Sitzung: 29.08.2023 Ausschuss für Finanzen und Digitalisierung
Beschluss: vorberatend zur Kenntnis genommen / weiter an Kreisausschuss
Abstimmung: Ja: 11
Vorlage: 0610/2023
Begründung:
Als der
Haushalt des Fachbereiches Soziales und Senioren geplant wurde, waren
insbesondere die Entwicklungen der Fluchtbewegungen nicht hinreichend absehbar.
Obwohl
an einer einzelnen Planungsposition höhere Erträge erzielt wurden, können die
Mehraufwendungen im Jahr 2023 nicht vollumfänglich gedeckt werden.
Die wesentlichsten Abweichungen waren auf
nachfolgenden Produkten zu verzeichnen:
Produkt |
Bezeichnung |
Abw. vom
Plan |
|
P1.03.31.315500 |
Erstaufnahme von Flüchtlingen |
-
8.678.940 |
-> s. Erläuterung 1 |
P1.03.31.313000 |
Leistungen nach AsylbLG |
+
2.279.854 |
-
> s. Erläuterung 2 |
P1.03.31.311600 |
GruSi im Alter & b. Erw.m.(4.Kap.SGBXII) |
-
524.000 |
-> s. Erläuterung 3 |
P1.03.31.311800 |
Hilfe z. Pflege (7. Kap.SGB XII) ab 2017 |
-
476.000 |
-> s. Erläuterung 3 |
P1.03.31.311400 |
Hilfe z. Gesundheit (5. Kapitel SGB XII) |
-
300.000 |
-> s. Erläuterung 3 |
P1.03.31.314000 |
Eingliederungshilfe f. Behind.n.d.SGB IX |
-
221.240 |
-> s. Erläuterung 4 |
P1.03.31.311100 |
Hilfe z. Lebensunterh. (3. Kap. SGB XII) |
-
180.971 |
-
> s. Erläuterung 5 |
P1.03.31.311900 |
Verwaltung der Sozialhilfe |
-
120.950 |
-> s. Erläuterung 6 |
Erläuterung 1: Ende 2022
/Anfang 2023 war die Diskussion zwischen Bund und Ländern im vollen Gange,
inwieweit der Bund sich an den kommunalen Flüchtlingskosten beteiligen würde.
Seitens der Verwaltungsführung ist davon ausgegangen worden, dass hieraus
erhebliche Erstattungen zu erwarten gewesen seien. Das hat sich leider nicht
bestätigt. Die summarisch größte Erstattung aus dem „50 Millionen Paket des
Landes Niedersachsen“ betrug für den Landkreis Friesland lediglich 578.000 €
sowie die Mehreinnahmen nach dem AsylbLG (s. auch Erläuterungen unter 2.)
Erläuterung 2: Die Mehreinnahme ergab sich
aus der höheren (als prognostizierten) Zahl an Asylbewerbern, die im Rahmen der
„Kopfpauschale“ nach dem AufnG abgerechnet werden würden. Wir hatten 2022 mit
vorsichtig weniger Asylbewerbern (-170) geplant und insoweit auch weniger
Einnahmen angenommen. Trotz der Einnahmen „über Plan“ von rd. 2,3 Millionen
Euro konnten über die Pauschale nach dem AufnG kaum Erstattungen für ukrainische
Geflüchtete generiert werden, die die erheblichen Unterbringungsaufwendungen
hätten abfangen können. Dieses Missverhältnis hat seinen Ursprung in der
statistischen Meldeformel, wonach die Kopfpauschale (aktuell 11.871,00 €
p.P/Jahr) nur dann in voller Höhe ausgezahlt wird, wenn die Person an allen
fünf maßgeblichen Stichtagen im Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG
gestanden hat – ansonsten wird die Person nur anteilig zu den gemeldeten
Stichtagen berücksichtigt.
è
Folge für die kommunalen Träger: durch die Aktivierung der Massenzustromrichtlinie und der
damit einhergehenden zügigen Zuerkennung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24
AufenthG gingen ukrainische Geflüchtete bereits nach wenigen Wochen vom
AsylbLG-Bezug in den SGB II-Leistungsbezug über und waren zu den jeweiligen
Stichtagen nicht zählbar oder ggf. nur an einem von fünf Stichtagen. Die
Kommunen haben Land und Bund sehr zeitnah über dieses Melde- und
Abrechnungsproblem in Kenntnis gesetzt, was im Ergebnis zu „zusätzlichen
Zähltagen“ am 30.04. und am 31.05. führte. Dieses Zugeständnis konnte aber die
Berücksichtigung von ukrainischen Geflüchteten im Rahmen der Pauschale nach dem
AufnG nur in Teilen abfedern – ansonsten hätte die „Mehreinnahme“ in Höhe von
2,3 Mio. Euro noch deutlich höher ausfallen müssen.
è
Errichtungs-und Unterhaltskosten: ungeachtet der zu erwartenden Erstattungen hatten die
Landkreises und kreisfreien Städte binnen kurzer Frist
Unterbringungsmöglichkeiten für eine noch nicht abschätzbare Zahl an
Geflüchteten zu schaffen. Der Landkreis Friesland und seine kreiseigenen
Kommunen sind –zu Lasten des AsylbLG-Haushaltes- finanzielle Verpflichtungen in
erheblicher Höhe eingegangen, um Wohnraum für eine 1.000 bis ggf. 1.400
Personen umfassende Zahl von Menschen zu schaffen. Es lag auf der Hand, dass
diese Menschen nicht dezentral in Wohnungen untergebracht werden können, was
zur zügigen Errichtung von Gemeinschaftsunterkünften führte. So wurden:
·
die Heinz-Neukäter- Schule Roffhausen
·
die Gymnastikhalle Varel
·
die Turnhalle der BBS Varel
·
die Klaus-Bünting-Halle Sande
·
das Dorf Wangerland (kurzzeitig)
·
Waldhaus Zetel
·
am Dorfbrunnen Wangerland (Wiarden)
·
Sporthalle Kieler Str. in Schortens
ergänzend/ersetzend:
o
alte Post Bockhorn (noch in Errichtung)
o
Containerdorf Jever (statt BBS Varel)
o
ehemaliger “Edeka“ Obenstrohe
für die Unterbringung hergerichtet.
Die Kosten für die
Herrichtung und den Betrieb der Unterkünfte, die zum Teil durch externe
Betreiber realisiert werden mussten, waren aus dem laufenden Haushalt zu
bestreiten und nur in Teilen kalkulierbar. So wurden Unterkünfte (bspw. die
Klaus-Bünting-Halle in Sande), zwar aufwändig errichtet, aber über mehr als 10
Monate hinweg nicht belegt, da die vom Land avisierten Zuweisungszahlen dann
nicht in der Höhe erfolgten und von dort auch keine verlässliche Prognose zu
erhalten war. Gleichwohl waren die laufenden Kosten zu tragen, ohne dass
demgegenüber zugewiesene Geflüchtete mit dem Land abzurechnen gewesen wären.
è
Die auf diesen Produkten im 1. Halbjahr 2023 abgerechneten
Aufwendungen saldieren aktuell auf rund 4,5 Millionen Euro
Erläuterung 3: viele Geflüchtete sind aus dem
AsylbLG (aufgrund Alters) sehr zügig ins SGB XII (Grundsicherung oder Pflege)
übergegangen. Die Fallzahl hat sich erhöht und zusätzlich ab 01.01.2023 der
Regelsatz deutlich (+50 € Kopf/Monat). Zudem verfügen die Geflüchteten nicht
über Ansprüche aus der Pflegeversicherung (keine Vorversicherung), was zu
deutlich erhöhten Pflegeheimkosten und auch Gesundheitskosten („unechte
Krankenversicherung“) geführt hat.
Erläuterung 4: spürbarer Zuwachs Geflüchteter
(insbes. behinderter Kinder) auch in die EGH
Erläuterung 5: im Wesentlichen auf die
Regelsatzerhöhung ab 01.01.2023 zurückzuführen, sowie ukrainische Kinder unter
15 Jahren, die vom AsylbLG in die HLU gewechselt sind ohne über einen SGB II
Anspruch zu verfügen (z.B. Einreise ohne Elternteil)
Erläuterung 6: Verlust der Landesförderung, da
für den langzeiterkrankten Mitarbeiter kein Verwendungsnachweis erbracht werden
konnte, sowie Mehrausgaben insbes. im Rahmen der IT / Einkauf zusätzlicher
Supportleistungen im Zuge der Digitalisierung der Verwaltung
Herr Rocker erklärt, dass die beiden folgenden Vorlagen das Ergebnis des
Finanzberichts sind und die daraus resultierenden überplanmäßigen Ausgaben von
den zuständigen Gremien zu beschließen sind.
Beschlussvorschlag:
Das Gremium nimmt die geänderte Ertragslage zur Kenntnis und beschließt die
überplanmäßigen Aufwendungen des Fachbereichs 50.
Abstimmungsergebnis:
Einstimmig
beratend zur Kenntnis genommen
Ja: |
11 |