Sitzung: 04.09.2023 Ausschuss für Klimaschutz, Klimafolgenanpassung, Planung und Kreisentwicklung
Beschluss: einstimmig beschlossen
Vorlage: 0597/2023
Beschluss:
Der Klimanotstand wird erst dann
ausgerufen, wenn mit den bisher geplanten Maßnahmen und gesetzlichen Vorgaben
zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung und den dafür zur Verfügung gestellten
Ressourcen die bislang beschlossenen Ziele nicht erreicht werden können.
Zum Begriff
„Klimanotstand“ schreibt das Umweltbundesamt (UBA)[1] auf seiner Seite:
„Hinter dem Klimanotstand verbirgt sich ein
Beschluss von Parlamenten oder Verwaltungen. Der Beschluss zeigt auf, dass das
beschließende Gremium erkannt hat: unsere bisher ergriffenen Maßnahmen zur
Eindämmung des rasch voranschreitenden Klimawandels und der daraus
resultierenden Risiken reichen nicht aus. Das beschließende Gremium beauftragt
somit Regierung und Verwaltungen zusätzliche, wirksame Maßnahmen auszuarbeiten.
Das umfasst Maßnahmen sowohl zur Minderung von Treibhausgasemissionen als auch
zur Anpassung
an den Klimawandel.
Damit erkennen Beschlüsse zum Klimanotstand den dringenden politischen und
praktischen Handlungsbedarf an, der aus zunehmenden Risiken durch den
Klimawandel resultiert. Durch die Verwendung des Begriffs „Notstand“ wird
diesen Maßnahmen höchste, nicht aufschiebbare Priorität zugeschrieben. (…)“
Zentral bei der Entscheidung, ob der Landkreis Friesland den Klimanotstand ausrufen sollte, sind daher folgende zwei Fragen:
- Tun
wir bereits genug für den Klimaschutz und die Klimaanpassung und liegen
die entsprechenden Beschlüsse vor?
- Falls nein: Welche zusätzlichen, wirksamen und prioritären Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung ergreifen wir als Reaktion auf das Ausrufen des Klimanotstands?
zu a):.
Am 21.12.22 hat sich der der Kreistag zum Treibhausgasneutralitätsziel 2030 bekannt, sodass die Beschlusslage eine klare Zielvorgabe formuliert. Dazu wurden in den MEZ und HSP wesentliche Aspekte von Klimaschutz und –Anpassung als strategische Ziele und Handlungsschwerpunkte des Landkreises benannt. Unter anderem basierend auf diesen Beschlüssen werden aktuell folgende Vorhaben durchgeführt oder geplant:
- Umstellung Energieversorgung in allen Liegenschaften,
- Energiebericht als Basis künftiger CO2-Bilanzen,
- Elektrifizierung der Fahrzeugflotte,
- Ladeinfrastrukturkonzept,
- Integriertes Vorreiterkonzept als neues Klimaschutzkonzept des Landkreises,
- Integriertes Klimaanpassungskonzept,
- Kommunale Wärmeplanung,
- Moorschutz,
- Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerberatung,
- Fairtrade,
- Unterstützung landkreisangehöriger Kommunen.
In der Summe sind somit sowohl entsprechende Beschlüsse als auch Umsetzungspfade gegeben. Ob damit ausreichende Maßnahmen ergriffen wurden, ist objektiv nicht einfach feststellbar. Gemessen an der Definition des UBA ist auch immer die Wirkebene zu betrachten, sodass nicht alle denkbaren Maßnahmen auch auf Landkreisebene umsetzbar sind. In diesem Sinne kann aber festgehalten werden, dass insgesamt das Handlungserfordernis und dessen Priorität anerkannt sind und das Ausrufen eines Notstands keine sofort wirkende Verbesserung ermöglicht.
Im Sinne der Frage b) werden im Antrag von „Die linke Fraktion“ zwei Handlungsmaßnahmen genannt:
1. Eine jährliche CO2-Bilanz der
Verwaltung
2.
Sammlung
von Daten der Auswirkungen des Klimawandels auf den Landkreis
Zu 1: Laut § 17 des Niedersächsischen Gesetzes zur Förderung des Klimaschutzes und zur Minderung der Folgen des Klimawandels (NKlimaG) muss für das Jahr 2022 erstmals ein Energiebericht erstellt werden und daraufhin jeweils in einem Zeitraum von drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren. Außerdem müssen Landkreise bis Ende 2025 Klimaschutzkonzepte für die eigene Verwaltung erstellen inkl. Treibhausgasemissionsbilanz (§ 18). Durch den Antrag von „Die linke Fraktion“ müsste die Verwaltung also jedes Jahr anstatt der gesetzlich geforderten drei Jahres-Zeiträume eine Bilanz erstellen. Basis würde dann das hierzu in Aufbau befindliche möglichst automatisierte Energiemanagement sein. Die Verwaltung prüft derzeit, ob hierfür weitere Fördermittel akquiriert werden können, um dies zu beschleunigen.
Zu 2: Tatsächlich fehlt es bisher an
einer Sammlung von Klimawandel-Daten die speziell auf den Landkreis
zugeschnitten sind. Dies wird sich allerdings durch die Einstellung des
Klimaanpassungsmanagers und die Erstellung eines integrierten
Klimaanpassungskonzepts ändern, z.B. sollen Potentialflächen für den Deichbau
und die Freiflächenrückgewinnung ermittelt werden. Zudem werden aktuell immer
mehr Daten von externen Dienstleistern und Fachbehörden zum Klimawandel in
Niedersachsen zur Verfügung gestellt, wie z.B. die Starkregengefahrenkarte des
OOWV und der Aufbau des Niedersächsischen Klimainformationssystems (NIKLIS) vom
niedersächsischen Umweltministerium[2]. Eine weitere Datengrundlage bietet der
NIBIS® KARTENSERVER vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie[3]. Gemäß § 19 NKlimaG müssen niedersächsische
Gemeinden bis Ende 2028 Entsiegelungskataster erstellen.
Durch den Antrag käme neu hinzu, dass Forschungsvorhaben gefördert werden
sollen, um fehlende Daten zu generieren. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen und
wird, da auch meist mit Förderverfahren verbunden, laufend geprüft.
Zusammengefasst: Als Konsequenz auf die Ausrufung des Klimanotstands soll laut dem Antrag die Datenverfügbarkeit (CO2-Bilanz und Daten zu den Auswirkungen des Klimawandels) verbessert werden.
Die im Antrag genannten Maßnahmen sind aus Sicht des Klimaschutzes und der Klimaanpassung begrüßenswert, sind jedoch in naher Zukunft als gesetzliche Pflichtaufgabe durch den Landkreis größtenteils sowieso zu ergreifen. Darüber hinaus sind bereits mehrere Maßnahmen zur Erreichung der vom Kreistag am 21.12.22 beschlossenen Treibhausgasneutralitätsziele für das Jahr 2030 angelaufen oder in der Planung. Ein Notstand im obigen Sinne kann also jederzeit durch das Festhalten an den strategischen Zielen sowie operativen Maßnahmen vermieden werden. Dabei sind die Ressourcen strategisch so auszurichten, dass alle Projekte, Maßnahmen und Verfahrensweisen des Landkreises auf Klimaschutz und –Anpassung ausgerichtet werden.
Die Verwaltung schlägt demzufolge vor, den Klimanotstand erst dann auszurufen, wenn mit den bisher geplanten Maßnahmen und gesetzlichen Vorgaben und den aktuell zur Verfügung stehenden Ressourcen die bisher beschlossenen Treibhausgasneutralitätsziele nicht erreicht werden können. In diesem Fall sollte die Ausrufung des Klimanotstands dann mit dem Beschließen zusätzlicher wirksamer Maßnahmen sowie der Zurverfügungstellung der dafür notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen einhergehen.
Anlage(n):
Anlage 1: Antrag
Klimanotstand
Herr KTA Möller
äußert sich und bezieht sich dabei auf die Vorlage. Er erkundigt sich, ob keine
Datenlage vorliege und weist darauf hin, dass man irgendwie einen Überblick
darüber haben müsse, ob die getroffenen Klimaschutzmaßnahmen ausreichen oder
nicht. Zudem müsse laut der Definition des Umweltbundesamts auch immer die
Wirkebene der Maßnahmen betrachtet werden. Er verweist nochmals auf den Bericht
des IPCC und den dort formulierten, dringenden Handlungsbedarf.
Herr Neuhaus
verweist darauf, dass genau diese Zahlen ermittelt werden und man danach den
Zustand und die Wirkebene bewerte, um somit eine Einschätzung treffen zu
können, ob die Maßnahmen ausreichend sind und wo sowohl in der Datenerfassung,
der Auswertung und den darauf aufbauenden Maßnahmen noch Verbesserungs- bzw.
Nachholbedarf bestehe. Zudem gebe es verpflichtende Aufgaben, bspw. die
CO2-Bilanz, die ebenfalls bereits in Umsetzung seien.
Frau KTAe Esser
verlässt gegen 16:47 Uhr den Raum.
Herr KTA Möller
möchte wissen, wie gut die Klimadatenlage für Friesland ist
Herr Cremer
antwortet, dass es verschiedene Angebote vom Land Niedersachsen gebe und nennt
hierfür als Beispiel den NIKLIS-Server, welcher diese sehr gut, auch
landkreisbezogen aufschlüssele.
Herr KTA Möller fragt
nach, ob der NIKLIS-Server auch öffentlich einsehbar sei.
Frau Tammen
bejaht dies und erklärt, dass der NIKLIS-Server bereits viele Daten
bereitstellt, bspw. Szenarien zur Entwicklung von Starkregenereignissen. Auch
der NIBIS-Kartenserver des Landesbergamtes Niedersachen (LBEG) hat eine
Vielzahl von klimarelevanten Daten, bspw. über Moorböden oder ähnlichem.
Der
Vorsitzende Herr Homfeldt verweist
auf die Starkregengefahrenkarte des OOWV und bittet darum die
Informationsquellen zu den zuvor genannten Punkten ins Protokoll aufzunehmen.
Diese
nachfolgend:
NIKLIS (umweltkarten-niedersachsen.de)
NIBIS Kartenserver : powered by cardo.Map (lbeg.de)
Herr KTA Ratzel
äußert sich positiv zur Aufstellung des Landkreises im Bereich Klimaschutz und
Klimafolgenanpassung und bezeichnet diesen hierin als Vorreiter. Dabei merkt er
an, dass der Landkreis aktuell noch keinen Klimanotstand ausrufen müsse. Das
müsse man erst, wenn bestimmte Kriterien erfüllt seien und es sich auch
wirklich um einen solchen handle. Dennoch sei er der Meinung, man könne
zusätzliche Maßnahmen, wie Katastrophenschutzübungen für den Ernstfall
ergreifen.
Herr KTA Möller gehe
mit dem Vorschlag mit, wolle aber dennoch darauf hinweisen, dass die Klimakrise
eine Notlage sei. Er habe, für alle einsehbar, den Link zum IPCC-Bericht zur
Verfügung gestellt und man könne dort nachlesen, dass von einer 3,2 Grad
Erwärmung ausgegangen werde. Damit würden die Ziele verfehlt werden, die sich
die Bundesrepublik Deutschland gesetzte hat. Zudem liege Deutschland nach den
Richtlinien des Climate Action Trackers weit über dem 2-Grad-Ziel, weshalb man
sich jetzt schon auf extreme Klimawandelfolgen einstellen könne. Gerade
Friesland als Küstenregion werde sehr mit den Klimawandelfolgen kämpfen, da
nicht nur Hitze und Trockenheit zum Problem werde, sondern beispielsweise auch
stärkere Sturmereignisse und Starkregen und damit werde das Leben hier immer
schwieriger.
Der
Landrat Herr Ambrosy stimmt Herrn
Möller bezüglich der Gefahren zu und betont, dass der Landkreis Friesland
hinsichtlich der eigenen Flächen und des Bevölkerungsanteils einen
ausreichenden Beitrag für den Klimaschutz leiste. Er spricht sich für den
Antrag aus, gibt allerdings zu bedenken, dass man sich bei dem Wort „Notstand“
schon im Katastrophenschutzgesetz befinde und man dort definitiv noch nicht
sei. Sollte man irgendwann feststellen, dass die Maßnahmen nicht ausreichen,
dann könne man den Klimanotstand immer noch ausrufen.
Frau KTAe Sudholz
erachtet einen jährlichen Bericht über alle Maßnahmen als wichtig und hebt
hervor, dass man dabei alle Maßnahmen einzeln beleuchten solle, da ihrer
Ansicht nach nicht alle Kriterien gleichzeitig erfüllt werden müssen, damit ein
Klimanotstand ausgerufen werden könne. Auch ein Punkt könne dafür ausreichen
die gesetzten Klimaziele nicht zu erreichen und man müsse dem frühzeitig
entgegenwirken können.
Herr KTA Möller
befürwortet den jährlichen Bericht, kann sich der Aussage des Landrats
anschließen, schätzt die gesamte Lage aber als deutlich ernster ein.
Der
Landrat Herr Ambrosy weist darauf
hin, dass dazu im Kreistag mittelfristige Entwicklungsziele beschlossen wurden
und der Landkreis somit gar nicht in die Lage kommen dürfe, einen Klimanotstand
ausrufen zu müssen. Zudem müssen die Handlungsschwerpunkte im Haushalt
abgebildet werden und das sei eine gute Voraussetzung für die Lösung des
Problems.
Der
Vorsitzende Herr Homfeldt lässt über
den Beschluss abstimmen.
[1] https://www.umweltbundesamt.de/deutsche-kommunen-rufen-den-klimanotstand-aus#undefined
[2] https://www.umweltkarten-niedersachsen.de/niklis/#xmin=345995.66748980456&xmax=558490.6061225391&ymin=5823473.93443607&ymax=5991788.270719985&Kategorie=0&basemap=Topographie+Grau
[3] https://www.lbeg.niedersachsen.de/kartenserver/nibis-kartenserver-72321.html
Abstimmungsergebnis:
einstimmig beschlossen
Ja: |
10 |
Nein: |
0 |
Enthaltung: |
0 |