Sitzung: 16.05.2022 Ausschuss für Finanzen und Digitalisierung
Beschluss: mehrheitlich abgelehnt
Antrag der Gruppe: „Die Verwaltung wird beauftragt, durch
eine externe Stelle ein externes Gutachten zur Verwaltungsstruktur erstellen zu
lassen, in dem die Personalbedarfe anhand der gesetzlichen Aufgaben der
Kreisverwaltung wie auch die zu erwartenden Veränderungen in Arbeitsabläufen
unter anderem durch die Dititalisierung dargestellt werden sollen.“
Begründung der Gruppe: „Vor mehr als 16 Jahren wurde ein
entsprechendes Gutachten schon einmal erstellt. Darin waren viele wertvolle
Hinweise zur Effizienzsteigerung in der Verwaltung enthalten. In den folgenden
Jahren wurden die Hinweise umgesetzt und haben so einen wesentlichen Grundstein
zur Verbesserung der finanziellen Situation in der Kreisverwaltung gelegt. Nach
diesen vielen Jahren halten wir es für angebracht, die Situation erneut zu
prüfen und ggf. Maßnahmen zu ergreifen.“
Die Verwaltung hat dazu folgende Stellungnahme abgegeben:
Bisherige Organisationsuntersuchungen
Der Landkreis Friesland hatte im Jahr 1995 eine
Firma beauftragt, die Kreisverwaltung dahingehend zu strukturieren, dass sie
den damaligen Anforderungen an eine moderne, leistungsfähige und
dienstleistungsorientierte Verwaltung gerecht wird. Dies geschah über einen
Zeitraum von ca. 2 Jahren. Es wurden gesetzliche und insbesondere auch
freiwillige Aufgaben hinterfragt. Vertraglich
vereinbarte Kosten (1995): 362.250 DM.
Im Jahr 2004 hatte der Landkreis Helmstedt einen
Stellenplanvergleich – Grobanalyse – mit dem vergleichbaren Landkreis Friesland
in Auftrag gegeben. Damals wurde festgestellt, dass gut 100 Stellen mehr beim
Landkreis Helmstedt vorhanden sind.
Ein aktueller sehr grober Abgleich der Stellenpläne
der Landkreise Helmstedt und Friesland für das Jahr 2021 zeigt, dass der
Landkreis Friesland etwa 30 Stellen weniger als der Landkreis Helmstedt hat.
Im damaligen Fachbereich Jugend und Familie (heute:
Jugend, Familie, Schule und Kultur) wurde in 2009/2010 eine
Organisationsuntersuchung durchgeführt. Der Umfang bestand aus 36 Beratertagen
mit 50 Interviews/Gesprächen, 12 Themen-Workshops, Sprechstunden der Berater
mit 11 weiteren Gesprächen, schriftlichen Befragungen, Dokumentenanalysen,
Einholen von Informationen aus anderen Jugendämtern usw. Im Ergebnis wurde
keine Über- oder Unterbesetzung festgestellt. Einige organisatorische Abläufe
wurden verändert. Gekostet hat diese Untersuchung ca. 45.000 € - bezogen allein auf die Jugendamts- Aufgaben. Nicht
berücksichtigt ist der Aufwand der Kolleginnen und Kollegen für die Interviews
und Workshops, der - wie man an der Zahl der Interviews und Workshops sieht,
nicht unerheblich gewesen ist.
Zuletzt fand eine Aufnahme der
Organisationsstrukturen der Organisationseinheiten einschl. Fallzahlen und
Stellenanteilen im Rahmen der möglichen „Fusion/Einkreisung“ mit/von
Wilhelmshaven durch die KGSt im Jahr 2013 statt.
Organisationsuntersuchungen bei anderen Landkreisen
in Weser-Ems
Eine Umfrage bei den
Landkreisen in Weser-Ems hat ergeben, dass in den letzten 10 Jahren keine
Organisationsuntersuchungen der Gesamtverwaltung in Auftrag gegeben wurden.
Wenn Organisationsuntersuchungen durch Externe beauftragt wurden, ist dies nur
für einzelne Bereiche, wie z. B. Jugendamt, Kämmerei, Amt für Teilhabe und
Soziales geschehen. Der Impuls kam dann in der Regel aus der Verwaltung.
Organisationsuntersuchungen durch eigene
Bedienstete in der Kreisverwaltung
Mit dem Stellenplan für das Jahr 2019 wurde das
Sachgebiet Organisation um eine Stelle nach Besoldungsgruppe A 10 verstärkt, da
bis dahin verschiedene Aufgaben nicht wahrgenommen werden konnten. Seit Juni
2019 ist diese zusätzliche Stelle besetzt.
Die beiden Kräfte in dem Sachgebiet Organisation
überprüfen jede Personalanforderung der Fachbereiche eingehend.
Die Bedarfsermittlungen geschehen aufgrund
- des
Anforderungsschreibens der Fachbereiche,
- der Ermittlung von
Fallzahlen und Bearbeitungszeiten,
- von Kennzahlen und
Erfahrungswerten der öffentlichen Verwaltung,
- Vorgaben des
Gesetzesgeber,
- der Prüfung der
Rechtsgrundlagen,
- von Interviews mit den
Führungskräften und den Beschäftigten,
- von Abgleichen mit
anderen Landkreisen in Weser-Ems sowie
- des Prüfens der
Prozesse.
In der Regel wird festgestellt, dass sich die
Fachbereiche in den Bedarfsanforderungen zurückhalten bzw. konservative Ansätze
wählen. Das Sachgebiet Organisation stellt häufig einen höheren Bedarf fest.
Mit der Vorlage Nr. 1025/2020
wurde eine mögliche Organisationsuntersuchung des Fachbereichs Gesundheitswesen
thematisiert. Im Ergebnis wurde beschlossen, dass eine Organisationuntersuchung
durch eine externe Firma nicht durchgeführt wird und die
Personalbedarfsprüfungen intern durch den Bereich Organisation erfolgen.
Digitalisierung
Im Hinblick auf die erwartete
Veränderung der Arbeitsabläufe durch die Digitalisierung wurde das Sachgebiet
IT-Steuerung verstärkt, so dass im Rahmen der Umstellung auf die digitale
Vorgangsbearbeitung die zu digitalisierenden Prozesse insgesamt überprüft
werden bzw. auch schon wurden (sh. Sachstandsbericht zur
Digitalisierungsstrategie zuletzt Vorlage 0100/2022).
Auch für die anderen Behörden ist dies erstmalig
abzuarbeiten, so dass auch von einer externen Firma noch nicht auf
Erfahrungswerte zurückgegriffen werden kann.
Die Kommunale Gemeinschaftsstelle für
Verwaltungsmanagement (KGSt) hat vor einigen Jahren festgestellt, dass die
Kosten durch die Digitalisierung eher steigen werden. Ein Einsparpotential ist
vermutlich eher langfristig zu sehen.
Ob hierdurch wirklich auch Kosten eingespart
werden, wird sich zeigen, z.B.
- Anträge werden über
Jahre hybrid bearbeitet (analog wird weiterhin möglich sein; Online-Verfahren
sukzessive zunehmen).
- mehr Personal in
IT-Steuerung
- mehr Personal in
IT-Technik
- mehr Personal bei der
Verfahrensbetreuung (Fachadministration) - mehr Programme und Schnittstellen,
zunehmende Komplexität
- mehr Lizenzentgelte und
Kosten für Externe für z.B. KDO
- z.B. mehr Lehrerlaptops
haben zu einem erhöhten dauerhaften Bedarf in der IT-Technik geführt
- mittelfristig werden
voraussichtlich eher Kräfte der niedrigeren Entgeltgruppen eingespart; andere
Bereiche wie IT mit höheren Entgeltgruppen zunächst ausgebaut
Die Motive bei der Digitalisierung sind ja nicht
nur Einsparungen sondern im Bereich E-Government vor allem eine Orientierung am
Bürger („Anträge vom Sofa stellen“), was nicht zwingend auch zu
Kosteneinsparungen führt.
Zusätzliche Belastung für die Fachbereiche
Der Aufwand für die Zuarbeit an eine externe Firma
im Rahmen der Organisationsuntersuchung würde zu der jetzt schon zusätzlichen
Aufgabe der Digitalisierung der Verwaltung hinzukommen und die Kolleginnen und
Kollegen stark belasten. Das geht über die ohnehin
erforderliche Zulieferung von Zahlen, Daten, Fakten und die Ermittlung von
Kennzahlen hinaus. Eine Mit- und Zuarbeit (durch Interviews, Teamgespräche
usw.) ist in jedem Fall erforderlich, da sich keine Firma (auch wenn auf Verwaltungen
spezialisiert) im Detail so sehr auskennt, dass sie dies ohne
Mitarbeitergespräche durchführen könnte. Häufig haben sich externe Firmen auf
bestimmte Bereiche, z. B. „Jugendamt“ spezialisiert.
Einige Fachbereiche, die mit zusätzlichen Tätigkeiten
rund um Corona sowie den Geflüchteten aus der Ukraine zu tun haben, sind bzgl.
der Digitalisierung im Verzug. Eine zusätzliche umfangreiche
Organisationsuntersuchung können diese derzeit nicht leisten. Selbst wenn
zeitliche Kapazitäten vorhanden wären, müssten diese genutzt werden, um
Arbeitsrückstände abzubauen sowie die Digitalisierung auf den Weg zu bringen,
bzw. die erheblichen Mehrstunden, die durch Corona aufgebaut wurden, abzubauen.
Seitens der Verwaltung wird daher dringend davon
abgeraten, eine Organisationsuntersuchung durchzuführen, da Zeit und
Kostenaufwand im Vergleich zum erwarteten Nutzen als sehr gering eingeschätzt
werden.
Aus diesen Gründen empfiehlt die Verwaltung, den
Antrag abzulehnen.
Herr Homfeldt erklärt, den Antrag aufrecht zu erhalten.
Herr Schürgers unterstützt den Antrag.
Abstimmungsergebnis:
Ja: |
3 |
Nein: |
7 |
Enthaltung: |
0 |