Sitzung: 04.09.2023 Ausschuss für Klimaschutz, Klimafolgenanpassung, Planung und Kreisentwicklung
Beschluss: einstimmig beschlossen
Vorlage: 0598/2023
Beschluss:
Die Verwaltung wird damit
beauftragt die Teilflächenziele gemäß WindBG und Gesetz zur Umsetzung des
Windenergieflächenbedarfsgesetzes in Niedersachsen für den Landkreis Friesland,
entsprechend der vorgeschlagenen Methodik zu ermitteln und sobald die
gesetzliche Ermächtigung vorhanden ist, dem Kreistag zum Beschluss vorzulegen.
Begründung:
Am 01.02.2023 ist das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus
von Windenergieanlagen an Land vom 20. Juli 2022 (BGBl. I S. 1353) - inzwischen
ergänzt durch Gesetz vom 8. Oktober 2022 (BGBL. I S. 1726), durch Gesetz vom 4.
Januar 2023 (BGBl. 2023 Teil I NR. 6) sowie durch das ROGÄndG vom 28. März 2023
(BGBl. 2023 Teil I Nr. 88) - in Kraft getreten, mit dem der Bund ein neues
Regime für die Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen erlassen hat.
Das Gesetz zielt darauf, dass bis 2032 durch Planungen in den Ländern
insgesamt 2 Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land ausgewiesen
werden. Das auch als „Wind-an-Land-Gesetzgebung“ bezeichnete Regelungspaket
beinhaltet u.a.
- das neue
Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG)
- Änderungen des Baugesetzbuches
(insbesondere § 245e BauGB, 249 BauGB) und
- Änderungen des Raumordnungsgesetzes (§
27 Abs. 4 ROG).
Parallel hierzu wurde das Vierte Gesetz zur Änderung des
Bundesnaturschutzgesetzes vom 20. Juli 2022 erlassen, u.a. mit
- Änderungen des
Bundesnaturschutzgesetzes (insbesondere § 26 Abs. 3 BNatSchG, § 45b
BNatSchG) und
- Änderungen des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes (§ 16b BImSchG).
Ergänzt werden diese Bundesgesetze künftig auf Landesebene durch ein
Gesetz zur Umsetzung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes in Niedersachsen
(Arbeitstitel: NWindBGUG). Es bestimmt die Träger der Regionalplanung als
zuständige Stellen für die Ausweisung von Windenergiegebieten für jeden dieser
Planungsträger verbindliche Teilflächenziele sowie die Zeitpunkte, bis zu denen
die Flächenausweisungen vorzunehmen sind. Die konkreten Möglichkeiten und
Anforderungen für die Ausweisung von Windenergiegebieten in Regionalen
Raumordnungsprogrammen sind im Raumordnungsgesetz des Bundes (ROG) und im
Niedersächsischen Raumordnungsgesetz (NROG) geregelt. Für die Ausweisung von
Vorranggebieten Windenergienutzung enthalten diese Gesetze einzelne
Sonderregelungen, die vorrangig anzuwenden sind. Im NROG soll auch die Option
eröffnet werden, Teilpläne für die Windenergienutzung aufzustellen. Im Übrigen
gelten für die Aufstellung und Änderung von Raumordnungsplänen unverändert die
für alle Raumordnungsplanungen geltenden Vorschriften (vgl. Arbeitshilfe für die Ausweisung von
Windenergiegebieten in Regionalen Raumordnungsprogrammen - Nds. Ministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Juli 2023).
In Bezug auf den Ausschluss von Windenergieanlagen in bestimmten
Bereichen des Planungsraums führt die Wind-an-Land-Gesetzgebung hingegen einen
Systemwechsel ein:
Nach der bis zum 31.01.2023 geltenden Rechtslage waren
Windenergieanlagen stets privilegierte Vorhaben im Außenbereich gem. § 35
BauGB. Sie durften – sofern nicht öffentliche Belange entgegenstanden und die
Erschließung gesichert war – prinzipiell überall im Außenbereich genehmigt und
errichtet werden. Die Ansiedlung von Windenergieanlagen konnte vom Träger der
Flächennutzungsplanung oder vom Träger der Regionalplanung über eine sog.
Konzentrationsflächenplanung gesteuert werden. Nur durch eine solche Planung konnten
Windenergieanlagen auf bestimmte Bereiche im Planungsraum begrenzt werden und
in anderen Bereichen des Planungsraums ausgeschlossen werden. Die im Plan
bestimmte Ausschlusswirkung war nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB als
entgegenstehender öffentlicher Belang ein Zulassungshindernis im
BImSchG-Genehmigungsverfahren für Anlagen. Diese Form von Ausschlusswirkung
entfällt spätestens am 31. Dezember 2027 nach NWindBGUG.
Nach der ab 01.02.2023 geltenden Rechtslage sind lediglich während eines
Übergangszeitraums weiterhin sämtliche Windenergieanlagen privilegiert. Dieser
Übergangszeitraum endet mit dem Zeitpunkt, an dem ein Planungsträger sein
Teilflächenkontingent ausgewiesen hat und spätestens mit Ablauf der Stichtage
für die Teilflächenziele (31.12.2027 bzw. 31.12.2032 nach WindBG).
Als Teilflächenziele bezeichnet das WindBG die verbindlichen
Flächenziele eines Landes an regionale oder kommunale Planungsträger. Das
Teilflächenziel eines regionalen oder kommunalen Planungsträgers ist ein Anteil
der jeweiligen Fläche eines regionalen oder kommunalen Planungsraums, der von
diesem Planungsträger für die Windenergie an Land auszuweisen ist. Die
Teilflächenziele eines Landes ergeben in Summe den Flächenbeitragswert (vgl. §
3 Abs. 2 WindBG). Die Zuweisung von Teilflächenzielen erfolgt in Niedersachsen
durch Landesgesetz. Teilflächenziele werden nur für die Träger der
Regionalplanung (Landkreise, kreisfreie Städte, Stadt Göttingen,
Regionalverband Großraum Braunschweig), nicht für die Träger der Bauleitplanung
festgelegt.
Sobald das Teilflächenziel erreicht wird, sind nur noch solche
Windenergieanlagen privilegiert, die innerhalb der planerisch ausgewiesenen
Windenergiegebiete im Sinne des § 2 WindBG liegen. Außerhalb dieser
Windenergiegebiete sind Windenergieanlagen nicht-privilegierte Anlagen im Sinne
des § 35 Abs. 2 BauGB. Sie sind in aller Regel nicht zulassungsfähig, weil
nicht privilegierte Vorhaben zumindest einen öffentlichen Belang
beeinträchtigen. Wird das Teilflächenziel zu dem jeweiligen Stichtag nicht
erreicht, gelten Windenergieanlagen weiterhin im gesamten Planungsraum als
privilegierte Vorhaben nach § 35 Abs. 1. Nr. 5 BauGB, jedoch mit der
zusätzlichen Erleichterung, dass die Anlage dann weder an Ziele der Raumordnung
noch an Darstellungen in Flächennutzungsplänen im BImSch-Verfahren gebunden
ist.
Sollte die Genehmigung des Plans nicht
rechtzeitig vor den Fristen gemäß §3 Abs. 1 WindBG erfolgen und die
Rechtswirkungen nach §249 Abs. 7 BauGB eintreten, sollte der Planungsträger
(vorab) das Erreichen des Teilflächenziels mit dem Beschluss der Planänderung
bekannt machen. Gemäß §4 Abs. 2 Satz 3 WindBG dürfen Flächen bereits ab der
kommunalen Beschlussfassung über das RROP befristet für die Dauer von sieben
Monaten angerechnet werden, wenn der Plan vor Ablauf der in §3 Abs. 1 Satz 2
WindBG genannten Stichtage beschlossen worden ist.
Dieser neue Mechanismus wird umgangssprachlich auch als „Privilegierung
Plus“ oder „Super-Privilegierung“ bezeichnet, weil bei Verfehlen der
Teilflächenziele Raumordnungs- und Flächennutzungspläne die BImSch-Genehmigung
nicht mehr verhindern können. Die neue Rechtslage ersetzt die durch Planung
erzeugte Ausschlusswirkung insofern durch ein anderes rechtliches Konstrukt.
Anstelle einer – durch Planung erzeugten - Ausschlusswirkung richtet sich die
Genehmigungsfähigkeit einer Windenergieanlage künftig danach, ob sie ein
privilegiertes Vorhaben oder ein nicht privilegiertes Vorhaben ist. Der
faktische Ausschluss einer Windenergieanlage wird kraft Gesetzes hergestellt
und ist künftig nur davon abhängig, dass eine wirksame und flächenmäßig
ausreichende Flächenausweisung (Positivplanung) im Sinne des WindBG vorliegt.
Als Windenergiegebiete werden gemäß §2 WindBG folgende Gebiete
verstanden:
- „Vorranggebiete Windenergienutzung in Raumordnungsplänen
(einschließlich der ab 28.09.2023 geltenden Vorranggebiete mit
Ausschlusswirkung im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 3 ROG)
- Vorbehaltsgebiete in Raumordnungsplänen - Eignungsgebiete in
Raumordnungs-plänen
- Sonderbauflächen, Sondergebiete und mit diesen vergleichbare
Ausweisungen in Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen Die Legaldefinition
ist anzuwenden, wenn im WindBG oder in anderen Gesetzen der Begriff
„Windenergiegebiet“ verwendet wird“ (§2 WindBG).
Neben dem Auftrag für die Träger der
Regionalplanung, die Teilflächenziele für den jeweiligen Landkreis zu
ermitteln, gibt es Regelungen über Berichtspflichten für ein Monitoring.
Grundsätzlich sind keine Teilflächenziele auf Ebene der Städte und Gemeinden zu
ermitteln, sodass es keine Verlagerung der Zuständigkeit auf die Städte und
Gemeinden möglich ist.
Zur Beschleunigung des Ausbaus der
Windenergie wurden zudem umfängliche Repowering-Regeln eingeführt (§§ 245e Abs.
3. u. 249 Abs. 3 BauGB). Diesen stehen weder die bestehenden
Konzentrationsflächenplanungen (Ausschluss-planung) noch nach Erreichen der
Teilflächenziele die Positivplanung entgegen. Auf Grundlage des § 16b BImSchG
profitieren hiervon alle Anlagen über 50 m Gesamthöhe und können zusätzlich um
das bis zu 2fache der Gesamthöhe der neuen Anlage vom ursprünglichen Standort
verschoben werden. Eingeschränkt wird dies nur durch Natura2000- und
Naturschutzgebiete sowie, vor Erreichen der Teilflächenziele, sehr
eingeschränkt durch das Berührtsein der Grundzüge der Planung der betroffenen
Gebietskörperschaft. Diese Regelung ist bis zum 31.12.2030 befristet.
Anhand einer GIS-Analyse wurden für den
Landkreis Friesland gemäß der Arbeitshilfe für die Ausweisung von
Windenergiegebieten in Regionalen Raumordnungsprogrammen (Nds. Ministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Juli 2023) als Teilflächen-
und Gesamtziel für 2032 ein Wert von 491,71 ha bzw. 0,81% der Landkreisfläche
rotor-out ermittelt (siehe Tabelle 1). Das Flächenziel gemäß der Berechnung aus
Mai 2023 von 0,79% bzw. 486 ha für den Landkreis Friesland allein auf Grundlage
der bestehenden Vorranggebiete Windenergienutzung im RROP 2020 wird somit
erfüllt.
Sofern die gesetzliche Verpflichtung vom
WindBG auf Bundesebene in das Landesrecht überführt wurde, plant der Landkreis die
Erfüllung der Teilflächenziele entsprechend NROG zu veröffentlichen.
Tabelle 1: Teilflächenzielberechnung Windenergie
Friesland
ID |
Bezeichnung |
Leistung |
Kommune |
Größe in ha |
RROP Bezeichnung |
ha vor Abzug |
rotor-out Abzug in m |
ha nach Abzug |
1 |
Jever |
14,1 MW |
Stadt Jever |
27,98 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
27,98 |
-75 |
7,54 |
2 |
Ostiem |
8,7 MW |
Stadt Schortens |
125,51 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
125,19 |
-75 |
81,91 |
3 |
Sande |
20,2 MW |
Gemeinde Sande |
68,89 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
68,89 |
-75 |
41,92 |
4 |
Bassens |
36 MW |
Gemeinde Wangerland |
188,15 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
188,15 |
-75 |
143,13 |
5 |
Hohenkirchen |
7,65 MW |
Gemeinde Wangerland |
15,42 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
15,42 |
-75 |
4,73 |
6 |
Waddewarden |
10,7 MW |
Gemeinde Wangerland |
16,88 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
16,88 |
-75 |
2,02 |
7 |
Krögershamm/Ammersche Länder |
28,62 MW |
Gemeinden Bockhorn/Varel |
93,03 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
93,03 |
-75 |
55,59 |
8 |
Bullenmeersbäke |
10,1 MW |
Gemeinde Zetel |
32,42 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
32,42 |
-75 |
9,08 |
9 |
Herrenmoor |
10,3 MW |
Gemeinde Zetel |
48,14 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
48,14 |
-75 |
27,47 |
10 |
Hiddels |
54,4 MW |
Gemeinden Bockhorn/Zetel |
180,44 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
180,44 |
-75 |
118,31 |
Gesamt |
alle betroffenen |
491,71 |
||||||
% an LK-Fläche |
0,81 |
Herr
Neuhaus führt die Vorlage aus.
Frau
KTAe Sudholz meldet sich zu
Wort und möchte wissen, ob die Kommunen vor Bekanntmachung der Flächenziele
beteiligt werden.
Herr
Neuhaus gibt an, dass man dem
Gremium die Informationen zukommen lassen könne, merkt dazu aber an, dass es
bisher kein formelles Planverfahren gebe und auch keine Pflicht zur Beteiligung
bestehe. Insbesondere da keine neuen Flächen benannt werden, sondern nur auf
den Bestand des RROP zurückgegriffen werde.
Frau
Tammen ergänzt, dass aktuell
nicht alle Flächen im RROP übernommen worden seien, die bei den Städten und
Gemeinden bauleitplanerisch gesichert oder als SO entwickelt worden sind. Dies
liege daran, dass bestimmte Kriterien einer Übernahme in das RROP
entgegenstehen. Sie verweist auf die Auflistung der Tabelle (siehe Seite 13
Präsentation) aus welcher hervorgeht, dass drei SO WEA von den Kommunen nicht
in das RROP übernommen werden konnten. Frau Tammen begründet dies z. B. mit der
Sichtung des Adlers im Einzugsgebiet des Windparks in Varel sowie mit Gründen
des entgegenstehenden Naturschutzes. Dabei hätten die Planungen der Kommunen
weiterhin Bestand. Der Landkreis Friesland müsse nur diese 0,79% nachweisen, welches
schon einzig mit den reinen Vorranggebieten aus dem RROP geschafft werde
(0,81%).
Herr
Neuhaus weist daraufhin, dass
mit Bekanntmachung der Flächenziele keine kommunalen Planungen verhindert
werden, sondern zusätzliche Flächen weiterhin in dem Umfang möglich seien, wie
die Städte und Gemeinden dies planen.
Der Landrat Herr Ambrosy unterstreicht, dass die Städte und Gemeinden bisher
mehr geleistet haben, als das Gesetz fordert und dies auch weiterhin tun
dürfen. Das Steuerungsmodell Weser-Ems, das den Gemeinden die Steuerung
überlassen habe, sei ein Erfolg. Als NLT-Präsident weist er auf den gefundenen
Kompromiss hin, um Landkreise mit sehr hohen Flächenanteilen von 6-7% zu
entlasten und die Flächen gerecht auf die übrigen LK zu verteilen. Dies habe
konkret für Friesland zu einer Verdopplung geführt, allerdings dennoch nicht
dazu, dass neue Flächen ausgewiesen werden müssen. Als dritten Punkt führt Herr
Ambrosy das Repowering an und mahnt an, dass die sogenannte Superprivilegierung
nicht zum Zuge kommen dürfe, da dann keine Steuerung mehr möglich sei.
Entscheidend sei hier das Jahr 2026. In Bezug darauf sei der LK Friesland in
der komfortablen Situation, die Ziele bereits erfüllen zu können und weitere
Flächen bei Beachtung von Naturschutz, anderen Belangen und einer guten
raumordnerischen Abstimmung jederzeit möglich seien.
Der Vorsitzende Herr Homfeldt fasst den Beschlussvorschlag noch mal zusammen und lässt darüber abstimmen.
Abstimmungsergebnis:
einstimmig beschlossen
Ja: |
11 |
Nein: |
0 |
Enthaltung: |
0 |