Sitzung: 02.09.2019 Ausschuss für Wirtschaft, Tourismus, Kreisentwicklung und Finanzen
Beschluss: zu a) mehrheitlich abgelehnt, zu b) mehrheitlich zugestimmt
Vorlage: 0762/2019
Abweichender
Beschlussvorschlag abschließend:
- Für alle Jahrgangsstufen im Landkreis Friesland ist eine kostenlose Schülerbeförderung zu prüfen.
- Der Grundsatz einer kostenlosen Schülerbeförderung für alle Schuljahrgänge ist bei der (zukünftigen) Entwicklung des Nahverkehrsplans zu berücksichtigen.
-
Der Kreis
der Anspruchsberechtigten und andere Details der Schülerbeförderungssatzung
sind im Schulausschuss zu beraten.
-
Die
endgültige Entscheidung wird im Rahmen der Haushaltsberatungen zum Haushalt
2020 getroffen.
1) Rechtliche
Grundlagen
1a) ÖPNV
Der Landkreis Friesland ist auf seinem Gebiet die für
den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zuständige Behörde und Aufgabenträger
gemäß der europäischen VO (EG) Nr. 1370/2007 und dem Niedersächsischen
Nahverkehrsgesetz (NNVG). Der öffentliche Personennahverkehr ist dabei als Teil
der Daseinsvorsorge definiert und nach § 4 NNVG den Landkreisen zugewiesen.
Bislang hat er den ÖPNV auf seinem Gebiet
(Linienverkehr) im Wesentlichen über Schülersammelzeitkarten (SSZK) finanziert.
Hierbei hatte der Landkreis keine Transparenz hinsichtlich der Erlöse bzw.
Kostensituationen der Unternehmen und keinen tatsächlichen Einfluss auf die
Linienkonzessionen, insbesondere nicht auf die tatsächlichen Qualitäten der
Verkehrsdienstleistungen gehabt. Sowohl Linienverläufe als auch die Fahrpläne
orientierten sich im Wesentlichen an der Haupteinnahmequelle der
Verkehrsunternehmen (VU), nämlich den Schülerverkehren.
Der Niedersächsische Landesgesetzgeber hat im Rahmen
der Novellierung des NNVG ab dem 01.01.2017 über die Vorschrift des § 64a
Personenbeförderungsgesetz (PBefG) den kommunalen Aufgabenträgern des ÖPNV für
ihre Aufgabenerfüllung etwa 110 Mio. € p.a. zugewiesen. In diesem Betrag sind
die bisher an die Verkehrsunternehmen direkt geleisteten Zahlungen für
rabattierte Ausbildungsverkehre gemäß der Bundesregelung des § 45a PBefG in
Höhe von 90 Mio. € p.a. enthalten (bislang über Übergangsverträge der
Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen [LNVG] geregelt). Die
Aufgabenträger erhalten aus dieser Summe anteilig den Betrag, der bisher an §
45a–Mittel an Verkehrsunternehmen auf ihrem Gebiet ausgereicht wurde.
Bis zum 21.12.2019 hat der Landkreis dann als
Aufgabenträger für den ÖPNV einen Qualitätsbericht sowie verpflichtend eine
Aktualisierung seines Nahverkehrsplans dem Land vorzulegen, um die Wirkungen
der Finanzzuweisung von Seiten des Landes transparent überprüfen zu können.
Hintergrund ist die gesetzlich angeordnete Evaluierung der Finanzzuweisungen
bis zum 31.12.2021, um bei Bedarf die ÖPNV-Mittel künftig sachgerechter auf die
Niedersächsischen Aufgabenträger verteilen zu können. Dies bedeutet, dass der
Landkreis Friesland die ihm zugewiesenen ÖPNV-Landesmitteln zur Verbesserung
des ÖPNV einsetzen muss, um nicht u.U. ab 2022 Landesmittel für den ÖPNV an
andere Aufgabenträger in Niedersachsen zu verlieren, die einen qualitativ und
quantitativ besseren ÖPNV für ihre Bürger gewährleisten. Zur erstmaligen
Aufstellung des Nahverkehrsplans können unter anderem die erstmalig
zugewiesenen Mittel nach § 7b NNVG genutzt werden.
Aufstellung und
Inhalte des Nahverkehrsplans (vgl. Vorlage 0273/2017 – BauA 23.10.2017
und 0741/2019 WTKF, BauA, KA 25.06., 10.07.2019):
Durch die gesetzlichen Neuregelungen wird der
Nahverkehrsplan künftig das wesentliche Instrument zur Steuerung der
ÖPNV-Entwicklung im Landkreis Friesland werden. Im Nahverkehrsplan werden die
wesentlichen Linienverläufe und Bedienformen sowie die Anforderungen an die
Qualitäten der Verkehrsleistungen festgelegt und der erforderliche
Finanzierungsbedarf ermittelt.
Der NVP dient ferner der Kontrolle und ggf. Anpassung
von Mehr- und Minderbedarfen bei den vom Land zur Verfügung gestellten Mitteln.
Die wesentliche Bedeutung des NVP liegt jedoch darin, dass damit der Landkreis
erstmals tatsächlich den ÖPNV in seinem Sinne gestalten und finanzieren sowie
die im NVP formulierten Ziele umsetzen kann. Hiervon würden dann auch die
SchülerInnen und Schüler sowohl in qualitativer als auch, bei den
Selbstzahlern, finanzieller Hinsicht profitieren, da den bestehenden oder nur
geringfügig modifizierten ein deutlich besseres Fahrplanangebot gegenübersteht.
Der Nahverkehrsplan befindet sich momentan in der öffentlichen
Beteiligung und wird im Dezember dem Kreistag zum Beschluss vorgelegt.
1b) Schülerbeförderung
Der Landkreis Friesland ist Träger der
Schülerbeförderung auf seinem Gebiet. Grundlage für die Anspruchsprüfung ist
dabei die Schülerbeförderungssatzung des Landkreises und der § 114 NSchulG.
Dort wird die Schülerbeförderung dem Landkreis als eigener Wirkungskreis
übertragen, den er durch seine Satzung beordnet, und den Kreis der
Anspruchsberechtigten festgelegt. Mit seiner Schülerbeförderungssatzung formuliert
der Landkreis seine Bedingungen für die Umsetzung im eigenen Wirkungskreis.
Für den Landkreis Friesland wurde der Kreis der
Anspruchsberechtigten aus dem § 114 NSchulG übernommen und keine weiteren
Anspruchsberechtigten (§ 1) hinzugefügt. Dabei ist die Beförderungspflicht
nicht an die Schulpflicht gekoppelt, sondern gesetzlich auf die Zeit bis zum
Erwerb des ersten berufsqualifizierenden Abschluss beschränkt. Damit sind die
Schüler*Innen der Oberstufen ebenso wie die in der dualen Ausbildung befindlichen
Personen vom Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeschlossen.
Die in der Satzung festgelegten Entfernungsgrenzen (§
2) sind entlang der Rechtsprechung sowie dem ehemals geltenden
Schülerbeförderungserlass entwickelt und vom Kreistag beschlossen worden.
Hierin enthalten ist bereits eine Differenzierung nach Leistungsfähigkeit nach
Altersgruppen und zumutbarer Entfernung erfolgt (§ 2 Abs. 4). Mit Hilfe eines
Geoinformationssystems (GIS) werden die Grenzen der Nahbereiche entlang der
tatsächlichen Straßen- und Wegeverläufe errechnet und können dann
karthografisch dargestellt werden. Gleichzeitig kann über die Adresspunkte
eindeutig identifiziert werden, ob der Wohnort einer/s Schülerin bzw. Schülers
innerhalb oder außerhalb eines Nahbereichs liegt. Bei Änderungen, z. B. dem
entstehen neuer Siedlungsteile, werden die Nahbereiche angepasst. In diesem
Sinne ist das Wort „orientieren“ (§ 2 Abs. 2) nicht mit einer straßenbezogenen
Einzelfallprüfung gleichzusetzen. Die Nahbereiche sind damit nichts anderes als
die rechnerisch ermittelte Überprüfung der Entfernung und deren grafische
Darstellung als Grundlage für die Ermessensentscheidungen. Satzung und
Nahbereiche stellen damit die Ausformulierung der Zumutbarkeitsgrenzen aus dem
§ 114 NSchG dar und sind für die Verwaltung bindende Vorgabe für die
Ermessensentscheidungen in der Anspruchsprüfung.
Der Rechtsanspruch auf Übernahme der
Beförderungskosten besteht für jeden Anspruchsberechtigten, so dass der
Beförderung im ÖPNV auch eine Kostenerstattung für die Übernahme von
Fahrleistungen in Privat-Pkw, begrenzt auf die maximalen Kosten für die
ÖPNV-Nutzung, erfolgen muss.
2.) Kostenlose
Schülerbeförderung für alle Schuljahrgänge:
Zu dem Antrag auf kostenlose Schülerbeförderung für
alle Schuljahrgänge bleibt, wie bereits umfänglich im Rahmen der Anfrage des
Jugendforums Jever und des Vorschlags über LiquidFriesland vom 15.03.2017 von
Herrn Striegel (BauA v. 08.05.2017 - Vorlage Nr. 0170/2017) und dem Antrag aus
11/2017 (Vorlage 0320/2017) behandelt, folgendes festzuhalten:
Die Schülerbeförderungssatzung in ihrer jetzigen
Fassung berücksichtigt bereits die Entwicklung der Schullandschaft im Landkreis
und entspricht den gesetzlichen Vorgaben, maßgeblich ist hier § 114 NSchG, bzw.
den untergesetzlichen, d. h. durch Verordnungen oder auch Urteilen
ausgebildeten Anwendungsrecht, Regelungen.
Die Schülerbeförderung ist den Landkreisen als eigenen
Wirkungskreis übertragen und steht damit auch in der eigenen finanziellen
Verantwortung der Landkreise. Ansprüche die über die Anforderungen des § 114
NSchG hinausgehen sind in diesem Sinne sich jährlich wiederholende freiwillige
Leistungen.
Für das Haushaltsjahr 2019 sind rund 4,6 Mio. EUR zur
Finanzierung der Schülerbeförderung vorgesehen. Von diesen 4,6 Mio. EUR werden
ca. 2.300.000 EUR für Fahrkarten aufgewendet und unterstützen so indirekt den
ÖPNV in der Region.
In den vergangenen Jahren sind die Kosten für die
Beförderung kontinuierlich gestiegen. Dieser Trend konnte im 2018 durch
konsequenter Einzelfallprüfung erstmalig gestoppt werden. Damit gehen mithin
nicht alle derzeit für die Schülerbeförderung aufgewendeten Mittel in die
Finanzierung des ÖPNV, sondern lediglich knapp 50%.
Die Auswirkungen des Antrags können deshalb nur
geschätzt werden, da der Kreis der Anspruchsberechtigten nur auf einer
Individualprüfung festgestellt werden kann. Im Antrag selbst ist umfasst dabei
alle Personen, für die die Schulpflicht gilt. Hierzu ist folgendes auszuführen:
Es gibt derzeit 12.089 SchülerInnen, davon 3.405
GrundschülerInnen. Die Sekundarstufe II (11.-13. Klasse) besuchen 3.525
SchülerInnen, bei Berücksichtigung des Gymnasium und der Oberstufen an der IGS
sowie den Berufsschulen (Voll- und Teilzeit).
Die 10. Klassen an Schulen mit Oberstufen
besuchen aktuell 484 SchülerInnen, davon haben 308 Anspruch auf eine kostenlose
Schülerbeförderung, das sind 63 %. Die Übergangsquoten von der 10. in die 11.
Klasse betragen ca. 90 % beim Gymnasium und ca. 50 % bei der IGS. Demnach
wechseln ca. 350 SchülerInnen in die 11. Klasse, davon hätten ca. 220 Anspruch.
(220 x 3 = 660 (Gesamtzahl 11.-13. Kl.) x 75Euro/Monat (durchschnittlicher
Preis für eine Schülermonatskarte) x 11 Monate = 550.000 Euro pro Jahr.
Von den aktuell 2.880 Berufsschülern haben im Rahmen
der derzeitigen Satzung 230 SchülerInnen Anspruch auf eine kostenlose
Beförderung, da sie das Berufsgrundschuljahr besuchen und erst danach die
notwendige Qualifikation für eine Ausbildung besitzen. Bei den Berufsschülern
liegt die Quote der Anspruchsberechtigten aufgrund der großen Einzugsgebiete
bei ca. 70 %. Sollte nun der Kreis der Anspruchsberechtigten auf alle
Berufsschüler ausgeweitet werden, hätten schätzungsweise 2.000 SchülerInnen
Anspruch auf eine kostenlose Beförderung, ca. 1.700 mehr als momentan. Demnach
würden sich Mehrkosten in Höhe von ca. 1.100.000 € pro Jahr nur für die
Berufsschüler ergeben. Grundlage ist dabei ein durchschnittlicher Preis für die
Schülermonatskarte von moderaten 60 € je Monatsfahrkarte.
Selbst wenn man diese Rechnung nur für die 1.500
Vollzeitschüler an den Berufsschulen aufstellt (Abgrenzung dann allerdings
schwierig ohne Ungleichbehandlungen herbeizuführen), ergeben sich für ca. 1.000
Anspruchsberechtigte Mehrkosten in Höhe von ca. 800.000 € pro Jahr.
Eine Ausweitung der Anspruchsberechtigung hätte somit
Mehrkosten von rund 1.300.000 EUR jährlich zur Folge.
Die angegebene Berechnung ist somit eine Hochrechnung,
basierend auf den aktuellen Zahlen der 10. Klassen bzw. der aktuellen
Schülerzahlen der Berufsschulen. Entsprechend kann ohne die konkreten Wohnorte
der SchülerInnen keine verbindliche Aussage über die Anzahl der zu befördernden
SchülerInnen getroffen werden. Für die SchülerInnen der Oberstufen wäre
mindestens ein Nahbereich von 5 km anzuwenden (analog 7.-10. Klasse, ggf.
darüber hinaus); d. h. SchülerInnen mit einem Wohnort näher als 5 km
hätten weiterhin keinen Anspruch auf Beförderung. Der Ermittlungsaufwand
wäre erheblich. Bei dieser Berechnung wurden ebenfalls noch keine SchülerInnen
berücksichtigt, die ggf. dauerhaft oder vorrübergehend mit dem Taxi befördert
werden müssen (zu weite Entfernung oder gefährlicher Weg zur Bushaltestelle,
keine zumutbare Busverbindung oder medizinische Gründe). Eine Taxibeförderung
kostet je nach Beförderungsstrecke im Durchschnitt ca. 25.000 bis 30.000 Euro
pro Schüler/Schuljahr. Eine Prognose der Kosten ist hier jedoch nicht möglich.
Eine darüber hinaus gehende, individuelle
Anspruchsprüfung a priori für alle dann neu anspruchsberechtigten Schüler in
Friesland anhand des jeweiligen Wohnortes wird hier voraussichtlich kein
günstigeres Ergebnis ergeben, da die angenommenen Durchschnittszahlen auf den
langjährigen und tatsächlichen Erfahrungswerten beruhen und eher konservativ
geschätzt sind.
Eine zusätzliche Beförderung von SchülerInnen über die
Pflichtaufgabe nach § 114 NSchG hinaus hingegen wird keine positiven
Auswirkungen auf den ÖPNV haben. Hierdurch können weder bestehende Linien
verstärkt noch neue Bedienformen finanziert werden und durch die erheblichen
Mehrkosten (mindestens 1.300.000 € pro Jahr) würden ebenfalls Mittel für den
Ausbau des ÖPNV fehlen. Eine Ausweitung des ÖPNV bedeutet für die ggf.
selbst erworbenen Fahrtenkarten eine deutliche Verbesserung, wenn bei gleichem
Preis die tatsächliche Nutzbarkeit deutlich erhöht wird (mehr Fahrtmöglichkeiten
für das gleiche Geld).
Im Rahmen des demographischen Wandels sollte
angestrebt werden, die weniger werdende Nachfrage nach öffentlichen Leistungen
der Daseinsvorsorge nicht noch weiter in der Fläche zu verteilen, da dies
sowohl zu individuellen als auch öffentlich höheren Folgekosten führt. Eine
Ausweitung der Anspruchsberechtigung würde dies begünstigen und den Bemühungen
eines NVP (siehe oben) eher entgegenstehen. Denn die individuellen Vorteile
relativ günstigerer Boden- und Immobilienpreise verursachen folgerichtig auch
höhere individuelle Mobilitätskosten, die dann von der Allgemeinheit getragen
würden.
Wohnstandorte an den zentralen Orten der Gemeinden
hingegen ermöglichen echte Familienfreundlichkeit, da sowohl eine Vielzahl von
Nachfragern gebündelt und so qualitätsvolle und schnell erreichbare Angebote
aufrecht erhalten werden können, als auch eine effiziente Bereitstellung
öffentlichen Nahverkehrs bzw. der Schülerbeförderung möglich wird. Diese
grundlegende strategische Überlegung ist zudem tragendes Element für das
aktuelle (Ziel 3.6.1 RROP 2003) sowie das in Aufstellung befindliche Regionale
Raumordnungsprogramm (RROP), das für Fachplanungen wie den NVP, die
maßgeblichen Rahmenbedingungen setzt. Zugleich ist der NVP einer der wichtigen
Bausteine zur Implementation der regionalen Strategie ist, so dass eine
Abweichung auch den selbst gesetzten Zielen des Landkreises widerspricht.
Die dort eingesparten Mittel wiederum können für den
weiteren Ausbau von Schulen und ähnlichen Infrastrukturen der Daseinsvorsorge
verwendet werden. Zudem können die Mittel auch eingesetzt werden, um attraktive
Tarife für alle Bevölkerungsschichten zu finanzieren (z. B.
Niedersachsenticket) und so den ÖPNV nachhaltiger zu stärken, als durch die
Finanzierung einer vergleichsweise kleinen Zielgruppe. Im Rahmen des
Nahverkehrsplans werden zudem weitere Optimierungen in den Bedienformen sowie
Tarifierungen ermittelt, so dass dann auch die heute nicht
anspruchsberechtigten SchülerInnen hiervon profitieren können.
3.) Aktueller Stand
der Diskussion auf Landesebene
Der Antrag befindet sich derzeit auch in intensiver
Diskussion auf Landesebene. Hierzu haben mittlerweile sowohl die
Mehrheitskoalition SPD-CDU als auch die Opposition Bündnis90/Die Grünen und die
FDP unterschiedliche Anträge in den Landtag eingebracht.
Die bislang fehlenden endgültigen Entscheidungen zu
diesen Anträgen zeigen beispielhaft die grundlegenden Probleme mit der
Ausweitung des Anspruchs auf Erstattung bzw. Übernahme der Beförderungskosten –
denn kostenlos ist die Beförderung deshalb nicht – für die Ausbildungsverkehre
auf.
Dies fängt bei einer verlässlichen Kostenschätzung an,
so dass diese je nach Modell zwischen 80 und 100 Mio. € jährlich schwanken.
Ferner zeigt es sich, dass auch der Kreis der Anspruchsberechtigten nicht so
einfach festzustellen ist, denn OberstufenschülerInnen bzw. SchülerInnen der
BBS können durchaus bereits die Mindestschulpflichtzeit erfüllt haben, befinden
sich aber dennoch Vollzeit in einem schulischen oder beruflichen Bildungsgang,
hätten aber keinen Anspruch mehr. Überdies ist der Aufwand, um z. B. eine
Rabattierung nach 7a PBfG zu ermöglichen, erheblich ist. Strittig ist zudem, ob es einen
Beförderungsanspruch oder einen Kostenerstattungsanspruch geben soll. In den o.
g. Kosten sind u. a. die bei den Landkreisen anfallen zusätzlichen
Verwaltungskosten nicht enthalten. Dieser würde für den LK Friesland sicherlich
einer vollen AK im Bereich E6 (ca. 69.000 EUR arbeitgeberseitig) entsprechen.
Zusammenfassung:
Eine landkreisseitige Einführung der kostenlosen
Schülerbeförderung für alle Schülerinnen und Schüler, die der Schulpflicht
unterliegen, bietet zwar unmittelbare Vorteile für den Kreis der Betroffenen,
zieht aber in Hinblick auf die Entwicklung des ÖPNV und der finanziellen
Dauerbelastung des Landkreises erhebliche Nachteile mit sich.
Zu den wesentlichen Nachteilen zählt insbesondere,
dass damit erhebliche Mittel zur direkten Stärkung des ÖPNV für alle
Bevölkerungsgruppen fehlen werden. Eine zusätzlich durch den Landkreis gekaufte
Fahrkarte führt zu keinem besseren Verkehrsangebot, denn Fahrtziele und
Fahrzeiten entsprechen dann weitestgehend dem heutigen Angebot. Ein
verbessertes Verkehrsangebot ist aber für alle Bevölkerungsgruppen wichtig und entlastet
die Zielgruppe des Antrags ebenfalls. Denn nur mit einem, wie z. B. im
Nahverkehrsplan vorgeschlagen, erweiterten ÖPNV-Angebot werden auch zusätzliche
Fahrten generiert. Einer Monatskarte steht dann auch ein adäquates Angebot
gegenüber, so dass mehr Fahrten realisiert werden können und der Preis pro
Fahrt damit sinkt. Überdies kann mit einem gut ausgebauten ÖPNV auch
Einsparpotenziale bei den derzeitigen Kosten der Schülerbeförderung im
Freistellungs- und Individualverkehr (Taxibeförderung) gehoben werden.
Ferner besteht weiterhin die Abgrenzungsproblematik.
Neben der schulischen Bildung sind auch StudentInnen, Personen in einem
freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahr und JahrespraktikantInnen auf den
ÖPNV angewiesen, ohne über ein Einkommen zu verfügen, dass sich aus einer
Vollzeit-Berufstätigkeit ergeben kann. Diesen Gruppen sind, ebenso wie denen
der RentnerInnen usw., ebenfalls auf ein gutes Verkehrsangebot angewiesen.
Darüber hinaus würde eine Ausweitung des Anspruchs
auch die Kostenerstattungsansprüche für die Nutzung des Individualverkehrs
beinhalten müssen, um den Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten. Hierdurch
würde kein Beitrag zur Stärkung des ÖPNV geleistet, woran aber der ländliche
Raum ein besonderes Interesse hat (siehe auch NLT Rundschreiben 528/2019 und
894/2019 nebst Anlagen).
Schlussendlich würde eine entsprechende
Satzungsänderung - bei inhaltlicher Einigkeit eines Großteils der Parteien -
den Lösungsdruck auf Landesebene verringern und den Landkreis auf Dauer erheblich
belasten.
Frau KTA Sudholz trägt namens der CDU-Fraktion ihren Antrag vor und
macht noch einmal deutlich, dass es bei diesem Antrag insbesondere um die
Chancengleichheit in der Bildung gehe, wozu unter anderem auch die kostenlose
Schülerbeförderung gehöre. Sie stelle die Ernsthaftigkeit des Landkreises wegen
der Dauer und dem Ausbleiben der Umsetzung der kostenlosen Schülerbeförderung
in Frage und fordere eine kurzfristige Entscheidung.
Frau KTA Esser bemerkt hierbei, dass ein gültiger Kreistagsbeschluss vom
18.12.2017 vorliege und somit eine erneute Beschlussfassung entfalle. (sh.
Auszug KT 18.12.2017)
In einer lebhaften Diskussion fordern die Mitglieder einerseits
gegenüber dem Land Niedersachsen eine abwartende Haltung einzunehmen, da von
dort noch immer mit einer Förderung zu rechnen sei; sollte dem entgegen der
Landkreis Friesland die Schülerbeförderung aus eigenen Haushaltmitteln,
vorbehaltlich entsprechender Einsparungen an anderen Stellen, vornehmen, so sei
die Erforderlichkeit für das Land nicht mehr nachvollziehbar und eine Förderung
bleibe von dort verwehrt.
Die CDU-Fraktion macht andererseits deutlich, dass der dringende Bedarf einer kostenlosen
Schülerbeförderung bereits seit 2013 bestehe und es zur Abwehr aller Unglaubwürdigkeit
nun an der Zeit sei, diese umzusetzen.
Herr Landrat Ambrosy bekräftigt dem entgegen, dass der Landkreis
Friesland zwar für die kostenlose Schülerbeförderung einstehe, jedoch die Frage
der Finanzierung hier noch zu klären sei. Die Schülerbeförderungskosten seien
entgegen der vorwiegenden Meinung kein Bestandteil im Nahverkehrsplan Friesland
(NVP). Insgesamt diene der NVP, der sich auf dem Wege befinde, zunächst zur
Organisation des ÖPNV, wobei auch hier die Finanzierung ebenfalls noch
ausstehe. Zur Finanzierung der kostenlosen Schülerbeförderung bedarf es vss.
ca. 1,3 Mio. Euro an Haushaltsmitteln. Diese seien für einen ausgeglichenen
Haushalt 2020 an anderer Stelle einzusparen. Um es hierbei nicht zu einer
Belastung für den Steuerzahler kommen zu lassen, müsse der Anspruch gegenüber
dem Land Niedersachsen weiterhin bestehen bleiben, um die Landesentscheidung
hierzu abzuwarten, so Herr Landrat Ambrosy. Dafür könne auch die Zeit bis zu
den HH-Beratungen noch genutzt werden.
Die CDU-Fraktion beantragt die Änderung ihres ursprünglichen
Beschlussvorschlages, wie folgt:
a) Geänderter
Beschlussvorschlag gem. des Antrages der CDU-Fraktion:
-
Für alle Jahrgangsstufen im Landkreis Friesland
ist eine kostenlose Schülerbeförderung zu
prüfen und im Haushaltsentwurf 2020 einzuplanen.
- Der Grundsatz einer kostenlosen Schülerbeförderung für alle Schuljahrgänge ist bei der (zukünftigen) Entwicklung des Nahverkehrsplans zu berücksichtigen.
Die Mehrheitsgruppe SPD/Grüne/FDP beantragt hier eine Abweichung von diesem
Beschlussvorschlag, wie folgt:
b) Abweichender Beschlussvorschlag gem. des Antrages der Gruppe:
- Für alle Jahrgangsstufen im Landkreis Friesland ist eine kostenlose Schülerbeförderung zu prüfen.
- Der Grundsatz einer kostenlosen Schülerbeförderung für alle Schuljahrgänge ist bei der (zukünftigen) Entwicklung des Nahverkehrsplans zu berücksichtigen.
-
Der Kreis
der Anspruchsberechtigten und andere Details der Schülerbeförderungssatzung
sind im Schulausschuss zu beraten.
-
Die endgültige
Entscheidung wird im Rahmen der Haushaltsberatungen zum Haushalt 2020
getroffen.
Beide Anträge beinhalten den Tenor, dass die Kosten für die
Schülerbeförderung ein großes Thema für die Haushaltsberatungen im November
2019 seien. Darüber hinaus beantragt die CDU-Fraktion deren Einplanung im
Haushalt 2020.
Über die beiden Anträge wird wie folgt abgestimmt:
zu a)
Ja: |
4 |
Nein: |
6 |
= mehrheitlich abgelehnt
zu b)
Ja: |
6 |
Nein: |
4 |
= mehrheitlich zugestimmt
Anlage:
Auszug aus
der KT-Niederschrift vom 18.12.2017
Dem Beschlussvorschlag der Mehrheitsgruppe wird mehrheitlich
entsprochen, somit wird dieser wie folgt geändert:
Abstimmungsergebnis:
Ja: |
6 |
Nein: |
4 |
= mehrheitlich zugestimmt