Beschluss: zur Kenntnis genommen

Beschluss:

Die Ausführungen zur Anfrage werden zur Kenntnis genommen.


Die Anfrage der Partei „Die Linke“, Kreisverband Friesland, vom 21.09.2009 zu UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen liegt als Anlage an. Zu der Anfrage wird seitens der Verwaltung wie folgt Stellung genommen:


1.
Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
Das in New York am 13.12.2006 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommene und am 30.03.2007 von der Bundesregierung unterzeichnete
Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und das dazu gehörende Fakultativprotokoll zum Übereinkommen sind am 26.03.2009 in der Bundesrepublik in Kraft getreten. Niedersachsen hat dem Ratifizierungsgesetz im Bundesrat zugestimmt.


Bei dem Übereinkommen handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, der bereits bestehende Menschenrechte für die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen konkretisiert. Es verbietet die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen und garantiert ihnen die bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte. Grundlegende Menschenrechte wie das Recht auf Leben und das Recht auf Freizügigkeit finden sich deshalb im Vertrag wieder.


Das Übereinkommen berührt eine Vielzahl von behindertenpolitischen Themen, die in die originären Zuständigkeiten des Landes und der Kommune fallen. Beispielhaft sei auf Artikel 24 „Bildung“ hingewiesen.


Beim Fakultativprotokoll handelt es sich um einen eigenständigen völkerrechtlichen Vertrag. Danach ist die Einrichtung eines Vertragsausschusses vorgesehen, der die Umsetzung des Übereinkommens beobachtet. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, diesem Vertragsausschuss regelmäßig Staatenberichte vorzulegen. Zu dem Übereinkommen liegt eine umfangreiche Denkschrift des Bundes vor, die mit den Ländern abgestimmt worden ist. Die darin vorgenommene Würdigung bezeichnet das Vertragswerk als einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Recht behinderter Menschen.

Im Ergebnis wird festgestellt, dass das Übereinkommen die universellen Menschenrechte aus der Perspektive der Menschen mit Behinderungen konkretisiert und damit die Rechte von Menschen mit Behinderungen insbesondere in den Ländern stärken wird, die noch keine behindertenpolitische Gesetzgebung haben.

Für das Land Niedersachsen bedeutet das Abkommen einen weiteren Schritt der Verbesserungen in der Politik für Menschen mit Behinderungen, für die auf diverse Landesgestze wie beispielsweise auf das Nds. Schulgesetz (NSchG) hinzuweisen ist.

2.
Mögliche Umsetzungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen durch das NSchG
Nach § 14 Abs. 1 NSchG werden in der Förderschule Schülerinnen und Schüler unterrichtet und erzogen, die in ihren Entwicklungs-, Lern- und Bildungsmöglichkeiten so eingeschränkt sind, dass sie eine sonderpädagogische Förderung benötigen und diese nicht gemäß § 4 NSchG in einer Schule einer anderen Schulform erhalten können. Sonderpädagogischer Förderbedarf kann in folgenden Bereichen festgestellt werden:

Lernen, emotionale und soziale Entwicklung, Sprache, geistige Entwicklung, motorische und körperliche Entwicklung, Sehen und Hören. An der Förderschule können Abschlüsse der allgemein bildenden Schulen erworben werden.

Gemäß § 4 NSchG sollen Schülerinnen und Schüler, die einer sonderpädagogischen Förderung nach § 14 NSchG bedürfen, an allen Schulen gemeinsam mit anderen Schülerinnen und Schülern erzogen und unterrichtet werden, wenn auf diese Weise dem individuellen Förderbedarf der Schülerinnen und Schüler entsprochen werden kann und soweit es die organisatorischen, personellen und sächlichen Gegebenheiten erlauben.


3.
Begriffsbestimmungen
Wie unter 2. ausgeführt, geht § 4 NSchG von der
Integration von Schülerinnen und Schülern mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf aus.

Hierzu sei ausgeführt, dass die
Integration von der Überzeugung ausgeht, dass es zwei Typen von Kindern gibt, nämlich die „mit sonderpädagogischem Förderbedarf“ und die „ohne sonderpädagogischen Förderbedarf“. Hierdurch entsteht ungewollt ein Zwei-Gruppen-Bild: Schülerinnen/Schüler, die innerhalb des Systems vollberechtigt etabliert sind, und andere, die außerhalb stehen und sich zu integrieren haben.

Für die
Inklusion, dagegen gibt es keine zwei Gruppen von Schülerinnen/Schülern, sondern einfach Kinder und Jugendliche, die die Schülergesamtheit darstellen und die unterschiedliche Bedürfnisse haben. Viele dieser Bedürfnisse werden von der Mehrheit geteilt und bilden die gemeinsamen Erziehungs- und Bildungsbedürfnisse. Alle Schülerinnen/Schüler haben darüber hinaus individuelle Bedürfnisse, darunter auch solche besonderer Art, für deren Befriedigung die Bereitstellung spezieller Mittel und Methoden sinnvoll sein kann.

4.
Dies vorausgeschickt, wird die Anfrage der Partei „Die Linke“, Kreisverband Friesland, wie folgt beantwortet:

4.1
4.1.1
In der Hauptschule Schortens wurde mit Beginn des Schuljahres 2008/2009 in der damaligen 5. Jahrgangsstufe eine integrative Beschulung mit 5 Schülerinnen/Schülern eingeführt.

In der IGS Friesland wurde mit Schuljahresbeginn 2009/2010 in der 5. Jahrgangsstufe ein Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf aufgenommen.

In dem Lothar-Meyer-Gymnasium werden zurzeit 3 blinde Schülerinnen/Schüler sowie
ein körperbehindertes Kind integrativ beschult.

In den Berufsbildenden Schulen Jever wird zurzeit ein körperbehindertes Kind beschult.

4.1.2
Im Landkreis Friesland werden durch Kostenübernahme des örtlichen Trägers der sozialhilfe 35 Kinder und Jugendliche integrativ, d. h. mit einem Integrationshelfer, in Regel- (überwiegend Grundschulen) und Förderschulen beschult. In der Kostenträgerschaft des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe werden 102 Kinder integrativ in 13 Kindergärten betreut.

4.2
Es sind keine Schulen und Kindergärten im Landkreis Friesland bekannt, die eine integrative Betreuung von Kindern oder Jugendlichen mit Behinderung abgelehnt haben.

4.3
Wie oben zu 2. ausgeführt, soll gemäß § 4 NSchG eine gemeinsame integrative Beschulung erfolgen, soweit es die organisatorischen, personellen und sächlichen Gegebenheiten erlauben.

Dieses bedeutet, dass die jeweils geplante Maßnahme sich in die vorhandenen schulischen Strukturen ohne grundsätzliche Schwierigkeit einfügen lassen muss. Das ggf. erforderliche zusätzliche Personal mit spezifisch ausgebildeten Lehr- und Betreuungskräften muss beim Land vorhanden sein. Auch müssen Mittel für einen etwa nötigen besonderen Schülertransport und für zusätzliche Dienstreisen von Lehrkräften gesichert sein. Schließlich werden oftmals bauliche Maßnahmen wie Einrichtung von Behinderten-WC's, Umbaumaßnahmen, Auffahrtrampen und Aufzüge sowie eine besondere Ausstattung (Sitzmöbel, Arbeitsgeräte etc.) als zusätzliche Investition erforderlich sein. Nur dort, wo alle Voraussetzungen jeweils sicher erfüllt werden können, kann eine Integrationsmaßnahme beginnen.

Hier sei ergänzend ausgeführt, dass die Förderschulen regelmäßig in räumlicher, sächlicher und personeller Hinsicht den individuellen Bedürfnissen der dort beschulten Schülerinnen/Schüler, insbesondere auch was die Klassengröße angeht, deutlich besser angepasst sind. Hierin mag auch der Grund zu sehen sein, weshalb nach den Rückmeldungen die Förderschulen nach wie vor von den Erziehungsberechtigten von Kindern mit entsprechend festgestelltem Förderbedarf nachgefragt werden. Offensichtlich gehen viele Erziehungsberechtigte davon aus, dass die Förderschule den Bedürfnissen ihrer Kinder (besser) gerecht werden.

4.3.1
Es besteht die Möglichkeit der Einrichtung von Integrationsklassen im 1. bis 10. Schuljahrgang der allgemein bildenden Schulen nach § 23 Abs. 3 NSchG.

Nach § 23 Abs. 3 NSchG können im 1. bis 10. Schuljahrgang der allgemein bildenden Schulen Integrationsklassen eingerichtet werden, in denen Schülerinnen und Schüler, die einer sonderpädagogischen Förderung bedürfen, gemeinsam mit anderen Schülerinnen und Schülern unterrichtet werden und in denen die
Leistungsanforderungen der unterschiedlichen Lernfähigkeit der Schülerinnen und Schüler entsprechen.

4.3.2
Nach § 14 Abs. 4 NSchG ist die Förderschule zugleich sonderpädagogisches Förderzentrum für Unterricht und Erziehung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die andere Schulen besuchen. Das sonderpädagogische Förderzentrum unterstützt die schulische Integration von Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf.

4.3.3
Gemäß § 22 Abs. 1 NSchG können zur Erprobung neuer pädagogischer und organisatorischer Konzeptionen sowie zur Überprüfung und Fortentwicklung vorhandener Modelle Schulversuche durchgeführt werden; hierzu können auch Versuchsschulen eingerichtet werden. Bei Schulversuchen kann von den Schulformen der §§ 6, 9 – 12 und 14 – 20 (ergo: auch Förderschulen) abgewichen werden.

4.3.4
Eine Integration kann im Einzelnen stattfinden als so genannte zielgleiche Integration; dann soll sie Teilleistungsschwächen einer Schülerinnen oder eines Schülers auf ihrem/seinem Wege zum gemeinsamen Abschlussprofil der Klasse ausgleichen. Sie kann aber auch zieldifferent sein, d. h. - wie zum Beispiel bei Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf im Bereich der geistigen Entwicklung – zu einem anderen Abschlussprofil als dem der gemeinsam besuchten Klasse führen. Nach der Rahmenplanung des Nds. Kultusministeriums zum Fortführen der Integration erfordert der Ausbau eines integrativen Systems sonderpädagogischer Förderung eine flächendeckende Umstrukturierung des Systems der sonderpädagogischen Hilfen zu mehr gemeinsamem Unterricht. Zur Verwirklichung dieses Ziels sollen vor Ort von den Beteiligten (Erziehungsberechtigte, Schulen, Schulaufsicht, Schulträger) regionale Integrationskonzepte entwickelt werden, die für die Schülerinnen und Schüler eine gemeinsame wohnortnahe Beschulung gewährleisten, vorhandene sonderpädagogische Angebote bündeln und von Förderschulen als Förderzentren koordiniert und organisiert werden sollen. Möglichkeiten des gemeinsamen Lernens können wie folgt organisiert werden:

4.3.4.1
Sonderpädagogische Grundversorgung in der Grundschule durch Zuweisung von Förderschullehrerstunden zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Problemen beim Lernen, im emotionalen und sozialen Bereich, in der Sprache und beim Sprechen.

4.3.4.2
Sonderpädagogische Förderung im Rahmen eines mobilen Dienstes durch Förderschullehrkräfte für Schülerinnen und Schüler mit einer körperlichen oder einer Sinnesbeeinträchtigung (sehbehindert, blind, gehörlos, schwerhörig), die den Lernanforderungen der allgemeinen Schule entsprechen, aber spezifische Hilfe benötigen.

4.3.4.3
Kooperationsklasse an einer allgemein bildenden Schule, die organisatorisch zu einer Förderschule als Förderzentrum gehört, die auf Basis einer Vereinbarung nach § 25 NSchG pädagogisch eng mit der allgemein bildenden Schule zusammenarbeitet oder die zu einem Förderschulzweig einer Schule gehört, in der Förderschule und allgemeine Schule nach § 106 Abs. 5 NSchG zusammengefasst sind.

4.3.4.4
Zieldifferente Unterrichtung in Integrationsklassen dort, wo kooperative Formen (z. B. in Kooperationsklassen zwischen Förderschulen mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung und allgemeinen Schulen) nicht eingeführt oder räumlich zu weit entfernt sind.


Frau Kindo erklärt, dass Menschen mit Behinderungen seit dem 26.03.2009 grundsätzlich nicht von Schulen abgewiesen werden können, wenn Eltern den Wunsch des dortigen Schulbesuchs für ihr Kind haben. Auf die Schulausstattung für eine solche Herausforderung sei jedoch zu achten.


HerrWehnemann bemerkt dazu, dass die Kindertagesstätten im Landkreis Friesland bereits flächendeckend mit Integrationsgruppen ausgestattet sind.


Herr Beier stellt dar, dass es im Landkreis Friesland eine Integration gäbe. Eine Inklusion wäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht durchführbar, da dazu der gesamte Primarbereich umgestellt werden müsse. Dieses sei durch das Land Niedersachsen nicht leistbar.

Im Landkreis Friesland gibt es ein Regionales Integrationskonzept („Lernen unter einem Dach“), an dem 18 Grundschulen (12 im Südkreis, 6 im Nordkreis) beteiligt sind. Trotz dieser dort durchgeführten integrativen Beschulung kann auf die Förderschulen L in Varel und Jever (Primarbereich) nicht verzichtet werden. Die Förderung in den Regel-Grundschulen sei häufig nicht ausreichend, da die Lerngruppen zu groß seien. Trotz Ausstattung mit Förderstunden kann den Kindern oftmals nicht ausreichende Förderung gewährt werden, so dass sich Eltern mit dem Wunsch einer Beschulung ihrer Kinder an der Förderschule an die Landesschulbehörde wenden.

Die Hauptschule Schortens ist zur Zeit die einzige Schule im Landkreis Friesland die 5 Kinder mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf in Klasse 6 beschult. Hierzu erhält die Hauptschule Schortens je Kind 3 Stunden einer Förderlehrkraft zusätzlich.


Es wird festgestellt, dass Inklusion nicht nur auf die Integration von behinderten Schülerinnen und Schülern in das Regelschulsystem abstellt, sondern dass damit die gemeinsame Beschulung aller Schülerinnen und Schüler von Förderschule bis Gymnasium gemeint ist.