Beschluss: zur Kenntnis genommen

Beschlussvorschlag:

Das Gremium nimmt den Bericht zur Kenntnis.

 


Begründung:

In vielen Einrichtungen der stationären Jugendhilfe wurde ähnlich wie auch in vielen Familien zunächst so reagiert, dass die Außengrenzen deutlich höher wurden. Eine logische Folge des Kontaktverbots. Die Einrichtungen haben in den meisten Fällen durch Personalumschichtungen, Mehrarbeit und veränderten Arbeitsformen reagiert.

 

Dadurch, dass viele Außentermine nicht stattfanden, gab es ein Entlastungspotential. Bei großen Einrichtungen, die über Schulen, soziale Gruppenarbeiten oder ähnliches verfügen, konnte dieses Personal in den Gruppen eingesetzt werden. Dies hat die Wahrnehmung der in unterschiedlichen Arbeitsbereichen eingesetzten Mitarbeier*innen deutlich erweitert und die gegenseitige Wertschätzung erhöht.

Viele Jugendliche und Kinder konnten sich durch den Fortfall der schulischen Herausforderungen entspannen, zumal die erste Zeit auch in die normalen Schulferien fiel. Auf die Verunsicherungen der Erwachsenen, besonders wahrnehmbar in den sich kurzfristig verändernden Regeln und Vorschriften, reagierten die jungen Menschen sehr unterschiedlich. Passiver Rückzug bzw. die Besinnung auf sich selbst und die Selbstvergewisserung, gesteigerte Anpassung und Suche nach Kontakt zu Erwachsenen, sowie Ablenkung durch gemeinsame Aktionen waren die am häufigsten zu beobachtenden Strategien des Umgangs mit den Unsicherheiten.

 

Insgesamt wurde eine andere Art des Zusammenhalts in den einzelnen Gruppen beobachtet. Diese war viel intensiver als zu normalen Zeiten. Die Kinder und Jugendlichen hielten sich diszipliniert an die Präventionsvorgaben. In anderen Gruppen kam es aufgrund der reduzierten Kontakte und den langen Zeiten im Haus zu einer Art "Inselkollaps". Jugendliche fielen in bereits überwunden geglaubtes Verhalten zurück.

Einige Einrichtungen sind mit Jugendlichen abends des Öfteren in den Wald gefahren oder ähnlichen Orten, damit die Jugendlichen sich mal außerhalb des Hauses aufhalten und frei bewegen konnten.

Bei Jugendlichen wurden durch die stark reglementierten Kontakte zu Gleichaltrigen wesentliche Entwicklungsaufgaben und Bedürfnisse so eingeschränkt, dass sie sich massiv gestört und teilweise bestraft gefühlt haben.

Die Eltern durften die untergebrachten Kinder und Jugendlichen aufgrund des Kontaktverbotes nicht in den Einrichtungen besuchen, Heimfahrten waren jedoch zulässig. Einige Kinder wurden auch nach Hause beurlaubt. Bei einigen Einrichtungen außerhalb des Landkreises geschah dies teilweise ohne Wissen des Jugendamts.

In der Zeit nach den Ferien mussten insbesondere die kleineren Einrichtungen einen deutlich höheren Betreuungsbedarf abdecken, der durch den FB Jugend, Familie, Schule und Kultur refinanziert wurde.

Eine große Herausforderung war die im Homeschooling. Dieses wurde von den Mitarbeiter*innen im Gruppendienst als hohe Belastung empfunden. In Einrichtungen mit eigenen Lehrkräften konnte dies entspannter umgesetzt werden, da diese persönlich in den Gruppen präsent waren. Auch Schulverweigerer haben sich teilweise auf Schule wieder gefreut

 

Ambulante Hilfen

Im Bereich der ambulanten Hilfen lief es in den Einrichtungen besser als ursprünglich gedacht. Über Telefonkontakte wurde die Betreuung aufrechterhalten, Hausbesuche fanden kaum noch statt. Die Außenkontakte mit den Familien wurden zur Einhaltung der Sicherheitsabstände verändert. So fanden vermehrt Spaziergänge statt. Dies hatte auch positive Nebeneffekte. In Fällen des 8a SGBVIII sind die Mitarbeiter*innen rausgefahren, dieses auch unter Einhaltung der Hygienevorgaben. Mitarbeiter*innen, die zu den Risikogruppen zählen, hatten keine direkten Kontakte.

Die Erfahrungen mit mediengestützten Kontakten in der Eingliederungs- und Erziehungshilfe waren besser als befürchtet. Einige Formen werden wohl auch zukünftig genutzt werden.

Die Hilfen wurden teilweise ohne weitere Planung für einige Monate verlängert. Bei wichtigen Entscheidungsfragen wurden, videobasierte Kontakte hergestellt, um solche Prozesse organisieren zu können. In allen Einrichtungen wurden deutlich weniger Hilfen angefragt. Aktuell gibt es einen Rückstau von noch ausstehenden Gesprächen, Hilfeplänen und neuen Hilfen.

 

Andere Lebensbereiche

Problematisch waren die unterschiedlichen Sichtweisen der Beteiligten bei der Entscheidung über Notbetreuungen in Schulen und Kindergärten.

 

Aufgrund der Schließung der Jugendzentren trafen sich Jugendliche und Heranwachsende teilweise an den bekannten Orten; z.B. Varel an der Weberei oder am Schlossplatz. Die Anzahl der jungen Menschen dort variierte beispielsweise zwischen sechs und 17 Personen. Ansonsten trafen sich Jugendliche auch an privaten Orten (elterliche oder eigene Wohnungen). Dass sich junge Menschen „real“ und nicht „virtuell“ zur Zeit des Lockdowns getroffen haben, unterstreicht noch einmal die Wichtigkeit der Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Es gab aber wohl auch „virtuelle Zusammenkünfte um Alkohol zu trinken.

 

Von der Polizei aus Varel wurde in der Zeit des Lockdowns kein Anstieg an Meldungen über Gewalt in den Familien verzeichnet. Ein Anstieg der Gefährdungsmeldungen im Jugendamt konnte ebenfalls nicht beobachtet werden. Ein Rückblick aus derzeitiger Sicht, bestätigt eher, dass die Familien sich eher mit den „äußeren Veränderungen/Bedrohungen“ auseinandergesetzt haben. Im Laufe der Zeit hat diese Bewältigungsstrategie allerdings an Wirksamkeit eingebüßt und es zeigten sich – insbesondere bei den wirtschaftlich bedrohten Familien – Anzeichen von Überforderung.

 

Der ASD brachte in der Zeit des Lockdowns insgesamt acht Kinder und Jugendliche unter. Diese Unterbringungen hatten keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der Covid 19-Pandemie.

 

Einige Familien nutzten die Umgangsbeschränkungen, um Kontakte zum anderen Elternteil zu behindern. Dies waren aber Einzelfälle. Der Umgangsteff in Varel hat gut funktioniert um auch in diesen Zeiten die Eltern gut begleiten können – Dank dem guten Wetter.

 

In Ergänzung zur Vorlage stellt Frau Renken den Einfallsreichtum der ambulanten und stationären Jugendhilfeeinrichtungen in der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen in der Zeit des „Lookdown“ heraus.  Mit großem Einsatz konnte der ansonsten personell unbesetzte Vormittagsbereich, auch in kleineren stationären Einrichtungen, abgedeckt werden. In den ambulanten Hilfen zur Erziehung und auch in der Eingliederungshilfe wurden die Kinder und ihre Familien durch den vermehrten Einsatz von digitalen Medien erreicht. Neben Telefonaten  wurden Hausbesuche und Spaziergänge verabredet. Im Eingliederungsbereich ist der Eindruck einer besseren Förderung der Kinder und Familien entstanden. Derzeit wird mit den Familien und freien Trägern erörtert, ob und welche digitalen Methoden beibehalten werden sollen. Ein Anstieg in den Fallzahlen der Kindeswohlgefährdungen, die ursächlich auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sind, wurde in keinem Bereich, weder in Friesland noch im gesamten Weser-Ems-Gebiet, verzeichnet. Auch auf Nachfrage des Landes Niedersachsen ergab sich kein anderes Ergebnis. Möglicherweise wird es mit Beginn der Schule noch Meldungen geben.

 

Auf Nachfrage wie sich Anzeichen von Überforderung in den Familien darstellen, erklärt Frau Renken die Situation in einigen Familien. Beispielsweise sehen sich Familien durch den Wegfall der Betreuung in KiTa und Schule einer ungewohnten Fülle an Zeit mit den Kindern gegenüber. Hinzu kommt vielleicht noch eine räumliche Enge, die es auszuhalten gilt. Hier treten vermehrt Konflikte in den ohnehin schon unterstützungswürdigen Familien auf. Eine angeschlagene wirtschaftliche Situation, verursacht z.B. durch Kurzarbeit, stellte zudem eine Belastung dar. Hier wurden seitens des Jugendamtes vermehrt Hilfen eingesetzt.

Die Frage, ob die Erfahrung der letzten Zeit einer geänderten Konzeption bedarf verneinte Frau Renken. Sie betont aber die Notwendigkeit einer gut funktionierenden und transparenten Kommunikation mit allen Bereichen der Jugendhilfe. Gerade in der vergangenen Zeit, in der sich täglich neue Informationen überholten, ist es wichtig den Kommunikationsweg schnell und verlässlich zu gestalten.

 

Frau Vogelbusch bestätigt die gute Arbeit der Mitarbeiter*innen und durchdachten Maßnahmen des Jugendamtes. Als Beispiel führt sie eine Veröffentlichung des Nds. Kultusministeriums „Erkältungssymptome: Darf mein Kind in die Schule“ (siehe Anlage) an, die seitens des Jugendamtes noch einmal an alle Kindergärten und Schulen verschickt wurde. Darüber hinausgehende Entscheidungen trifft das Gesundheitsamt. Im Allgemeinen ergibt sich ein besserer Umgang mit den Herausforderungen der Pandemie aus den Erfahrungen heraus und oft kann ein guter Mittelweg, auch in Abstimmung mit den Freizeiteinrichtungen, gefunden werden.

 

Erfreulich sei insgesamt, dass sich die großen Befürchtungen hinsichtlich der Entwicklungsverläufe in der Jugendhilfe im Rahmen der Beschränkungen nicht bestätigt haben. Auf Nachfrage bestätigt Frau Renken die Fortsetzung der AG 78. Während der Corona-Zeit gab es einen anlassbezogenen Austausch.

 

 

 


Abstimmungsergebnis:

einstimmig