Beschluss: zur Kenntnis genommen

Kreistagsabgeordneter Neugebauer sprach TOP 4.2.1 der Schulausschuss-Niederschrift – Weiterentwicklung der berufsbildenden Schulen in Jever und Varel – an. Der Ausschuss habe die Angelegenheit zur weiteren Beratung in die Fraktionen verwiesen. Die Verwaltung sei gebeten worden, mit den betroffenen Ausbildungsbetrieben und der Kreishandwerkerschaft über die geplante zukünftige Entwicklung der Berufsbildenden Schulen zu sprechen.


Unmut sei bei den Beteiligten entstanden, weil sehr kurzfristig ein Gespräch anberaumt worden sei, das in erster Linie wie eine Informationsveranstaltung der Kreisverwaltung abgelaufen sei. Einwände und Kritik hätten im Grunde kaum Berücksichtigung gefunden.


Am 10. Oktober 2012 habe der Kreisausschuss die Neuausrichtung der berufsbildenden Schulen Varel und Jever in eigener Zuständigkeit beschlossen. Zu diesem doch bedeutenden Beschluss habe es so gut wie keine Vorabinformationen gegeben. Zukünftig sollten die Kreistagsmitglieder bei Maßnahmen dieser Tragweite vorab informiert werden – beispielsweise wenn wie in diesem Fall die Umwidmung von zugesagten Fördergeldern der N-Bank anstehe.


Der Kreisausschuss-Beschluss habe unter den betroffenen Ausbildungsbetrieben des Südkreises im Kfz-Handwerk einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Alle Betriebe und alle Auszubildenden hätten sich dagegen ausgesprochen, die schulische Ausbildung im Kfz-Handwerk an der BBS Jever zu absolvieren. Es sei damit zu rechnen, dass alle betroffenen ca. 50 Schüler abwanderten. Voraussichtlich würden sich im Gegenzug die Auszubildenden im Elektrohandwerk aus dem Nordkreis weigern, die BBS Varel zu besuchen. Es stehe somit eine Abwanderung von rd. 100 Auszubildenden/Schülern bevor.


Die Kfz-Ausbildung im Südkreis habe einen schweren Stand; Premium Aerotec sei hinsichtlich der Höhe der Ausbildungsvergütungen und Löhne eine große Konkurrenz. In allen Einstellungsgesprächen werde deutlich, dass angehende Auszubildende einen ortsnahen Berufsschulstandort wünschten. Die verkehrliche Verbindung aus dem Südkreis nach Jever sei teilweise „abenteuerlich“ und nicht zu vergleichen mit der Erreichbarkeit von z. B. Wilhelmshaven.


Wenn auch die reine Fahrzeit Südkreis – Nordkreis ca. 25 Minuten betrage, so seien die Schüler doch gezwungen, früh das Haus zu verlassen, um das Verkehrsmittel ihrer Wahl zu erreichen bzw. um rechtzeitig umsteigen zu können. Die Ausbildungsbetriebe im Südkreis fürchteten angesichts dieser Gesamtproblematik um ihre Zukunft.


Kfz.-Ausbildungsbetriebe und Kreishandwerkerschaft seien einig in ihrer ablehnenden Haltung. Er bitte darum, so Herr Neugebauer, die Umsetzung der aus dem KA-Beschluss resultierenden Maßnahmen so lange zu verzögern, bis die Antwort der angeschriebenen Nds. Landesschulbehörde vorliege. Auf dieser Basis sollte nochmals mit allen Beteiligten inklusive der Kreishandwerkerschaft das Gespräch gesucht werden, um weitestmöglich Konsens zu erzielen. Seitens der Ausbildungsbetriebe sei uneingeschränkte Kooperation angeboten worden, z. B. im Rahmen einer praktischen Ausbildung in den Betrieben mit den Klassenlehrern. Seitens der BBS Varel sei dieses Angebot positiv aufgenommen worden.


Kreistagsabgeordneter Chmielewski schloss sich namens der Gruppe MMW/Die Linke der Bitte von Herrn Neugebauer an. In der Kürze der Zeit sei die Tragweite des vom KA gefassten Beschlusses nicht realisiert worden; Kritik der betroffenen Betriebe sei nicht entsprechend aufgearbeitet worden. Die Gefahr der Abwanderung von Schülern aus Varel schätze man ebenso ein, zumal die Zugverbindung nach Oldenburg sich zukünftig so verbessern werde, dass ein Schulbesuch dort kein Problem sei. - Es sollte versucht werden, die Umsetzung des Beschlusses zu verzögern, um eine Korrektur der Beschlussfassung herbei zu führen.


Kreistagsvorsitzender Pauluschke stellte auf Hinweis von KTA Ratzel fest, es könne nicht darum gehen, unter „Anfragen zu Punkten aus den Fachausschüssen“ erneut eine Diskussion in der Sache aufzunehmen.


Landrat Ambrosy berichtete, er habe nach dem Votum des Schulausschusses Gespräche geführt mit dem Präsidenten der Kfz-Innung, dem Präsidenten der Handwerkerschaft Oldenburg, der Kreishandwerkerschaft Jade und Vertretern des Allgemeinen Wirtschaftsverbandes WHV-Friesland. Telefonisch habe er das Thema außerdem mit dem zuständigen Dezernenten für Berufsschulen besprochen. Mit den betroffenen Kfz.-Ausbildungsbetrieben habe er ein ca. 1 1/2-stündiges Gespräch in größerer Runde geführt. Allen Beteiligten sei der Inhalt der Beschlussvorlage der Verwaltung dargelegt worden. Auf die Argumente der Teilnehmer sei im Verlaufe des Gesprächs sehr wohl eingegangen worden – wenn auch nicht mit dem von den Beteiligten erhofften Ergebnis.


Das Meinungsbild zur Beschlussvorlage lasse sich wie folgt zusammenfassen:


Allgemeiner Wirtschaftsverband FRI-WHV: Zustimmung

Kreishandwerkerschaft Jade: Zustimmung

Präsident Müller, Handwerkskammer OL: Zustimmung

Kfz.-Innung, Herr Bley: Ablehnung

Kfz.-Ausbildungsbetriebe: Ablehnung


In diesem Konflikt könne es keine für alle Seiten zufrieden stellende Lösung geben, da Sichtweise und Zielsetzung der Beteiligten zu unterschiedlich seien. - In seine Mittelfristigen Entwicklungsziele und Handlungsschwerpunkte habe der Kreistag einmütig die Demografiefestigkeit des Landkreises Friesland eingefügt. Nun werde deutlich, dass mit der Umsetzung dieser Beschlussfassung schmerzliche Schritte verbunden seien.


Schon heute sei für die Kreisverwaltung erkennbar, dass in 2018 ein Minus von 30 % bei den Schülerzahlen zu verzeichnen sei. Es gelte nun zu entscheiden, ob man die Kfz.-Halle an der BBS Varel trotz dieser sich abzeichnenden Entwicklung um jeden Preis halten wolle oder rechtzeitig die von der Kreisverwaltung vorgeschlagene Bündelung von Fachrichtungen vollziehe, wie es z. B. für die Bereiche Bauen und Pflege schon geschehen sei. Das Aufbegehren der jeweils Betroffenen sei nachvollziehbar. Gleichwohl seien die derzeitigen Ausbildungsjahrgänge von der Entwicklung nicht berührt, da die Kreisverwaltung die Veränderungen sukzessive einleiten werde. Mindestens 3 Jahre werde sich im Grunde zunächst nichts ändern. Im Jahr 2015 seien noch weniger Schüler zu verzeichnen.


Eine evtl. drohende Abwanderung von Schülern an andere Standorte werde möglicherweise nicht bzw. nicht so drastisch eintreten wie geschildert. Die BBS Jever sei im Kfz.-Bereich so gut aufgestellt, dass Schüler auch aus umliegenden Landkreisen und kreisfreien Städten hier den Unterricht besuchten. Überdies sei für die Auszubildenden nicht der Standort des Unternehmens Ausschlag gebend, sondern die Anbindung ihres Wohnortes zum Schulort. - Anfahrten vom Südkreis nach Jever bzw. umgekehrt seien zumutbar und machbar.


Er habe den Beteiligten im Verlaufe der Gespräche zugesagt, so der Landrat, die Verwaltung werde die ÖPNV-Anbindung auf Verbesserungen hin überprüfen. Den zukünftig für die Bereiche Elektro im Nordkreis und die Kfz.-Innung des Südkreises zuständigen Berufsschulschwerpunkten in Varel bzw. Jever werde man vorschlagen, die jeweiligen Betriebe einzuladen und ihnen die vorhandene Infrastruktur zu präsentieren.


Der Bauausschuss sei am 15.10. in der BBS Jever zu Gast gewesen und habe die Kfz.-Halle besichtigt. Der dort vorhandene Standard sei so in Varel nicht gegeben.


Bei allen Entscheidungen müsse der Kreistag sich über die geschilderten Hintergründe und zu erwartenden Entwicklungen im Klaren sein. Eine Schwerpunktbildung im Bereich der Berufsschulen sei unausweichlich, weil sinkende Schülerzahlen keinen anderen Weg zuließen. Zielsetzung von Politik und Verwaltung müsse es sein, den Landkreis auch weiterhin finanziell handlungsfähig zu erhalten und rechtzeitig – wenn auch manchmal unangenehme – Weichenstellungen einzuleiten.


Die Verwaltung werde vor diesem Hintergrund auch zukünftig Beschlussvorlagen unterbreiten, in denen man aus der demografischen Entwicklungen resultierende Schritte vorschlagen werde.


Kreistagsabgeordneter Ostendorf bat um nachträgliche namentliche Protokollierung seiner Ablehnung zu diesem Punkt im Schulausschuss-Protokoll vom 18. September 2012 sowie im Kreisausschuss-Protokoll vom 10. Oktober 2012. Ausschlag gebend für seine Gegenstimme sei nicht nur der Inhalt der Vorlage, sondern vor allem die Tatsache gewesen, dass die Entscheidung ohne Befragung der Auszubildenden und der Ausbildungsbetriebe sowie ohne Einbindung des Schulleiters der BBS Varel zustande gekommen sei.


(Anm.:

Mit Herrn KTA Ostendorf wurde besprochen, dass er seine Bitte in der nächsten Sitzung von Kreisausschuss und Schulausschuss jeweils unter dem TOP „Genehmigung der Niederschrift vom....“ vorbringen möge.).