Sitzung: 23.09.2009 Ausschuss für Umwelt, Abfall und Landwirtschaft
Beschluss: einstimmig beschlossen
Vorlage: 565/2009
Der Landkreis Friesland wurde vom Landesbergamt Clausthal-Zellerfeld unterrichtet, dass eine Voruntersuchung zur Erstellung einer Potentialstudie für die Einlagerung von CO2 in Salzstöcke (CCS) auch im Landkreis durchgeführt werden soll.Der Landkreis Friesland hat sich inzwischen in einer Stellungnahme kritisch zu diesem Vorhaben geäußert. Einbezogen in diese Stellungnahme wurde auch die Haltung der Gemeinden zu dieser Thematik.
Aufgrund der in dem Erlaubnisantrag fehlenden räumlich konkretisierbaren Auswirkungen des Vorhabens kann nur auf die allgemeinen Bedenken und Belange der Raumordnung verwiesen werden. Leitvorstellung der Raumordnung ist die nachhaltige d. h. wirtschaftlich, sozial und ökologische ausgewogene Entwicklung der unterschiedlichen räumlichen Ebenen. Vor diesem Hintergrund wird die Abscheidung, der Transport und die dauerhafte Speicherung von CO2 vom Landkreis sehr kritisch betrachtet. Maßgeblich betroffen von der Speicherung und dem Transport von CO2 sind der Aufbau einer nachhaltigen Energiewirtschaft, der Umwelt-, Natur- und Bodenschutz sowie der Tourismus.
Entwicklung einer nachhaltigen Energieversorgung
Im
RROP Friesland sind als Grundsätze der Energieversorgung:
-
die Förderung der Nutzung von regenerativen
Energiepotenzialen
- die sinnvolle Nutzung von Abwärme und
Kraft-Wärme-Kopplung
- eine sichere und kostensparende
Energieversorgung und -verwendung
- die Ausrichtung an der
dezentralen Konzentration und
- die Verbesserung des
Versorgungsniveaus sowie die Verringerung des Energiebedarfs
genannt. Langfristig wird die dauerhafte Reduktion der ausgestoßenen CO2-Mengen angestrebt, die im Rahmen fossiler Energien durch Bedarfssenkung und Effezienssteigerung erreicht werden kann. Bevor also Speichermöglichkeiten angewendet werden, die zum Verlust von einmaligen geologischen Strukturen führen, müssen alle Möglichkeiten der Effizienzsteigerung, z. B. durch Kraft-Wärme-Kopplung, und rationeller Energieverwendung ausgeschöpft sein. Die CO2-Abscheidung hingegen führt bei den (Kohle-) Kraftwerken zur Reduzierung des ohnehin schon niedrigen Wirkungsgrades sowie zu einem zusätzlichen Primärenergiebedarf und einem erhöhten CO2-Ausstoß, womit sowohl der Grundsatz der rationellen Energieverwendung als auch der der CO2-Einsparung verletzt wird.
Einer energiewirtschaftlichen Nutzung von tiefliegenden geologischen Strukturen steht der Landkreis durchaus offen gegenüber. Diese müssen aber grundsätzlich reversibel sein, um die begrenzten Ressourcen langfristig für unterschiedliche Nutzungen offen halten zu können. Sie dürfen überdies keine anderen großflächigen tiefengeologische Nutzungen und Energiepotenziale wie die Geothermie ausschließen. Aufgrund der möglichen Ausdehnung der Speicherfelder von (geschätzt) mehreren Kilometern wären für weite Teile der Region gerade diese sehr gut dezentral nutzbare Energiepotenziale verloren. Lediglich eine Nutzung zur Realisierung CO2-negativer Energieerzeugungsformen, z. B. die Abspeicherung von CO2 aus Biomasseanlagen, und damit ein effektiver Beitrag zur Reduzierung der CO2-Belastung in der Atmosphäre würde mit den Zielen des Landkreises übereinstimmen.
Im Sinne der beiden vorgenannten Punkte sollte auch bei der Energieerzeugung der Grundsatz “vermeiden, verwerten, speichern” zur Reduzierung der CO2-Immissionen angewendet und in ein mögliches Fachgesetz aufgenommen werden. In diesem Sinne ist der bis in den Landkreis Wittmund reichende Salzstock Berdum-Jever (siehe auch Stellungnahme des LK Wittmund) langfristig für eine mögliche Speichernutzung zu sichern und steht für eine CO2-Einlagerung nicht zur Verfügung. Eine großtechnologische Anwendung und der Transport über erhebliche Strecken wird zudem auf den Strompreis umgelegt werden, so dass der Grundsatz einer langfristig kostensparenden Energieversorgung nicht garantiert werden kann. Dies gilt um so mehr, als die potenziellen Speicherkapazitäten nicht bekannt sind und damit die Entsorgungssicherheit nicht gewährleistet ist.
Salzkavernen
sind eine begrenzte Ressource. Ihre Verwendung sollte daher
volkswirtschaftlich nachhaltig sein. Eine einmalige Befüllung
mit Ewigkeitsstatus kommt aus unserer regionalen Sicht nicht in
Betracht, weil es im Wertschöpfungsinteresse der Region liegt,
die Salzkavernen einer wiederkehrenden, nachhaltigen Nutzung
zuzuführen. Die Salzkavernen Ost-Frieslands werden heute schon
für die Erdöl- und
Erdgasspeicherung verwendet. EWE aber auch die IVG in
Etzel, Landkreis Wittmund, wollen in den folgenden Jahren viel dafür
investieren. Aus Sicht des Landkreises Friesland sollte solchen
wiederkehrenden Nutzungen gegenüber einmaligen
Sondernutzungen eindeutig der Vorrang gegeben werden.
Salzkavernen
könnten darüber hinaus für die Speichertechnik über
Druckluftverfahren für Strom aus Windkraftanlagen in Frage
kommen.
Auch eine gesetzliche Priorisierung im Sinne einer Vorrangstellung bei Konkurrenznutzungen zu Gunsten von CCS in einem künftigen CCS-Gesetz ist daher strikt abzulehnen, damit nicht andere Planungen/Nutzungen womöglich rechtlich erschwert bzw. ins Hintertreffen geraten können.
Natur, Umwelt und Gesundheit
Bei dem derzeitigen Stand der Entwicklung können überdies die Folgen von Leckagen im Betrieb und die dauerhafte Sicherheit im Speichergestein nicht eindeutig nachgewiesen bzw. prognostiziert werden. Dies ist aber eine wichtige Voraussetzung, um die Sicherheit und Gesundheit von Menschen sowie Flora und Fauna zu gewährleisten. Dazu zählt gleichfalls, dass negative Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung auszuschließen sind und die entsprechenden Schutzzonen zu beachten sind (s. Stellungnahme der EWE Netz).
Ferner muß noch eine Bewertung der Gesamtmaßnahmen (zusätzlich eingesetzte Primärenergie, Leitungstrassen, Speicherstandorte) auf die Umwelt in den Umweltbereich aufgenommen sowie in die Abwägung eingestellt werden. Beim Screening sowie bei der Erkundung der Suchräume sind zudem zwingend die festgelegten Schutzgebiete zu beachten. Der bereits oben erörterte vermehrte Ausstoß von Immissionen ist bei einer strategischen Umweltprüfung zu berücksichtigen. Als Küstenregion ist der Landkreis stark abhängig von einem funktionierenden Küstenschutz. Durch die Erlaubnis zur Aufsuchung dürfen keine bergbaulichen Aktivitäten genehmigt werden, die zu einer Gefährdung von Deichen beiträgt. Insbesondere Bergsenkungen und –hebungen sind auszuschließen.
Große Bereich in denen sich die Salzstöcke befinden, liegen in der Marsch. Diese Landschaftseinheit hat große Bedeutung für Natur und Landschaft z.B. aufgrund der Bedeutung für Brut- oder Rastvögel aber auch für das Landschaftsbild. Die Aussolung und die Einlagerung von verflüssigtem Gas würde mit einem erheblichem Einsatz von Infrastrukturen verbunden sein. Dies würde sich negativ auf die Werte und Funktionen der betroffenen Landschaftsteile auswirken.
Erholung und Tourismus
Der Landkreis Friesland bildet gemeinsam mit den benachbarten Landkreisen auf der ostfriesischen Halbinsel einen touristischen Schwerpunkt in Niedersachsen. Allein im Landkreis Friesland trugen 515.666 Gäste und 3.588.733 Übernachtungen im Jahr 2008 maßgeblich zur Wertschöpfung bei.
Deshalb gilt es, die landschaftliche Struktur und Eigenheit sowie die Umweltqualitäten wie z. B. die Luftreinheit und Solequellen als Grundlage des Tourismus nicht zu gefährden.Bei einer Diskussion um eine “Endlagerstätte” für CO2 ist ein Imageschaden zu befürchten, der die touristische Wirtschaft nachhaltig schädigen kann. Eine rein “technisch-rationale” Betrachtung wird der Bevölkerung im Fall der CO2-Speicherung kaum zu vermitteln sein, wie das Beispiel Nordfriesland zeigt. Ein weiterer Ausbau der Nutzung tiefer liegender geologischer Strukturen darf nicht zu Lasten der bereits bestehenden wichtigen (Arznei-) Solequellen in der Stadt Varel (Ortsteil Dangast) und der Gemeinde Wangerland (Ortsteil Horumersiel-Schillig), geschehen, die wichtige Standorte im Rahmen des vom Land Niedersachsen geförderten Gesundheitstourimus und für den Tourismus im Landkreis Friesland von herausragender Bedeutung sind.
Insbesondere in der Stadt Varel wird im Ortsteil Dangast Sole zum Betrieb eines Schwimmbades sowie für die medizinische Anwendung gefördert, wobei die dabei verwendete Sole als Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes gilt. Das Nordseebad Dangast konnte durch diese Solequelle das Prädikat “Ort mit Heilquellen-Kurbetrieb” erhalten. Die Prädikatisierung und die daraus resultierende Möglichkeit den Gästen im Nordseebad Dangast die Durchführung von medizinischen Badekuren anzubieten, ist für viele Gäste ein ausschlaggebender Faktor bei der Auswahl Ihres Urlaubsortes und für die Stadt ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal im Tourismusmarkt.
Für die Förderung dieser Sole liegt eine bergrechtliche Erlaubnis (Az.: 38-28 Bewilligungsfeld Dangast) vor. Entsprechend ist das Fördergebiet auf dem Kartenserver des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie mit einer Feldgröße von ca. 25 qkm verzeichnet, wobei die genaue Ausdehnung nicht bekannt ist. Die Solequelle in Dangast greift auf ein abgeschlossenes Solevorkommen zu, so dass die unveränderte Zusammensetzung dieser etwa 40 Mio. Jahre alten Sole dauerhaft gewährleistet ist. Eine Veränderung der Soleeigenschaften durch eine Suchaktivität ist dementsprechend auszuschließen und ein großräumiger Schutzabstand zu dem Erlaubnisfeld einzuhalten.
Für räumlich konkretisierbare Fragestellungen, wie z. B. Erkundungsbohrungen, wird in der Stellungnahme des Landkreises auf das RROP des Landkreises verwiesen, in dem die lang- und mittelfristigen Entwicklungsabsichten definiert sind und aus dem sich maßgebliche Einschränkungen für das Erlaubnisfeld ergeben. Für eine großflächig angelegte Suche sind die entsprechenden Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungsgebiete für die Siedlungsentwicklung, den Naturschutz sowie die Erholung sowie deren Belange zu berücksichtigen. Insbesondere die naturschutzfachlichen Festsetzungen wie z. B. FFH- oder Natura 2000-Gebiete sind zu beachten und scheiden als Suchräume bzw. Standorte für obertägige Anlagen aus. Grundsätzlich sind die entsprechende Fachbehörden bei der Aufstellung der Rahmenbetriebspläne weiter zu beteiligen.
Verfahrensrechtliche Bedenken
Die
Erlaubnis soll langfristig der Erkundung von potenziellen
Lagerstätten zur dauerhaften Speicherung von CO2
dienen. Hierzu fehlen jedoch die fachgesetzlichen Grundlagen. Die
hilfsweise herangezogene Aufsuchung von Sole als Erlaubnisgrundlage
gemäß Bergrecht ist rechtlich zumindest nicht
unproblematisch. Im engeren Sinne handelt es sich bei der
CO2-Speicherung
nicht um einen Speicher vergleichbar mit Gas- bzw. Ölspeichern
in Kavernen, sondern um die endgültige und langfristige
Einlagerung von CO2,
für die normalerweise das Abfallrecht angewendet werden müsste.
Hinzu kommen Regelungen aus dem Bereich des Immissionsschutzes für
den Transport und die Abscheidung des Gases. Ein solches Fachgesetz,
das die unterschiedlichen Belange integriert, ist jedoch in seiner im
April 2009 vorgeschlagenen Fassung im Bundestag gescheitert und wird
voraussichtlich erst in der nächsten Legislaturperiode
entscheidungsreif werden, so dass bis dahin eine rechtlich gesicherte
Beurteilungsgrundlage fehlt.
Zusammenfassend lehnt der
Landkreis Friesland daher das gewünschte Erkundungsverfahren und
CCS-Technik im Landkreis Friesland insgesamt ab.
Aus
dem Ausschuss wurde kritisiert, dass die Lösungen für die
im Bereich der Stadt Wilhelmshaven verursachten Probleme von den
Nachbarkommunen gelöst werden sollen und dass Wilhelmshaven kein
Wärmenutzungskonzept auf den Weg bringt.
Es besteht die
Sorge, dass die CCS-Technologie in absehbarer Zeit kommen wird,
obwohl nicht feststeht, wie beherrschbar sie überhaupt ist und
die Gefahr gesehen, dass eine CCS-Speicherung andere für die
Region wichtige Nutzungsmöglichkeiten ausschließen könnte.
(Informationen zur CO2-Speicherung im Rahmen von CCS können im
Internet unter www.keine-CO2-Endlagerung.de
abgerufen werden.
Anlagen:
Antrag
B90/Die Grünen
Stellungnahme an das Bergamt.
Beschluss:
Nach
ausführlicher Diskussion erging folgender einstimmiger
Beschluss:
Der Landkreis lehnt die Einlagerung von CO2 mit Hilfe
der CCS-Technologie innerhalb des Landkreises Friesland und damit
auch die Durchführung einer entsprechenden Voruntersuchung zur
Erstellung einer Potenzialstudie ab. Er nimmt die Ausführungen
und die in diesem Verfahren ergangene Stellungnahme des Landkreises
zustimmend zur Kenntnis und bittet die Verwaltung, die friesländische
Bevölkerung über die geplanten Maßnahmen zu
informieren und alle notwendigen Maßnahmen zur Wahrnehmung der
friesländischen Interessen zu ergreifen.
Der Kreisausschuss wird um gleiche Beschlussfassung gebeten.
Abstimmungsergebnis:
-einstimmig-