Sitzung: 01.12.2009 Ausschuss für Schule, Sport und Kultur
Beschluss: zur Kenntnis genommen
Vorlage: 598/2009
Beschluss:
Die Ausführungen zur Anfrage werden zur Kenntnis genommen.
Die Anfrage der Partei „Die Linke“, Kreisverband Friesland, vom 21.09.2009 zu UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen liegt als Anlage an. Zu der Anfrage wird seitens der Verwaltung wie folgt Stellung genommen:
1.
Übereinkommen
der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen
Das in New
York am 13.12.2006 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen
angenommene und am 30.03.2007 von der Bundesregierung unterzeichnete
Übereinkommen
der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen und das dazu gehörende Fakultativprotokoll
zum Übereinkommen sind am 26.03.2009 in der Bundesrepublik in
Kraft getreten. Niedersachsen hat dem Ratifizierungsgesetz im
Bundesrat zugestimmt.
Bei
dem Übereinkommen handelt es sich um einen
völkerrechtlichen Vertrag, der bereits bestehende Menschenrechte
für die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen
konkretisiert. Es verbietet die Diskriminierung von Menschen mit
Behinderungen in allen Lebensbereichen und garantiert ihnen die
bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und
kulturellen Menschenrechte. Grundlegende Menschenrechte wie das Recht
auf Leben und das Recht auf Freizügigkeit finden sich deshalb im
Vertrag wieder.
Das Übereinkommen berührt eine Vielzahl von behindertenpolitischen Themen, die in die originären Zuständigkeiten des Landes und der Kommune fallen. Beispielhaft sei auf Artikel 24 „Bildung“ hingewiesen.
Beim
Fakultativprotokoll handelt es sich um einen eigenständigen
völkerrechtlichen Vertrag. Danach ist die Einrichtung eines
Vertragsausschusses vorgesehen, der die Umsetzung des Übereinkommens
beobachtet. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, diesem
Vertragsausschuss regelmäßig Staatenberichte vorzulegen.
Zu dem Übereinkommen liegt eine umfangreiche Denkschrift des
Bundes vor, die mit den Ländern abgestimmt worden ist. Die darin
vorgenommene Würdigung bezeichnet das Vertragswerk als einen
wichtigen Schritt zur Stärkung der Recht behinderter
Menschen.
Im Ergebnis wird festgestellt, dass das
Übereinkommen die universellen Menschenrechte aus der
Perspektive der Menschen mit Behinderungen konkretisiert und damit
die Rechte von Menschen mit Behinderungen insbesondere in den Ländern
stärken wird, die noch keine behindertenpolitische Gesetzgebung
haben.
Für das Land Niedersachsen bedeutet das Abkommen
einen weiteren Schritt der Verbesserungen in der Politik für
Menschen mit Behinderungen, für die auf diverse Landesgestze wie
beispielsweise auf das Nds. Schulgesetz (NSchG) hinzuweisen
ist.
2.
Mögliche Umsetzungen des Übereinkommens
der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen durch das NSchG
Nach § 14 Abs. 1 NSchG
werden in der Förderschule Schülerinnen und Schüler
unterrichtet und erzogen, die in ihren Entwicklungs-, Lern- und
Bildungsmöglichkeiten so eingeschränkt sind, dass sie eine
sonderpädagogische Förderung benötigen und diese nicht
gemäß § 4 NSchG in einer Schule einer anderen
Schulform erhalten können. Sonderpädagogischer Förderbedarf
kann in folgenden Bereichen festgestellt werden:
Lernen,
emotionale und soziale Entwicklung, Sprache, geistige Entwicklung,
motorische und körperliche Entwicklung, Sehen und Hören. An
der Förderschule können Abschlüsse der allgemein
bildenden Schulen erworben werden.
Gemäß §
4 NSchG sollen Schülerinnen und Schüler, die einer
sonderpädagogischen Förderung nach § 14 NSchG
bedürfen, an allen Schulen gemeinsam mit anderen Schülerinnen
und Schülern erzogen und unterrichtet werden, wenn auf diese
Weise dem individuellen Förderbedarf der Schülerinnen und
Schüler entsprochen werden kann und soweit es die
organisatorischen, personellen und sächlichen Gegebenheiten
erlauben.
3.
Begriffsbestimmungen
Wie
unter 2. ausgeführt, geht § 4 NSchG von der Integration
von Schülerinnen und Schülern mit einem sonderpädagogischen
Förderbedarf aus.
Hierzu sei ausgeführt, dass die
Integration von der
Überzeugung ausgeht, dass es zwei Typen von Kindern gibt,
nämlich die „mit sonderpädagogischem Förderbedarf“
und die „ohne sonderpädagogischen Förderbedarf“.
Hierdurch entsteht ungewollt ein Zwei-Gruppen-Bild:
Schülerinnen/Schüler, die innerhalb des Systems
vollberechtigt etabliert sind, und andere, die außerhalb stehen
und sich zu integrieren haben.
Für die Inklusion,
dagegen gibt es keine zwei Gruppen von Schülerinnen/Schülern,
sondern einfach Kinder und Jugendliche, die die Schülergesamtheit
darstellen und die unterschiedliche Bedürfnisse haben. Viele
dieser Bedürfnisse werden von der Mehrheit geteilt und bilden
die gemeinsamen Erziehungs- und Bildungsbedürfnisse. Alle
Schülerinnen/Schüler haben darüber hinaus individuelle
Bedürfnisse, darunter auch solche besonderer Art, für deren
Befriedigung die Bereitstellung spezieller Mittel und Methoden
sinnvoll sein kann.
4.
Dies vorausgeschickt, wird die
Anfrage der Partei „Die Linke“, Kreisverband Friesland,
wie folgt beantwortet:
4.1
4.1.1
In der Hauptschule
Schortens wurde mit Beginn des Schuljahres 2008/2009 in der damaligen
5. Jahrgangsstufe eine integrative Beschulung mit 5
Schülerinnen/Schülern eingeführt.
In der IGS
Friesland wurde mit Schuljahresbeginn 2009/2010 in der 5.
Jahrgangsstufe ein Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf
aufgenommen.
In dem Lothar-Meyer-Gymnasium werden zurzeit 3
blinde Schülerinnen/Schüler sowie ein
körperbehindertes Kind integrativ beschult.
In den
Berufsbildenden Schulen Jever wird zurzeit ein körperbehindertes
Kind beschult.
4.1.2
Im Landkreis Friesland werden durch
Kostenübernahme des örtlichen Trägers der sozialhilfe
35 Kinder und Jugendliche integrativ, d. h. mit einem
Integrationshelfer, in Regel- (überwiegend Grundschulen) und
Förderschulen beschult. In der Kostenträgerschaft des
überörtlichen Trägers der Sozialhilfe werden 102
Kinder integrativ in 13 Kindergärten betreut.
4.2
Es
sind keine Schulen und Kindergärten im Landkreis Friesland
bekannt, die eine integrative Betreuung von Kindern oder Jugendlichen
mit Behinderung abgelehnt haben.
4.3
Wie oben zu 2.
ausgeführt, soll gemäß § 4 NSchG eine gemeinsame
integrative Beschulung erfolgen, soweit es die organisatorischen,
personellen und sächlichen Gegebenheiten erlauben.
Dieses
bedeutet, dass die jeweils geplante Maßnahme sich in die
vorhandenen schulischen Strukturen ohne grundsätzliche
Schwierigkeit einfügen lassen muss. Das ggf. erforderliche
zusätzliche Personal mit spezifisch ausgebildeten Lehr- und
Betreuungskräften muss beim Land vorhanden sein. Auch müssen
Mittel für einen etwa nötigen besonderen Schülertransport
und für zusätzliche Dienstreisen von Lehrkräften
gesichert sein. Schließlich werden oftmals bauliche Maßnahmen
wie Einrichtung von Behinderten-WC's, Umbaumaßnahmen,
Auffahrtrampen und Aufzüge sowie eine besondere Ausstattung
(Sitzmöbel, Arbeitsgeräte etc.) als zusätzliche
Investition erforderlich sein. Nur dort, wo alle Voraussetzungen
jeweils sicher erfüllt werden können, kann eine
Integrationsmaßnahme beginnen.
Hier sei ergänzend
ausgeführt, dass die Förderschulen regelmäßig in
räumlicher, sächlicher und personeller Hinsicht den
individuellen Bedürfnissen der dort beschulten
Schülerinnen/Schüler, insbesondere auch was die
Klassengröße angeht, deutlich besser angepasst sind.
Hierin mag auch der Grund zu sehen sein, weshalb nach den
Rückmeldungen die Förderschulen nach wie vor von den
Erziehungsberechtigten von Kindern mit entsprechend festgestelltem
Förderbedarf nachgefragt werden. Offensichtlich gehen viele
Erziehungsberechtigte davon aus, dass die Förderschule den
Bedürfnissen ihrer Kinder (besser) gerecht werden.
4.3.1
Es
besteht die Möglichkeit der Einrichtung von Integrationsklassen
im 1. bis 10. Schuljahrgang der allgemein bildenden Schulen nach §
23 Abs. 3 NSchG.
Nach § 23 Abs. 3 NSchG können im
1. bis 10. Schuljahrgang der allgemein bildenden Schulen
Integrationsklassen eingerichtet werden, in denen Schülerinnen
und Schüler, die einer sonderpädagogischen Förderung
bedürfen, gemeinsam mit anderen Schülerinnen und Schülern
unterrichtet werden und in denen die Leistungsanforderungen
der unterschiedlichen Lernfähigkeit der Schülerinnen und
Schüler entsprechen.
4.3.2
Nach § 14 Abs. 4 NSchG
ist die Förderschule zugleich sonderpädagogisches
Förderzentrum für Unterricht und Erziehung von Schülerinnen
und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die
andere Schulen besuchen. Das sonderpädagogische Förderzentrum
unterstützt die schulische Integration von Schülerinnen und
Schülern mit Förderbedarf.
4.3.3
Gemäß
§ 22 Abs. 1 NSchG können zur Erprobung neuer pädagogischer
und organisatorischer Konzeptionen sowie zur Überprüfung
und Fortentwicklung vorhandener Modelle Schulversuche durchgeführt
werden; hierzu können auch Versuchsschulen eingerichtet werden.
Bei Schulversuchen kann von den Schulformen der §§ 6, 9 –
12 und 14 – 20 (ergo: auch Förderschulen) abgewichen
werden.
4.3.4
Eine Integration kann im Einzelnen
stattfinden als so genannte zielgleiche Integration; dann soll sie
Teilleistungsschwächen einer Schülerinnen oder eines
Schülers auf ihrem/seinem Wege zum gemeinsamen Abschlussprofil
der Klasse ausgleichen. Sie kann aber auch zieldifferent sein, d. h.
- wie zum Beispiel bei Schülerinnen und Schülern mit
Förderbedarf im Bereich der geistigen Entwicklung – zu
einem anderen Abschlussprofil als dem der gemeinsam besuchten Klasse
führen. Nach der Rahmenplanung des Nds. Kultusministeriums zum
Fortführen der Integration erfordert der Ausbau eines
integrativen Systems sonderpädagogischer Förderung eine
flächendeckende Umstrukturierung des Systems der
sonderpädagogischen Hilfen zu mehr gemeinsamem Unterricht. Zur
Verwirklichung dieses Ziels sollen vor Ort von den Beteiligten
(Erziehungsberechtigte, Schulen, Schulaufsicht, Schulträger)
regionale Integrationskonzepte entwickelt werden, die für die
Schülerinnen und Schüler eine gemeinsame wohnortnahe
Beschulung gewährleisten, vorhandene sonderpädagogische
Angebote bündeln und von Förderschulen als Förderzentren
koordiniert und organisiert werden sollen. Möglichkeiten des
gemeinsamen Lernens können wie folgt organisiert
werden:
4.3.4.1
Sonderpädagogische Grundversorgung in
der Grundschule durch Zuweisung von Förderschullehrerstunden zur
Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Problemen
beim Lernen, im emotionalen und sozialen Bereich, in der Sprache und
beim Sprechen.
4.3.4.2
Sonderpädagogische Förderung
im Rahmen eines mobilen Dienstes durch Förderschullehrkräfte
für Schülerinnen und Schüler mit einer körperlichen
oder einer Sinnesbeeinträchtigung (sehbehindert, blind,
gehörlos, schwerhörig), die den Lernanforderungen der
allgemeinen Schule entsprechen, aber spezifische Hilfe
benötigen.
4.3.4.3
Kooperationsklasse
an einer allgemein bildenden Schule, die organisatorisch zu einer
Förderschule als Förderzentrum gehört, die auf Basis
einer Vereinbarung nach § 25 NSchG pädagogisch eng mit der
allgemein bildenden Schule zusammenarbeitet oder die zu einem
Förderschulzweig einer Schule gehört, in der Förderschule
und allgemeine Schule nach § 106 Abs. 5 NSchG zusammengefasst
sind.
4.3.4.4
Zieldifferente Unterrichtung in
Integrationsklassen dort, wo kooperative Formen (z. B. in
Kooperationsklassen zwischen Förderschulen mit dem Schwerpunkt
Geistige Entwicklung und allgemeinen Schulen) nicht eingeführt
oder räumlich zu weit entfernt sind.
Frau Kindo erklärt, dass Menschen mit Behinderungen seit dem 26.03.2009 grundsätzlich nicht von Schulen abgewiesen werden können, wenn Eltern den Wunsch des dortigen Schulbesuchs für ihr Kind haben. Auf die Schulausstattung für eine solche Herausforderung sei jedoch zu achten.
HerrWehnemann bemerkt dazu, dass die Kindertagesstätten im Landkreis Friesland bereits flächendeckend mit Integrationsgruppen ausgestattet sind.
Herr Beier stellt dar, dass es im Landkreis Friesland eine Integration gäbe. Eine Inklusion wäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht durchführbar, da dazu der gesamte Primarbereich umgestellt werden müsse. Dieses sei durch das Land Niedersachsen nicht leistbar.
Im Landkreis Friesland gibt es ein Regionales Integrationskonzept („Lernen unter einem Dach“), an dem 18 Grundschulen (12 im Südkreis, 6 im Nordkreis) beteiligt sind. Trotz dieser dort durchgeführten integrativen Beschulung kann auf die Förderschulen L in Varel und Jever (Primarbereich) nicht verzichtet werden. Die Förderung in den Regel-Grundschulen sei häufig nicht ausreichend, da die Lerngruppen zu groß seien. Trotz Ausstattung mit Förderstunden kann den Kindern oftmals nicht ausreichende Förderung gewährt werden, so dass sich Eltern mit dem Wunsch einer Beschulung ihrer Kinder an der Förderschule an die Landesschulbehörde wenden.
Die Hauptschule Schortens ist zur Zeit die einzige Schule im Landkreis Friesland die 5 Kinder mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf in Klasse 6 beschult. Hierzu erhält die Hauptschule Schortens je Kind 3 Stunden einer Förderlehrkraft zusätzlich.
Es wird festgestellt, dass Inklusion nicht nur auf die Integration von behinderten Schülerinnen und Schülern in das Regelschulsystem abstellt, sondern dass damit die gemeinsame Beschulung aller Schülerinnen und Schüler von Förderschule bis Gymnasium gemeint ist.