Landrat Ambrosy berichtet, dass er im Januar 2018 auf Einladung des niedersächsischen Umweltministers Lies an einem Runden Tisch in Aurich teilgenommen habe.
Gemeinsam habe man sich mit Vertretern des Bundes, des Havariekommandos und der Insel- und Küstenkommunen mit der Havarie der Glory Amsterdam beschäftigt und Handlungsbedarfe erarbeitet, um die Sicherheit für die Küstenregion im Havariefall weiter zu verbessern. Der Austausch war wichtig, zur Zeit wird der Hergang des Seeunfalls und dessen Abwicklung vom Bund analysiert.
Am Rande des Runden Tisches hat der Landrat mit dem Leiter des Havariekommandos, Herrn Hans-Werner Monsees, die Teilnahme an der heutigen Ausschusssitzung vereinbart und gleichzeitig für die frühzeitigere Einbindung und Unterstützung bei Havarien durch die Landkreise geworben.

Herr Monsees stellt den Aufbau und die Kompetenzen des Havariekommandos vor und differenziert dabei nach Zuständigkeiten der Länder und des Bundes.
Das Havariekommando ist eine gemeinsame Einrichtung des Bundes und der Küstenländer und gewährleistet ein gemeinsames Unfallmanagement auf Nord- und Ostsee. Das Havariekommando bündelt die Verantwortung für die Planung, Vorbereitung, Übung und Durchführung von Maßnahmen zur Verletztenversorgung, zur Schadstoffunfallbekämpfung, zur Brandbekämpfung, zur Hilfeleistung und zur Gefahrenabwehr bezogenen Bergung bei komplexen Schadenslagen auf See sowie einer strukturierten Öffentlichkeitsarbeit.
Das Havariekommando ist im Alltagsbetrieb ein Kompetenzzentrum mit etwa 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Das Maritime Lagezentrum (MLZ) ist im 24-Stunden Dienstbetrieb mit erfahrenen Nautikern besetzt. Im Maritimen Lagezentrum wird ständig ein aktuelles, maritimes Lagebild vom deutschen Hoheitsgebiet in Nord- und Ostsee erstellt. Dabei werden alle Informationen über Umstände, die für die Bekämpfung einer komplexen Schadenslage erheblich sein können, gesammelt, aufbereitet, bewertet und gesteuert, erforderlichenfalls Alarmierungen ausgelöst und Sofortmaßnahmen eingeleitet.
Herr Monsees verdeutlicht, dass das Havariekommando nicht über eigene Führungs- und Einsatzmittel verfügt. Im Falle des Eintritts einer komplexen Schadenslage übernimmt das Havariekommando die Einsatzleitung und führt die Einsatzkräfte durch Auftragstaktik.

Im Anschluss erläutert Herr Monsees detailliert den zeitlichen Ablauf, den Driftverlauf und die Einsatzschwerpunkte der Havarie der Glory Amsterdam.
Aufgrund der Wetterbedingungen mit Windstärke 12 und hohem Wellengang gelang es trotz des schnellen Einsatzes des Schleppers Nordic nicht, eine Schleppverbindung zur Glory Amsterdam herzustellen. Aufgrund der extremen Witterungslage war ein Aufwinschen des Boardingteams von der Nordic in einen Helikopter nicht möglich, es bestand Lebensgefahr für die Einsatzkräfte.
Herr Monsees erklärt weitere Einsatzoptionen und stellt das mit einem Privatunternehmen abgestimmte Bergungskonzept vor, welches durch das Ablassen von Ballastwasser und der zusätzlichen sicheren Leinenverbindung zu zwei schweren Schleppern zum Erfolg führte.


Herr Monsees benennt eine Vielzahl von Optimierungsmöglichkeiten, die beim Eintritt von komplexen Schadenslagen an der Nord- und Ostsee zukünftig die Abarbeitung der Lage verbessern können:

- ab Windstärke 8 Verlegung von Boardingteams auf das Festland
- Schaffung von optimierten Winschflächen bei Schiffsneubauten
- zügige Realisierung der Ersatzbeschaffung für das Mehrzweckschiff Mellum
- Herausgabe von Sicherheitshinweisen für Ankerlieger bei extremen Wetterlagen
- Vor-Ort-Unterstützung durch die Pressestelle des Havariekommandos
- Optimierung der Schnittstellen zwischen Havariekommando und Aufgabenträgern
- Verkürzung und Verbesserung interner Abläufe
- Verbesserung der technischen Ausstattung im Havariekommando
- Möglichkeiten zum Draggen auf allen drei im Einsatz befindlichen Schleppern schaffen

 

Herr Monsees betont, dass sich die vorgestellten Optimierungsmöglichkeiten nicht ausschließlich aus der Einsatznachbearbeitung der Havarie der Glory Amsterdam ergeben. Zudem verdeutlicht er, dass trotz intensiver Vorbereitung die extremen Wetterbedingungen, die im Einsatz vorlagen, nicht zu beherrschen waren.

 

Im Anschluss an den Vortrag fragt KTA Esser, ob das Havariekommando die verantwortlichen Katastrophenschutzbehörden nicht hätte früher einschalten können, damit diese sich auf den Eintritt eines möglichen Schiffs-/Schadstoffunfall hätten vorbereiten können.
Herr Monsees erwidert, dass die Inseln und die anliegenden Landkreise sehr frühzeitig informiert wurden; zudem ist das NLWKN wegen einer möglichen Ölbekämpfung in Bereitschaft versetzt worden.

 

KTA Harms hinterfragt, ob die Schlepplast der in der Deutschen Bucht zum Einsatz kommenden Schlepper ausreichend ist, um mögliche Havarien zu vermeiden.
Herr Monsees betont, dass die Schlepper Mellum, Nordic und Neuwerk über einen ausreichenden Pfahlzug verfügen; stärkere Schlepper werden nicht benötigt.

KTA Esser gibt zu bedenken, dass die Kosten für die Neubeschaffung für ein Mehrzweckschiff deutlich geringer sind als die Kosten, die sich aus einer möglichen Ölkatastrophe im niedersächsischen Wattenmeer ergeben.
Herr Monsees erklärt, dass für den Neubau eines Schleppers aktuell 127 Millionen Euro geplant werden.

KTA Ratzel hofft, dass die Beteiligten aus den gesammelten Erfahrungen der Havarie Lehren ziehen und zukünftig schnellere Abläufe sicherstellen. Er fragt konkret nach, ob der Kapitän der Glory Amsterdam die nötige Kooperationsbereitschaft vermissen ließ.
Herr Monsees antwortet, dass diese Frage derzeit durch die Wasserschutzpolizei untersucht werde.

 

Herr Monsees verlässt die Sitzung um 16:27 Uhr nach TOP 5.1.1.