friesland und könne diese Angebote gezielt und transparent an Frauen aus Friesland, sowie an Frauen, die in den Friesland-Kliniken entbunden haben, vermitteln.

Außerdem könne eine bessere Vernetzung unter den Hebammen selbst erreicht werden, wie zum Beispiel die Organisation einer Vertretung während der Urlaubs- und Ferienzeiten. Hier würden insbesondere die Sommerferien ein Problem darstellen.

 

Es seien bereits jetzt 28 Hebammen in der Kartei der Hebammenzentrale gelistet. Diese seien nicht alle im Landkreis Friesland wohnhaft, aber tätig.

 

KTA Ramke fragt, wie viele Hebammen es insgesamt im Landkreis Friesland gibt und ob es aufgrund der hohen Versicherungsleistungen spürbare Einschränkungen gibt.

 

Frau Harms-Janßen erläutert, dass zurzeit im Landkreis Friesland 28 Hebammen gelistet seien (sechs angestellte Hebammen ohne freiberufliche Tätigkeit, acht angestellte Hebammen mit freiberuflicher Tätigkeit, zwei Beleghebammen im Landkreis Wittmund, zehn freiberuflich tätige Hebammen und zwei Hebammen in Elternzeit).

Bezüglich der Nachwuchsgewinnung gibt Frau Harms-Janßen ein prägnantes Beispiel. Zu Beginn ihrer Ausbildung im Jahre 2000 habe es auf 12 freie Stellen 1200 Bewerbungen gegeben, von denen ca. 60 zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurden. Alle Bewerberinnen waren Abiturientinnen.

Im Jahr 2018 gebe es für 12 freie Plätze ca. 80 Bewerberinnen. Diese hätten in den seltensten Fällen ein Abitur. Zudem bestehe die Schwierigkeit, dass das 18. Lebensjahr vollendet sein muss.

Bis zum Jahr 2020 müsse die Ausbildung der Hebammen akademisiert werden (EU-Richtlinie). Dieses sei dringend erforderlich, da die Ausbildungsdauer von drei auf vier Jahre erhöht werden müsse, um die Qualität zu wahren und weil Deutschland, zusammen mit Lettland und Litauen die einzigen Länder innerhalb der EU seien, in denen es noch keine Akademisierung gebe.

Eine deutsche Hebamme könne mit ihrem Abschluss somit zum jetzigen Zeitpunkt nicht zum Beispiel in Frankreich tätig werden.

 

Herr Germeroth stellt das Konzept der Hebammenzentrale weiter vor und verdeutlicht, dass sie nur eine koordinierende Funktion habe, um Angebote an suchende Frauen zu vermitteln.

Es könne keinerlei Beratung der Mütter erfolgen. Dies müsse im Vorfeld auch schriftlich festgehalten werden, da es insbesondere in den Krankenhäusern zu einer vermehrten Anzahl von unbegründeten Schadensersatzansprüchen komme und solche Fälle in der Hebammenzentrale durch klare Regelungen verhindert werden müssten.

Die Hebammenzentrale werde in einem Raum am Krankenhaus in Varel eingerichtet, da dort auch eine gynäkologische Abteilung und Geburtshilfe vor Ort sei.

In naher Zukunft werde eine Firma mit der Erarbeitung einer Internetpräsenz für das Projekt beauftragt. Außerdem werde ein Werbeflyer zur Auslage, zum Beispiel in gynäkologischen Praxen erarbeitet.

Ein realistischer Start des Projektes sei am 01.05.2018.

 

Herr Dr. Reiche schließt sich inhaltlich seinen Vorrednern an und betont die Wichtigkeit einer gemeinsamen Anlaufadresse.

Die Arbeit der Hebammen erfordere einen hohen persönlichen Einsatz, der zusätzlich durch hohe Versicherungsprämien, ein anspruchsvolles Qualitätsmanagement (QM) und behördliche Auflagen erschwert werde. Hier sei es wichtig, durch eine Vernetzung der Hebammen diesen Belastungen entgegenzuwirken, um so die Aufgabe des Berufes zu vermeiden.

Herr Dr. Reiche rechnet durch die Vernetzung der Hebammen mit sehr hohen Synergieeffekten, aus denen weitere Projekte und Angebote vor Ort entstehen könnten.

Des Weiteren solle es für die Hebammen Unterstützung im Bereich des QM geben. Dieses mögliche Zusatzmodul habe bereits für Aufmerksamkeit in Süddeutschland gesorgt und es sei Hilfe und Unterstützung angeboten worden.

Herr Dr. Reiche betont den positiven Effekt und die positive Aufmerksamkeit für unsere Region.

 

KTA Wilken berichtet, dass es in diesem Bereich bereits Aktivitäten im Vorwahlkampf der Kommunalwahlen 2016 vom Bündnis 90 der Grünen gegeben habe, um die Hebammen zu unterstützen. Hier habe es jedoch noch keine konkrete Idee gegeben, wie den Hebammen geholfen werden kann. Die SPD und die FDP hätten dies unterstützt.

KTA Wilken hält eine zentrale Koordinierungsstelle für sehr wichtig. Die Befristung von zwei Jahren sollte hier nicht zu eng ausgelegt werden.

 

Landrat Ambrosy antwortet daraufhin, dass die Befristung zunächst für eine Evaluation des Projektes nötig sei.

 

KTA Sudholz fragt, wo genau das Problem liege, eine Hebamme zu finden. Vor einigen Jahren seien die Frauen noch durch die Krankenhäuser oder Kinderärzte an die Hebammen weitergeleitet worden. Gibt es einen Dissens zwischen den Kinderärzten und den Hebammen? Ihr fehle hier eine Stellungnahme der Kinderärzte.

Außerdem möchte KTA Sudholz wissen, ob es nicht sowieso schon eine Vernetzung unter den Hebammen gebe. Vor einigen Jahren sei man bei Krankheit der eigenen Hebamme automatisch an eine Vertretung weitergeleitet worden. Was hat sich hier so gravierend geändert, dass das anscheinend nicht mehr der Fall ist?

Kann der vorhandene Vermittlungsbedarf nicht auch durch die Krankenhäuser abgedeckt werden?

 

Frau Harms-Janßen entgegnet darauf, dass die Krankenhäuser diese Arbeit nicht leisten könnten, da sie selbst viel zu viele Aufgaben hätten.

Es seien für die Zahl der Schwangeren viel zu wenige Hebammen da. Dies liege vor allem auch daran, dass der Landkreis Friesland flächenmäßig relativ groß sei.

Vor einigen Jahren sei eine Entlassung nach der Entbindung ohne Hebamme nicht möglich gewesen. Heutzutage betreffe dies nahezu 20 % der Frauen.

Der erste Kinderarztbesuch zur Vorsorgeuntersuchung falle in der Regel zwischen der 10. und 12. Woche an, sodass die Besuchszeit während des Wochenbetts durch eine Hebamme schon vorbei sei. Eine Vermittlung könne dann nicht mehr stattfinden.

Die gynäkologischen Praxen würden die Frauen oft zu spät informieren, sodass dann bereits alle Hebammen ausgebucht seien.

Zurzeit würden alle Frauen, die bislang keine Hebamme gefunden haben, ehrenamtlich von Frau Harms-Janßen an die Hebammen vermittelt werden. Jede Woche würden mindestens fünf verzweifelte Frauen bei ihr anrufen. Zurzeit sei sie die einzige, die als Kreishebamme über eine Übersicht verfüge, aus der hervorgehe, wo die Kolleginnen wohnen, um die Schwangeren möglichst wohnortnah zu vermitteln.

In der Stadt Wilhelmshaven werden laut Frau Harms-Janßen in den nächsten zehn Jahren 50 % der Hebammen in den Ruhestand gehen. In Friesland sei die Situation ähnlich, da kein Nachwuchs da sei.

 

KTA Sudholz merkt an, dass durch eine Koordinierungsstelle der Mangel an Hebammen nicht gestoppt werden könne.

 

Herr Dr. Reiche führt aus, dass durch diese Vernetzung und Unterstützung der Hebammen, insbesondere im QM-Bereich verhindert werden soll, dass weitere Kolleginnen aufgrund der zunehmenden Bürokratie durch das QM und der schwierigen Arbeitszeiten aufhören.

Viele Hebammen hätten den Wunsch, als Angestellte in einer Klinik tätig sein, würden eine freiberufliche Tätigkeit jedoch zunehmend ablehnen.

Herr Dr. Reiche betont noch einmal die positiven Auswirkungen auf den Landkreis Friesland. So erhalte die Klinik in Varel bereits Bewerbungen von den umliegenden Landkreisen und es seien Ärzte aus Süddeutschland an einer Mitarbeit im Bereich des QM interessiert.

 

Frau Harms-Janßen unterstützt Landrat Ambrosy in seiner Aussage, dass bereits viele andere Städte und Landkreise das Projekt beobachten und Interesse zeigen, so zum Beispiel die Stadt Emden, die Landkreise Leer, Aurich und Wesermarsch.

Der Landkreis Ammerland und die Stadt Oldenburg haben bereits eine Hebammenzentrale.

Dadurch könne hier im Norden eine noch bessere Vernetzung der Angebote erfolgen. Dies gebe es so in Deutschland noch nirgendwo.

 

Landrat Ambrosy betont nochmals, dass dieses Projekt lediglich der Anfang vieler Synergieeffekte sei.

Insbesondere im ländlichen Raum müsse auch eine gewisse „Streckenplanung“ bedacht werden, die jede Hebamme pendeln müsse. Dem könne durch eine bessere Koordinierung und Bündelung der Angebote entgegen gewirkt werden.

Außerdem stellt Landrat Ambrosy eine spätere Verankerung des Projektes in der Gesundheitsregion JadeWeser in Aussicht. Ziel und Absicht könne es jedoch nicht sein, dass Hebammen aus anderen Landkreisen abgeworben werden.

 

Frau Wittke unterstreicht mit einem persönlichen Beispiel ihrer Tochter die Notwendigkeit einer Hebammenzentrale.

 

KTA Ramke macht deutlich, dass die Hebammenzentrale ein erster positiver Anfang sei. Dennoch sollten alle Parteien diesen Anfang nutzen, um das Thema auch auf Landes- und Bundesebene präsenter zu machen und die Situation der Hebammen insgesamt zu verbessern.

 

KTA Wilken unterstützt die Aussage von Frau Wittke. Es gehe nicht nur darum, die Situation der Hebammen zu verbessern, sondern auch darum, den Bürgerinnen und Bürgern in einer solchen, nicht immer leichten Lebenslage, die Angebotssuche zu erleichtern.

 

KTA Sudholz merkt an, dass es nach einem Jahr einen Evaluationsbericht geben sollte.

 

KTA Wilken sagt, dass laut der Vorlage eine Evaluation nach zwei Jahren erfolgen solle und dass diese Zeit auch eingehalten werden sollte.

 

Landrat Ambrosy schlägt vor, dass es in den jährlichen Haushaltsberatungen einen Sachstandsbericht geben werde und die eigentliche Evaluation nach zwei Jahren erfolge.

 

Frau Harms-Janßen bedankt sich nochmal für die Unterstützung des Projektes, sie sei gerne bereit, jederzeit einen Sachstandsbericht zu geben.

 


Abstimmungsergebnis:

Nach Aufruf der Vorlage durch die Vorsitzende wurde der Beschlussvorschlag einstimmig angenommen.