Nachtrag: 25.09.2020 Nummer 1

Beschluss: in Abänderung des Beschlussvorschlages beschlossen

Beschlussvorschlag:

 

1.    Der Finanzierung von Verstärkerbussen bei Belegung von über 40 % der Stehplätze und der Erstattung von einer Kilometerpauschale bei Nutzung des Fahrrades wird zugestimmt.

 

In Abänderung des Beschlussvorschlages:

 

2.    Die Verwaltung wird ermächtigt, den Einsatz von Verstärkerbussen zu reduzieren soweit es das Infektionsgeschehen zulässt. Ebenso wird sie ermächtigt, bei nachhaltig steigenden Zahlen erneut Verstärkerbusse anzufordern.

 


Zu Beginn des neuen Schuljahres (27.08.2020) wurde der Präsenzunterricht an den Schulen im Landkreis Friesland im eingeschränkten Regelbetrieb wieder aufgenommen. Im Landkreis müssen täglich ca. 5000 Schülerinnen und Schüler (Bus, Bus-Selbstzahler, + Taxi), davon rund 3.800 unmittelbar täglich in der Busbeförderung, zu 50 verschiedenen Schulen, auch über die Landkreisgrenzen hinaus, befördert werden. Dafür sind zu den Stoßzeiten ca. 50 Busse auf 37 Buslinien im Einsatz, welche die Beförderung im Rahmen der Schülerbeförderungssatzung durch ein komplexes, über Jahrzehnte hinsichtlich Fahrtzeiten und Kapazitäten optimiertes Liniennetz sicherstellen.

 

Entsprechend der Corona-Verordnung des Landes Niedersachsen in der aktuellen Fassung gilt im Öffentlichen Personennahverkehr (auch an den Haltestellen) die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung, da der Abstand nur bedingt eingehalten werden kann. Die Einhaltung der Maskenpflicht im ÖPNV wird seit Beginn des Schuljahres durch das Gesundheitsamt und die Polizei kontrolliert. Des Weiteren weisen auch die Busunternehmen ihre Fahrgäste auf die Maskenpflicht hin und schreiten bei Verstößen entsprechend ein. Zu Beginn des Schuljahres wurde zudem dazu aufgefordert, vermehrt das Fahrrad zu nutzen. Wichtig ist hier auch, dass eine Stehplatzbeförderung im Linienverkehr ausdrücklich zulässig ist. Eine dauerhafte Beibehaltung der Reduzierung der Stehplätze würde dem gesetzlichen Auftrag zu einer wirtschaftlichen Schülerbeförderung widersprechen, da die – in vielen Fällen nicht erreichte - Vollbesetzung der Busse (maximale Anzahl an Sitz- und Stehplätzen laut Zulassungsbescheinigung) rechtlich zulässig und für eine wirtschaftliche Durchführung der Schülerbeförderung erforderlich ist.

 

Aufgrund des veränderten Infektionsgeschehens soll nunmehr eine neue Bewertung der Schülerbeförderung im ÖPNV mit dem Ziel erfolgen, die Beförderung mit den Anforderungen der Hygienepläne der Schulen in Einklang zu bringen. Dies würde eine Beförderung unter Einhaltung der Abstandsbedingungen von jederzeit mind. 1,50 m oder der Einhaltung des Kohortenprinzips bedingen.

 

Beide Anforderungen bedingen eine erhebliche Aufstockung des Fahrmaterials und von Fahrern. Um die Einhaltung des Abstandes von 1,5 Metern in den Bussen zu gewährleisten, dürften die Busse nur noch mit maximal 25 Personen (Doppeldecker oder Gelenkbus) besetzt werden, bei einem Solobus sind es mit 12 Personen nochmals deutlich weniger. Bei einer rechnerisch durchschnittlichen Belegung von 76 SchülerInnen pro Bus müsste mindestens die dreifache Anzahl (ca. 150) an Gelenkzugbussen und Fahrern eingesetzt werden. Bezogen auf Solobusse sogar rund das 6-fache mit mehr als 300 Fahrzeugen und Fahrpersonal. Selbst bei einem hälftigen Einsatz von Gelenkzügen und Solobussen eine immer noch immens hohe Zahl zusätzlicher Busse und Fahrer.

 

Auch eine Trennung der Schulen würde zu einem ähnlichen Ergebnis führen, da Schüler aus allen Städten und Gemeinden und deren Ortsteilen zu den unterschiedlichsten Schulen befördert werden und eine Linie immer mehrere Schulen bedient bzw. mit mehreren Schulen über Umsteigebeziehungen verknüpft ist (z.B. Hooksiel zur BBS Jever, Elisa-Kauffeld-Oberschule, KGS Wittmund, IGS Friesland-Nord, Mariengymnasium Jever, Oberschule Hohenkirchen, Grundschule Tettens; Beispiel Linienverlauf: Linie 223 über Hohenkirchen nach Jever, Umstieg in Jever in die 219 Rtg. Schortens oder die 313 nach Wittmund). Eine Trennung der


SchülerInnen muss also schon ab Starthaltestelle erfolgen, so dass bspw. auf der o. g. Linie auf der gleichen Strecke 4 bis 5 Busse hintereinander fahren. Nach Angaben der Busunternehmen sind hierzu rund 90 zusätzliche Busse und Fahrer erforderlich.

 

Entsprechend verhalten sich die Kosten. Angenommen, die Regelung gelte für 100 Schultage, würden sich die Kosten in etwa wie folgt darstellen. Bei zusätzlich erforderlichen 100 Bussen und 600 EUR pro Bus für 2 Fahrten kommen je Tag rund 60.000 € auf den Landkreis an Kosten zu. Entsprechend rund 6.000.000 € für einen Zeitraum von 100 Tagen. Für das Jahr 2020 sind an Kosten für Busfahrkarten rund 2,2 Mio. € im Haushalt vorgesehen.

 

Der Einsatz von Bussen im Freistellungsverkehr hingegen würde entsprechende Vergabeverfahren erfordern. Bei den anstehenden Summen von > 210.000 € insgesamt kommt zudem ein EU-weites Vergabeverfahren in Betracht, sodass nicht notwendigerweise die regionalen/lokalen Busunternehmen zum Zuge kommen. Ferner muss im Freistellungsverkehr sichergestellt werden, dass ausschließlich Schüler mit Beförderungsanspruch diesen Bus nutzen; für den Jedermannverkehr, also auch die selbstzahlenden Schüler, besteht kein Mitnahmeanspruch.

 

Diese Fahrkarten müssten bei den Linienbusunternehmen eingezogen werden, sodass es dort zu weiteren Einnahmeausfällen kommt und, besonders wichtig, es muss zuvor eine Auswahl der SchülerInnen stattfinden, die vom Freistellungsverkehr profitieren. Zudem würde eine vertragliche Bindung im Freistellungsverkehr dazu führen, dass die Busse nicht entsprechend der Infektionslage bzw. Fahrgastnutzung zu- und abbestellt werden können. Somit bietet der Freistellungsverkehr keine günstigere oder schnellere Lösung zur Entlastung und die Lösung im Linienverkehr ist vorzuziehen. 

 

Insgesamt wird an den oben genannten Zahlen deutlich, dass eine vollständige Umsetzung der Anforderungen gemäß der Hygienekonzepte nicht realistisch ist, da die bei den im Kreisgebiet linienbetreibenden Busunternehmen zur Verfügung stehenden Busreserven und entsprechende Fahrer hierfür nicht, schon gar nicht kurzfristig, aktivierbar sind. Zudem besteht keine Kostenregelung mit dem Land Niedersachsen.

 

Somit bleibt nur noch die Möglichkeit zur Entlastung besonders stark ausgelasteter Relationen zu prüfen. Als stark ausgelastet werden demnach 12 Fahrten auf 8 Linien eingestuft, bei denen die Besetzung der Busse mit 100 % der Sitzplätze und 40 % der Stehplätze überschritten wird. Dies erfolgt analog zu den Vorgaben des Landes Baden-Württemberg, welches bei Überschreitung dieser Grenze den Einsatz von Verstärkerbussen fördert, um zu verhindern, dass die stehenden Fahrgäste zu dicht aneinander stehen. Es sei angemerkt, dass auch hierbei der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann. Eine Pflicht zur Mund-Nase-Bedeckung besteht dort ebenfalls weiterhin.

 

Die Busunternehmen wurden nunmehr aufgefordert, bis zur erneuten Wiederaufnahme des (eingeschränkten) Regelbetriebes, frühestens nach den Herbstferien, den Einsatz von Verstärkerbussen für stark ausgelastete Linien zu gewährleisten. Eine solche Vorgehensweise ermöglicht die Abrechnung zusätzlicher Mittel aufgrund zusätzlicher Leistungen im Linienverkehr. Aktuell stellt das Land Niedersachsen für solche Verstärkerbusse im Linienverkehr keine weiteren Mittel bereit. Eine Umsetzung innerhalb des ÖPNV-Systems ermöglicht jedoch voraussichtlich eine mögliche spätere Abrechnung, da hierfür bestehende Mechanismen vorhanden sind, bspw. Erhöhung der Zuweisungen nach § 7a NNVG. 

Diesbezüglich hat bereits eine Ermittlung der stark ausgelasteten Linien stattgefunden, um den voraussichtlichen Bedarf zu ermitteln. Dafür werden bei Vollauslastung maximal 12 Verstärkerfahrten (8 Busse) auf 6 Linien (121, 215, 216, 219, 220, 313) benötigt. Daraus resultieren Mehrkosten in Höhe von rund 150.000 € bis zum Ende des Jahres. Eine Deckung hierfür ist im Ergebnishaushalt 2020 nicht gegeben. Eine Deckung dieser Aufwendungen würde dazu führen, dass weniger Liquidität für Investitionen zur Verfügung steht. Zur Deckung dieser Auszahlungen müssten daher bereits geplante Investitionen reduziert oder diese ggf. auch durch neue Kredite finanziert werden. Gemäß der Haushaltssatzung für 2020 ist eine neue Kreditaufnahme für Investitionen bis z.H. von rd. 2,267 Mio. möglich.

 

Der Einsatz der Verstärkerbusse soll zunächst bis zu den Osterferien [Ende Winter i. S. d. Schülerbeförderung] gewährleistet werden, sodass sich für das Haushaltsjahr 2021 Mehrkosten in Höhe von 180.000 € ergeben, welche bereits in die Haushaltsplanung 2021 mit aufgenommen wurden. Sollte sich die Situation bis zu den Osterferien derart positiv verändern (keine Neuinfektionen über mehrere Wochen und/oder Verfügbarkeit eines Impfstoffes), dass eine Entlastung der Schülerbeförderung nicht mehr erforderlich ist, wird der Einsatz der Verstärkerbusse wieder eingestellt. Dies ist auch zwingend erforderlich, damit die Mittel nicht langfristig für die Umsetzung des Nahverkehrsplanes fehlen.

 

Eine alternative Ermittlung des Bedarfs bei ausschließlicher Nutzung der Sitzplätze hat ergeben, dass dafür ca. 60 Verstärkerfahrten pro Tag notwendig wären. Dies ergäbe allein bis zum Ende des Jahres Mehrkosten in Höhe von ca. 750.000 €. Zudem bestünde wieder das Problem der Beschaffung von zusätzlichen Bussen und Fahrern (ca. 30).

 

Fahrradnutzung: Analog zum Landkreis Aurich möchte der Landkreis Friesland ebenfalls die freiwillige Nutzung des Fahrrades für den Schulweg trotz Fahrkartenanspruch finanziell attraktiver machen, um die Busse dadurch zusätzlich zu entlasten. Schülerinnen und Schüler, die dauerhaft das Fahrrad für den Schulweg nutzen und ihre kostenlose Fahrkarte an den Landkreis zurückgeben, können die Erstattung einer Kilometerpauschale (0,23 € pro km) für den Schulweg beim Landkreis beantragen. Dies fördert den Individualverkehr ohne vor den Schulen die Verkehrssituation zu verschärfen.

 

Zusammenfassend betrachtet wird deutlich, dass die vollständige Umsetzung der Hygienekonzepte unter den heutigen finanziellen und tatsächlichen Bedingungen, hier vor allem die Verfügbarkeit von Bussen und Fahrern, weiterhin nicht möglich ist. Der Einsatz von punktuellen Verstärkerbussen wird die Gesamtsituation nur bedingt erleichtern, da u. a. auch das Nutzerverhalten für die gleichmäßige Auslastung der Busse erforderlich ist, und die Anforderungen der Hygienekonzepte nicht eingehalten werden können. Ferner wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass unter dem Aspekt der Gleichbehandlung vor allem der künftigen Kostenentwicklung auch weiterhin die Nutzung Stehplätzen nicht ersetzbar ist.

 

 

 

Ausschussvorsitzender Ulfers liest zu Beginn des Tagesordnungspunktes den Antrag der Partei Zukunft Varel, welchen KTA Haesihus ergänzend zum Beschlussvorschlag vorgelegt hat.

 

Der ergänzende Beschlussvorschlag lautet wie folgt:

 

  1. Der Landkreis nimmt Kontakt mit „allen Busunternehmern“ in der Region auf und fragt ab, wie viele weitere Busse (inkl. Fahrer) für die Schülerbeförderung zur Verfügung gestellt werden können. Die Ergebnisse dieser Befragung werden den Kreistagsabgeordneten zeitnah zur Verfügung gestellt.
  2. Da es sich dabei teilweise auch um von der Schülerbeförderung ausgenommene Reisebusse handeln dürfte, nimmt der Landrat umgehend persönlichen Kontakt mit dem zuständigen Minister der Landesregierung auf, um die dafür benötigte(n) Sondergenehmigung(en) für den Landkreis zu erwirken.

 

Der Antrag der Partei Zukunft Varel wurde abgelehnt und soll weiterhin in den Fraktionen beraten werden.

 

Ja:

1

Nein:

1

Enthaltung:

9

 

KTA Homfeldt äußert die Irritation der CDU zum Problem der Schülerbeförderung, denn es sei bereits im Mai / Juni angesprochen worden und voraussehbar gewesen. Dennoch bringe der aktuell erarbeitete Lösungsvorschlag Erleichterung, dieser müsse jedoch schnellstmöglich umgesetzt werden. Die CDU lobe die tollen Hygienekonzepte in den Schulen und die großartige Arbeit die dort geleistet werde, darum bittet die CDU die Kreisverwaltung, die nächsten Wochen zu nutzen, alle Wege, auch die scheinbar unmöglichen, auszuleuchten und gangbar zu machen.

 

In Ergänzung zu seinem Vorredner merkt KTA Haesihus an, dass es ein durchgängiges Konzept geben solle, welches nicht am Bus zu Ende sei.

 

KTA Langer bittet um die Streichung der Wörter „oder einzustellen“ im zweiten Absatz des Beschlussvorschlages. Die Bündnis 90/DieGrünen möchte der Verwaltung den Spielraum, den Einsatz von Verstärkerbussen einzustellen, nicht geben.

 

Herr Neuhaus fasst für alle Anwesenden die Details des Tagesordnungspunktes zusammen.

 

KTA Homfeldt möchte zum richtigen Verständnis wissen, ob nur mit den Partnern des Landkreises oder auch mit allen verfügbaren Busunternehmen gesprochen wurde.

 

Herr Neuhaus nimmt dazu Bezug und erklärt, dass die Gespräche ausschließlich mit den Partnern des Landkreises geführt wurden, weil diese über den Linienverkehr organisiert seien und sich zum Teil an anderen Unternehmen bedienen, die sich hier in der Region befinden. Der Überblick an Verfügbarkeiten sei daher am besten bei den Linienbusunternehmen.

 

KTA Homfeldt bat um Auflistung, der von der Kreisverwaltung angefragten Busunternehmen (inkl. des Zeitpunktes) und darum, diese als Nachtrag mit ins Protokoll aufzunehmen. Zudem stellt Herr Homfeldt die Frage, ob eine Prüfung stattgefunden habe, zusätzliche Busse im Freistellungsverkehr ausschreiben zu müssen.

 

Herr Neuhaus teilt mit, dass die Prüfung einer Ausschreibung nicht stattgefunden habe, da eine Umsetzung im Linienverkehr schneller gehe.

 

Nachtrag zum Tagesordnungspunkt:

 

Die Absprache über die erforderlichen Änderungen von Buskapazitäten auf den von den Unternehmen (WEB / Bruns) jeweils betriebenen Linien finden turnusgemäß rechtzeitig vor Beginn des neuen Schuljahres in Form laufender Gespräche und Meldungen statt. Dies schwerpunktmäßig i. d. R. vor den Sommerferien und zum Ende der 2. Hälfte der Ferien, da sich in diesem Zeitraum bei den Schülerzahlen und vor allem den besuchten Schulen noch vielfache Änderungen ergeben.

 

In diesem Rahmen der Abstimmung wurde auch angefragt, ob die Unternehmen, ggf. unter Hinzuziehung von Nachunternehmern, die Verstärkung der Busflotte so erfolgen kann, dass die erforderlichen Mindestabstände eingehalten werden können. Übereinstimmend wurden hier die fehlenden Reserven zur Erreichung des Mindestabstands seitens der Linienbetreiber bestätigt. Zudem ist eine Integration in den Linienverkehr (siehe Vorlage) aufgrund der schnelleren Umsetzungsmöglichkeit zu bevorzugen und von daher sind die Linienbetreiber hier prioritäre Ansprechpartner.

 

Die Linienbetreiber fordern bei Bedarf (d.h. entsprechender Auftragslage und Vergütung) weitere Fahrzeuge bei anderen Verkehrsbetrieben und Reiseunternehmen an, wenn diese zur Verfügung stehen. Ein entsprechender Auftrag wird auf Grund der neuen Beschlusslage erteilt. Im Einzelnen werden mit folgenden Unternehmen regelmäßig Gespräche geführt: Weser-Ems Busverkehr und Bruns-Reisen; mit den Firmen Edzards (zwei Linien) und Fass-Reisen (eine Linie) finden Abstimmungen nur nach Bedarf statt, da diese Linien gering ausgelastet sind (Abfrage bzgl. Auslastung hat stattgefunden).

 

 

Anlage:

Antrag der Partei Zukunft Varel


Abstimmungsergebnis:

 

zu 1. und 2. einstimmig beschlossen

 

Ja:

11

Nein:

0

Enthaltung:

0