Beschluss: zur Kenntnis genommen

Kreistagsvorsitzender Pauluschke verwies auf die Beschlussfassung des Kreisausschusses vom 20. September 2010, die heute eine Entscheidung des Kreistages entbehrlich mache. Gleichwohl sollte der Beschluss erläutert werden, weil zum Thema in den vergangenen Tagen eine umfassende öffentliche Berichterstattung erfolgt sei.


Landrat Ambrosy schilderte die eingehenden Beratungen der vergangenen Monate in den Gremien des Kreistages. Die Frage, ob man das Optionsmodell oder die Fortsetzung der Arge in der Struktur einer sog. gemeinsamen Einrichtung favorisiere, hänge davon ab, welchem Schwerpunkt der Arbeit eine größere Gewichtung zugemessen werde. Ein Richtig oder Falsch gebe es in dieser Grundsatzentscheidung nicht.


In der Sitzung des Kreisausschusses am 1. September 2010 habe sich das Gremium neben den bislang bestehenden Varianten „Fortführung einer gemeinsamen Einrichtung nach den bisherigen Kriterien“ und „Beantragung des Optionsmodells“ für einen dritten, neuen Lösungsweg ausgesprochen: Die Kreisverwaltung habe den Auftrag erhalten, zu 24 von ihr aufgestellten entscheidungsrelevanten Fragen in Gesprächen mit der Agentur für Arbeit Lösungen im Interesse des Landkreises Friesland zu verhandeln und damit die Basis für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Einrichtung mit neuen Gewichtungen zu schaffen.


In einer ausführlichen Besprechung zwischen Vertretern des Kreises und der AfA am 8. September 2010 seien für den Landkreis Friesland zufrieden stellende und kompromissfähige Ergebnisse in allen Punkten erzielt worden. Der Kreisausschuss habe das Verhandlungsergebnis am 20. September 2010 zustimmend zur Kenntnis genommen und die Verwaltung beauftragt, auf Basis dieser neuen Eckpunkte ein Vertragswerk mit entsprechenden Inhalten mit der Agentur für Arbeit auszuhandeln. Eine Beschlussfassung des Kreistages am 22. September 2010 über eine evtl. Antragstellung „Option“ entfalle damit.


Die Verwaltung, so der Landrat, werde in diesem Sinne in den kommenden Wochen vertiefende Gespräche mit der AfA führen und einen Vertragsentwurf und ggf. Zusatzvereinbarungen erarbeiten, die man den Gremien vorlegen werde. Wenn die vertragliche Vereinbarung mit der AfA ihre Zustimmung finde, könne ab 1.1.2011 die Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Einrichtung fortgesetzt werden.


Namens der SPD/FDP-Gruppe stellte Frau Schlieper fest, die bisherige Arbeit des Job-Centers Friesland sehe man positiv, gleichwohl wolle man durch neu auszuhandelnde Kriterien vor allem für die Kunden des Job-Centers eine stetige Verbesserung erlangen. Man erwarte eine zukünftig engere Verknüpfung örtlicher und regionaler Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramme und eine größere Flexibilität bei den Beschlüssen der Trägerversammlung. Die SPD/FDP-Gruppe begrüße das Gesprächsergebnis vom 8. September 2010, das nun in eine verbindliche Vereinbarung einzubringen sei.


Kreistagsabgeordneter Chmielewski/MMW schilderte seine grundsätzlich positive Haltung zu Gunsten des Optionsmodells. Sollte das zwischen Landkreis und Agentur für Arbeit zu erarbeitende Vertragswerk zufrieden stellen, werde er den aufgezeigten „dritten Weg“ einer gemeinsamen Einrichtung unter neuen Konditionen aber mittragen können.


Kreistagsabgeordneter Just stellte dar, die BfB-Fraktion habe den Eindruck gewonnen, in den Auseinandersetzungen der vergangenen Zeit sei es in erster Linie um die Verfügungsgewalt über das Jahresbudget von 30 Mio. Euro und das entsprechende Personal gegangen. Die Situation der Mitarbeiter/innen der Arge sei unbefriedigend. Hauptziel der Arbeit der Arge sei es, die Leistungszahlungen an die Betroffenen möglichst zu senken – nicht durch Vermittlung in Arbeit, sondern durch Kürzung der zustehenden Leistungen.


2009 seien sowohl bei den Leistungszahlungen als auch bei den Unterkunftskosten 20 % an Einsparungen erzielt worden. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften sei aber nur um 6,4 % gesunken. Die Ausgaben für die Betroffenen seien demnach dreimal so stark gesenkt worden wie die Zahl der Leistungsempfänger. Nur zu einem Drittel seien die erzielten Einsparungen durch die Verringerung der Zahl der Bedürftigen erreicht worden, zwei Drittel basierten auf gesenkten Leistungen für die Empfänger. - Von einer Senkung der Bürokratiekosten sei nicht die Rede.


Auch die geringe Zahl von Widersprüchen gegen Leistungsbescheide sei positiv hervor gehoben worden. Nur zu 9,5 % sei erhobenen Widersprüchen entsprochen worden. - Die Masse der Empfänger könne sich aber rechtlich nur schlecht wehren, weil 33,4 % der arbeitsfähigen Hartz-IV-Empfänger über keinen Schulabschluss und keine Ausbildung verfügten und die übrigen Empfänger schlecht ausgebildet seien.


Die Erfolgsquote vor Gericht dagegen liege bei 30 – 40 % . Diese Zahlen seien aus Sicht der BfB ein Anzeichen dafür, dass die Arge die Abhängigkeit der Leistungsempfänger ausnutze und sie um einen berechtigten Teil ihrer Ansprüche bringe. - Diese Fakten seien im verhandelten Fragenkatalog der Verwaltung mit keinem Wort thematisiert worden.


Kreistagsabgeordneter Kammer stellte fest, die von Herrn Just erhobenen Vorwürfe seien fairerweise vor dem Hintergrund zu bewerten, dass die Bundesregierung in den vergangenen Jahren wesentliche Veränderungen am Arbeitsmarkt vorgenommen habe. Diese Regelungen hätten zu gewissen Entlastungen und einer Senkung der Fallzahlen geführt.


Die CDU-Fraktion begrüße den nun gefundenen Weg, das Job-Center Friesland im Ergebnis der Verhandlungen stärker zu machen. Auf der Basis einer vertraglichen Vereinbarung werde dieses Modell Erfolg haben. Für die zu betreuenden Menschen sei es wichtig, auch zukünftig eine optimale Beratung und Hilfestellung vorzufinden. Ziel aller Bemühungen müsse es sein, den Menschen wieder zu Arbeit und damit Menschenwürde zu verhelfen.


Basis aller Verhandlungen sei die Umsetzung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichtes. Dabei gehe es um die Position der Kunden, aber auch um die in der Arge beschäftigten Mitarbeiter/innen, die Sicherheit in der Zukunft ihrer Arbeitsverhältnisse erwarteten. In ihrer aller Interesse habe man sich gemeinsam um eine befriedigende Lösung bemüht.


Kreistagsabgeordnete Kindo regte an, im Rahmen der Verhandlungen mit der Agentur für Arbeit dringend auch die Notwendigkeit anzusprechen, für die Kunden des Job-Centers eine ehrenamtlich besetzte Anlaufstelle zu schaffen. Die Arbeitsloseninitiative Wilhelmshaven-Friesland arbeite ehrenamtlich und leiste gute Arbeit. Es wäre denkbar, diesen Kräften ein Büro zur Verfügung zu stellen und mit ihrer Beratungstätigkeit den Menschen helfen zu können, wenn es um Leistungsbescheide oder Leistungsberechnungen gehe.


Kreistagsabgeordneter Burgenger sprach die Position der CDU-Fraktion an, die sich vor fünf Jahren für das Optionsmodell ausgesprochen habe und jetzt die Fortführung der Arge favorisiere. In den fünf Jahren der Arbeit des Job-Centers Friesland habe es doch häufig „Sand im Getriebe“ gegeben. Die Option sei nach seiner Einschätzung daher, so Burgenger, die grundsätzlich bessere Lösung.


Aus Westerstede und Osnabrück habe man sich in den Gremien über die dortigen positiven Erfahrungen mit dem Optionsmodell berichten und sich dafür begeistern lassen. Keine der in Deutschland vorhandenen Optionskommunen trete von dieser Struktur zurück. - Vor diesem Hintergrund sei die Haltung der CDU-Fraktion, an der Zusammenarbeit mit der AfA festzuhalten, schwer nachvollziehbar.


Dennoch müsse der Kreistag eine möglichst einvernehmliche Lösung finden; die weiter mit der AfA zu führenden Verhandlungen seien insofern zu begrüßen. Es bleibe abzuwarten, ob die seitens der Bundesagentur gemachten Versprechungen belastbar und vertraglich umsetzbar seien. - Ein Ombudsmann als Anlaufstelle für die Kundenrechte der Leistungsempfänger sei geeignet, vor allem ihre Beschwerden zu sammeln und am Jahresende jeweils ein Resümee zu ziehen. Im Rahmen der weiteren Gespräche stelle diese Position eine wichtige Forderung dar, die vertraglich mit der AfA zu fixieren sei. Das Verhandlungsergebnis der kommenden Wochen bleibe abzuwarten.


Kreistagsabgeordneter Böcker verwies auf seine bereits seit Jahren ergangenen Hinweise auf Probleme im Job-Center Friesland. Leider hätten die erbetenen Gespräche mit der Führung des Job-Centers zu diesen Themen nicht stattgefunden. Um Verbesserungen zu erreichen, hätte sich die SDV sehr wohl ein Optionsmodell vorstellen können. Nunmehr warte man das Ergebnis der weiteren Gespräche mit der Agentur für Arbeit ab.


Kreistagsabgeordneter Kammer stellte fest, die Arbeit der Arge sei unbestritten gut, obgleich Verbesserungen natürlich möglich seien. Das Job-Center nehme einen höchst sensiblen Aufgabenbereich wahr, in dem Beschwerden der Kunden sehr wahrscheinlich seien.


Vor fünf Jahren habe die CDU-Fraktion die demokratische Entscheidung des Kreistages, sich für das Job-Center auszusprechen, positiv begleitet. Die Arbeit der Einrichtung sei erfolgreich. Auf der Basis des nun zu erarbeitenden Vertragswerkes werde man gemeinsam zu entscheiden haben, ob man den Weg der gemeinsamen Einrichtung mit der AfA fortsetze. Die Position der CDU-Fraktion stelle insofern keine „Rolle rückwärts“ dar.


Landrat Ambrosy erklärte, die Verwaltung werde die Schaffung einer Ombudsstelle mit in die Verhandlungen aufnehmen; über eine entsprechende Mittlerstelle habe sich auch die Verwaltung Gedanken gemacht.


Entgegen den von Herrn Just erhobenen Vorwürfen gelte bei der Leistungsgewährung Recht und Gesetz und nicht das Sparen um jeden Preis. Alles sei rechtsstaatlich überprüfbar. Zu berücksichtigen sei auch, dass es um eine komplexe und schwierige rechtliche Materie gehe, die selbst Fachleute vor Probleme stelle.


Die Verwaltung nehme für sich in Anspruch, jedem Hinweis nachgegangen zu sein. Im Sozialausschuss habe man darüber berichtet. Der Landkreis wolle in der zukünftigen Zusammenarbeit mit der Bundesagentur die kommunalen Zuständigkeiten stärker eingebracht wissen. Insbesondere Arbeitsmarkthemmnisse gelte es zu beseitigen. Große Hoffnung setze man hier auf eine stärkere Zusammenarbeit der gemeinsamen Einrichtung mit dem Jugendamt und der neu zu gründenden Bildungsregion.


Hinsichtlich der von Herrn Just genannten Senkung der Bedarfsgemeinschaften um 6,4 % gelte es die richtigen Zusammenhänge herzustellen: Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften müsse prozentual nicht zwangsläufig im selben Maße sinken wie die Auszahlungen an Bedarfsgemeinschaften. Die Ausgaben reduzierten sich dann überproportional, wenn sich vor dem Hintergrund einer niedrigen Arbeitslosenquote von 6,11 % die Zusammensetzung der jeweiligen BG ändere. Diese komplexen Zusammenhänge sollten in einer Sitzung des Sozialausschusses mit allen entscheidenden Parametern einmal deutlich dargestellt werden.


Der Kreisausschuss habe in seiner Sitzung am 20. September 2010 überdies auch empfohlen, alle befristet beschäftigten MitarbeiterInnen fest einzustellen. Der Kreistag entscheide heute abschließend. Für diese Mitarbeiter/innen gebe es nunmehr, unabhängig von der Grundsatzentscheidung der zukünftigen Rechtsform, eine verbindliche Sicherung des Arbeitsplatzes.


Der Kreistag nahm die Entscheidungen des Kreisausschusses vom 1. und 20. September 2010 sowie die abgegebenen Erklärungen zur Kenntnis.