Beschluss: in Abänderung des Beschlussvorschlages beschlossen

Beschluss:

 

Der Jugendhilfeausschuss beschließt sodann, den Antrag der Gruppe SDP/Grüne/FDP zunächst zurückzustellen und beauftragt die Verwaltung mit der Einholung weiterer Informationen.

 


Zum Antrag der Gruppe SPD/Grüne/FDP zur Möglichkeit der Anstellung von Tagespflegepersonen bei einem freien Träger hat die Verwaltung mit Vorlage 0170/2022 die Ausgangslage dargestellt:

 

Im Landkreis Friesland betreuen derzeit 43 selbständig tätige Kindertagespflegepersonen 186 Kinder.

 

In der Regel betreut eine Kindertagespflegeperson bis zu fünf Kinder gleichzeitig im eigenen Haushalt, im Haushalt der Eltern oder in einer Großtagespflegestelle. Großtagespflege bedeutet, dass sich mehrere selbständig tätige Kindertagespflegepersonen zusammengeschlossen haben und in geeigneten, vom Jugendamt geprüften Räumlichkeiten betreuen.

 

Die Betreuung in kleiner Gruppe mit fester Bezugsperson und die familienähnliche Atmosphäre zeichnen die Kindertagespflege aus. Es ist ein flexibles Betreuungsangebot, welches auf die individuellen Bedarfe des Kindes und seiner Familie zugeschnitten werden kann.

 

Kindertagespflege ist in der Regel eine selbstständige Tätigkeit. Die Möglichkeit, Kindertagespflegepersonen über einen freien Träger anzustellen, ist jedoch gegeben, wie das BMFSFJ im Handbuch Kindertagespflege darlegt.

Laut Auskunft des Niedersächsischen Kindertagespflegebüros ist keine Kommune bekannt, die aktuell das Modell der Festanstellung von Kindertagespflegepersonen in Niedersachsen anbietet.

Beispiele für Modelle außerhalb Niedersachsens, die die Möglichkeit einer Festanstellung von Kindertagespflegepersonen bieten, finden sich z.B. in den Städten Düsseldorf oder Kiel. Hier wird neben der selbstständigen Tätigkeit auch eine Festanstellung durch freie Träger angeboten.

 

Das Gremium nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Ausgangslage zur Kenntnis.

 

 

Für die Tagesordnungspunkte 8.1, 8.2 und 9.1 gibt Frau Sudholz die Sitzungsleitung an Herrn Kruse ab, da sie sich mit Wortbeiträgen beteiligen möchte.

 

Frau Esser erläutert, dass die Möglichkeit einer Anstellung von Tagespflegepersonen bei einem Träger der freien Jugendhilfe - als zusätzliches Angebot - eine interessante Alternative zur Selbständigkeit sein könnte.

 

Frau Sudholz ist irritiert über den Vorschlag. Aus ihrer Sicht wäre es notwendig gewesen, sich vor der Antragstellung über die Haltung der Tagespflegepersonen zu informieren; sich mit den Menschen, die der Antrag betrifft, zu treffen und sie zu fragen, was ihnen wichtig sei: Tagespflegepersonen wünschen sich Ausgleichszahlungen für Urlaubs- und Krankheitszeiten, um Ausfallzeiten abdecken zu können und weiter qualitativ hochwertig arbeiten zu können. Sie prognostiziert, dass sich - bei Anstellung bei einem Träger der freien Jugendhilfe - das Angebot der Kindertagespflege auflösen werde, da den Tagespflegepersonen die Grundlage entzogen wird.

 

Frau Vogelbusch führt aus, dass dem Landkreis Friesland tatsächlich Anfragen von 4 Tagespflegepersonen, die Interesse an einer Anstellung haben, vorliegen. Der Landkreis Friesland hat eine Anstellung abgelehnt, gleiches gilt für die kreisangehörigen Städte und Gemeinden; die Anstellung bei einem freien Träger könnte somit eine Möglichkeit sein, dem Wunsch dieser Tagespflegepersonen zu entsprechen. Zudem würde das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern um ein zusätzliches Angebot erweitert. Sofern die Verwaltung mit einer weiteren Prüfung beauftragt wird, würde natürlich auch eine Abfrage bei den Tagespflegepersonen erfolgen, ob sie Interesse an einer Anstellung hätten. Nach Recherchen des Fachbereiches Jugend, Familie, Schule und Kultur gibt es das Angebot einer Anstellung von Tagespflegepersonen bei einem freien Träger der Jugendhilfe bislang nur in Kiel und Düsseldorf.

 

Frau Esser bekräftig, dass es nicht darum gehe, die selbständige Tätigkeit von Tagespflegepersonen „einzustampfen“, sondern die Möglichkeit eines weiteren Standbeines zu schaffen.

 

Frau Renken erläutert, das Thema sei auch bei dem letzten Netzwerktreffen der Tagespflegepersonen besprochen worden. Tagespflegepersonen wünschen sich in ihrer Tätigkeit genau diese Vielfalt; so gibt es Tagespflegepersonen, die eine Absicherung durch Anstellung wünschen, Tagespflegepersonen, die selbständig tätig und zugleich abgesichert sein möchten und Tagespflegepersonen, für die eine finanzielle Absicherung eher hintergründig ist. Sofern die Verwaltung mit einer entsprechenden Prüfung beauftragt wird, würden die Tagespflegepersonen selbstverständlich an einer Konzepterstellung beteiligt werden. Auch der Elternwille sei abzufragen, da letztendlich die Erfüllung des Rechtsanspruchs auf Förderung in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege Ziel der Arbeit des Jugendamtes ist.

 

Frau Sudholz merkt an, dass es sicherlich Gründe gebe, warum die Möglichkeit einer Anstellung von Tagespflegepersonen bei einem Träger der freien Jugendhilfe derzeit nur an zwei Standorten vorhanden sei. Im Landkreis Friesland ist ein qualifiziertes Angebot für Tagespflege vorhanden. Wenn sich Tagespflegepersonen anstellen lassen wollen, liege dies an der fehlenden finanziellen Absicherung. Hier schließt sich der Antrag der Gruppe CDU/ZV/UWG/WPW an, da sich bei einer finanziellen Absicherung durch den Landkreis Friesland eine Anstellung bei einem Träger der freien Jugendhilfe erübrigt. Die dafür von der Verwaltung bezifferten Kosten in Höhe von 100.000 € im Jahr stellen zwar freiwillige Leistungen dar, die bei politischer Willensbildung aber finanzierbar wären. Zudem gibt es andere Träger der öffentlichen Jugendhilfe, die Ausgleichszahlungen leisten.

 

Frau Vogelbusch führt aus, es sei schwierig über die Beweggründe der an einer Anstellung interessierten Tagespflegepersonen zu spekulieren. Die Verwaltung hat den an sie herangetragenen Wunsch aufgenommen und würde ggf. die Möglichkeit prüfen. Bezüglich der Zahlung von Ausfallgeldern geht es nicht um die Einsparung von 100.000 € pro Jahr, sondern um rechtliche Bedenken der Verwaltung. Der Landkreis Friesland ist in der Vergangenheit geprüft worden und hat entsprechende Sozialversicherungsbeiträge wegen Scheinselbständigkeit nachzahlen müssen. Die Deutsche Rentenversicherung hat in einer angeforderten Stellungnahme nicht mitgeteilt, dass die Zahlung von Ausfallgeldern grundsätzlich unproblematisch sei, sondern die Notwendigkeit von Einzelfallprüfungen betont. Letztendlich hat sich der Kreistag daher gegen die Zahlung von Ausfallgeldern entschieden.

 

Frau Sudholz entgegnet, dass inzwischen zahlreiche Urteile gegen eine Scheinselbständigkeit trotz Zahlung von Ausfallgeldern vorliegen und dies auch regelmäßig in den politischen Gremien dargestellt wird. Es geht sehr wohl um die Zahlung freiwilliger Leistungen.

 

Für Frau Esser ist es nicht in Ordnung, dass die Ablehnung von Ausgleichszahlungen als Sparmodell dargestellt wird. Hintergrund ist die rechtliche Prüfung.

 

Frau Kaiser-Fuchs teilt mit, in Niedersachsen hat es in der Kindertagesbetreuung schon immer eine große Trägervielfalt gegeben und das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern umfasst auch die Trägerschaft. Daher sei es sinnvoll, dass die Verwaltung prüft, welche Angebotsmöglichkeiten für Kinderbetreuung vorhanden sind und welche vorgehalten werden sollten.

 

Frau Renken erklärt, niemand wolle den Tagespflegepersonen schaden. Ziel ist, dass Kinder und ihre Eltern eine Variantenvielfalt der Kinderbetreuung vorfinden; dies ist auch im Rahmen der Handlungsschwerpunkte und mittelfristigen Entwicklungsziele berücksichtigt. Es muss stetig überprüft werden, wie dieses Ziel erreicht werden kann.

 

Frau Lammers schließt sich den vorherigen Ausführungen von Frau Vogelbusch und Frau Renken an. Der Antrag der Gruppe SPD/Grüne/FDP zielt ausschließlich auf die Prüfung der Möglichkeit einer Anstellung von Tagespflegepersonen ab, um weiter im Sinne von Kindern, Eltern und Tagespflegepersonen entscheiden zu können.

 

Herr Langer bittet darum, die Beantwortung der Anfrage von Frau Sudholz (TOP 9.1) zu verlesen. Die von Frau Renken vorgetragenen Antworten liegen dem Protokoll als Anlage 2 zu TOP 9.1 an.

 

Frau Rothenburg äußert die Befürchtung, dass die Anstellung bei einem Träger der freien Jugendhilfe die Tagespflege auseinanderreißen wird. Derzeit arbeiten die selbständig tätigen Tagespflegepersonen auf Basis individueller Konzepte. Ein Träger der freien Jugendhilfe würde das Konzept vorgeben und die zur Betreuung vorgesehenen Räumlichkeiten bestimmen. Eine Betreuung im Haushalt der Tagespflegeperson wäre nicht mehr möglich, dies ist ihr von Trägern der freien Jugendhilfe, mit denen sie Rücksprache gehalten hat, bestätigt worden. Sie fühle sich durch den Antrag vor den Kopf gestoßen und hat eine vorzeitige Information durch die Verwaltung gewünscht. In der Vergangenheit hat die Verwaltung immer Fürsprache für die Tagespflegepersonen gehalten. Aus ihrer Sicht habe sich dies, seit die Tagespflegepersonen Ausfallgelder fordern, die in anderen Kreisen auch gezahlt werden, gewandelt.

 

Frau Vogelbusch weist darauf hin, dass Landkreise, die Ausfallgelder an Tagespflegepersonen zahlen, nicht geprüft worden sind. Der ebenfalls von einer Prüfung betroffene Landkreis Wittmund zahlt keine Ausfallgelder.

 

Frau Renken äußert, dass sie den Tagespflegepersonen immer empfohlen habe, sich zu vernetzen und gemeinsam nach außen aufzutreten. Es könnte sein, dass die bislang bekannte Individualität der Tagespflege bei Anstellung bei einem Träger der freien Jugendhilfe hinter einem vorgegebenen Konzept zurücktreten wird. Dafür arbeitet man als Tagespflegeperson ggf. für einen Träger der freien Jugendhilfe, der bereits in der institutionellen Kinderbetreuung tätig ist. Letztendlich liegt es aber in der Entscheidungsgewalt der Eltern, welches Betreuungsmodell gewählt wird. Dass Politik Anträge an die Verwaltung stellen könnte, ist Demokratie und nicht zu beanstanden.

 

Herr Eiklenborg schlägt vor, den Antrag zunächst zurückzustellen und weitere Informationen einzuholen.

 

Frau Sudholz beantragt daraufhin, den Antrag zunächst zurückzustellen und zunächst - wie von Herrn Eiklenborg vorgeschlagen - weitere Informationen zu dem Thema einzuholen.

 

 


Abstimmungsergebnis:

 

mehrheitlich beschlossen

 

Ja:

5

Nein:

4

Enthaltung:

0