Beschluss: mehrheitlich beschlossen

Abstimmung: Ja: 24, Nein: 14

Resolution:


Der Kreistag Friesland fordert die Bundesregierung auf, die Einführung des Betreuungsgeldes aufzugeben und stattdessen die Bundesmittel in Höhe von bis zu 2 Milliarden Euro jährlich für den quantitativen und qualitativen Ausbau der Betreuungsinfrastruktur und der Qualifizierung der Erzieher und Erzieherinnen einzusetzen.



Kreistagsabgeordneter Lies führte aus, in einer Diskussionsveranstaltung mit Erziehungsfachkräften in Friesland sei deutlich geworden, dass es einen eklatanten Ausstattungsmangel in den Kindertagesstätten gebe. Dringend werde die dritte Kraft in der Krippe gebraucht, kleinere Gruppen und weitere Verfügungsstunden seien erforderlich.


Die Entscheidung der Bundesregierung treffe direkt die kommunale Finanzausstattung, denn 2 Mrd. Euro bundesweit bzw. 200 Mio. Euro in Niedersachsen würden den Kommunen durch das Betreuungsgeld vorenthalten. Es sei der falsche Weg, diese Gelder jeweils dem Einzelnen zukommen zu lassen, anstatt sie zur Verbesserung des bestehenden Systems einzusetzen. Ein klares Signal des friesländischen Kreistages, dass man die Mittel zur Verbesserung der Situation in den Kindertagesstätten dringend benötige, sei erforderlich.


Kreistagsabgeordneter Ratzel erklärte, die Verabschiedung des Betreuungsgeldgesetzes resultiere aus den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages von CDU/CSU und FDP; zu diesen Inhalten stehe die FDP. Zum 1. August 2013 werde die Leistung eingeführt. Eine Resolution könne nichts mehr bewirken. Ohne Zweifel werde mehr Geld für die Ausstattung der Betreuungseinrichtungen, für die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter usw. benötigt. Die Formulierung der Resolution „Die Absicht der Bundesregierung, mit dem Betreuungsgeld Anreize zu schaffen, Kinder vom Besuch einer Krippe fern zu halten, ist vollkommen kontraproduktiv sowie volkswirtschaftlich und bildungspolitisch fatal“ könne die FDP-SWG-UWG-BBV/F-Gruppe, so Herr Ratzel, aber nicht mittragen. - Fraglich sei, welche Antwort man sich von der Bundesregierung ggf. erhoffe. Die Resolution sei zeitlich überholt und bewirke nichts.


Herr Ratzel beantragte vor diesem Hintergrund, sich inhaltlich auf das Ziel zu beschränken, mehr Mittel für den Ausbau der Betreuungs-Infrastruktur und der Qualifizierung von Personal zu bekommen. Er schlug im Rahmen eines Änderungsantrages folgenden Wortlaut vor:


Der Kreistag Friesland fordert die Bundesregierung auf, mehr Bundesmittel für den quantitativen und qualitativen Ausbau der Betreuungs-Infrastruktur und der Qualifizierung der Erzieher und Erzieherinnen einzusetzen.“


Begründung:

Ab dem 01.08.2013 wird bundesweit ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Lebensjahr bestehen. Ausbauziel ist die Schaffung von Betreuungsplätzen für 35 % der Unter-Dreijährigen. Der Landkreis Friesland hat in den vergangenen Jahren in erheblichem Umfang Investitionen getätigt, um dieses gesellschaftspolitisch zwingend erforderliche Ziel zu erreichen.


Mit mehr Bundesmitteln könnte der weitere Ausbau bzw. die qualitative Verbesserung der Krippen und die Qualifizierung der Erzieherinnen und Erzieher enorm voran gebracht werden zur Verbesserung der Chancengleichheit unserer Kinder. Hier im Landkreis Friesland wird schon jetzt der Bau und Ausbau der Kindertagesstätten vorangetrieben, was durch zusätzliche Mittel des Bundes gefördert werden könnte.“


Kreistagsabgeordneter Vehoff erklärte, eine Resolution, die an der Sache nichts ändere, mache keinen Sinn. Es gebe demokratische Prozesse, z. B. über die Einschaltung von Abgeordneten mehr Gelder in den zuständigen Gremien zu erwirken.


Die beantragte Beschlussfassung stelle reine Wahlkampfpolemik dar und helfe niemandem weiter. Das Betreuungsgeld sei nicht, wie im Text ausgeführt, darauf gerichtet, Kinder von den Krippen fernzuhalten. Es gehe vielmehr darum, zu honorieren, was Eltern bzw. Elternteile leisteten, die ihre Kinder erzögen. Erziehung könne sehr wohl auch außerhalb von Krippen stattfinden. Das Betreuungsgeld ermögliche für Eltern bzw. Väter und Mütter eine Wahlfreiheit.


KTA Burgenger stellte fest, der Bund nehme die Kommunen in die Pflicht, Krippenplätze zu schaffen, Krippen zu bauen und Personal einzustellen, damit der Anspruch auf einen Krippenplatz umsetzbar sei. Parallel dazu verabschiede der Gesetzgeber die Zahlung einer „Herdprämie“, die Eltern davon abhalte, das von den Kommunen geschaffene Angebot tatsächlich wahrzunehmen.


Möglicherweise würden im Ergebnis Einrichtungen nicht mehr ausreichend genutzt, weil es Gelder dafür gebe, sie nicht zu nutzen. Dem Bundesgesetzgeber sollte man daher per Resolution erklären, dass diese Politik unsinnig sei, denn am Ende liege die finanzielle Belastung durch Fehlinvestitionen bei den Kommunen. Der Änderungsantrag von KTA Ratzel komme leider nach Beratung durch Fach- und Kreisausschuss erst kurz vor der Abstimmung und sei problematisch.


KTA Lies erklärte, das geplante Betreuungsgeld schade Friesland, weil man die Qualität der Betreuungseinrichtungen nicht wie gewollt verbessern könne; dies sei Kernaussage der Resolution. Der Änderungsantrag von KTA Ratzel sei ein legitimer Versuch, das Begehren im Einklang mit der Koalitionsvereinbarung zu unterstützen – in dieser Form allerdings entspräche die Resolution aber nicht der gewollten Aussage. Betroffene Eltern hätten sich im Rahmen der erwähnten Diskussionsveranstaltung über hohe Kosten von Krippenplätzen geäußert. Wenn alternativ dazu ein Betreuungsgeld bei Nichtnutzung der Einrichtung gezahlt werde, könne von einer echten Wahlfreiheit nicht die Rede sein. - Niemand werde gezwungen, sein Kind in eine Krippe zu geben. Aber unsinnig sei, Gelder dafür zu zahlen, dass man sie nicht in Anspruch nehme.


Die politische Diskussion müsse, so KTA Chmielewski, im Grunde im Bundestag geführt werden. Der von Herrn Ratzel gestellte Änderungsantrag sage nichts dazu aus, dass man ein Betreuungsgeld nicht wolle. Denkbar wäre es, dem Antrag von Herrn Ratzel zu folgen und quasi eine zweite Resolution mit dessen Inhalt zu verabschieden.


Kreistagsabgeordneter Just unterstrich, es gelte beide Zielrichtungen zu verfolgen: Die bessere Ausstattung der Betreuungseinrichtungen mit dem Ziel einer finanziellen Entlastung der Kommunen als auch die Kritik an der Zahlung des Betreuungsgeldes. Die Zahlung schaffe Fehlanreize insbesondere bei sozial schwachen und bildungsfernen Schichten und Familien. Kinder, für die der Besuch einer Betreuungseinrichtung im Grunde am wichtigsten sei, würden so ferngehalten. Das Betreuungsgeld werde so möglicherweise für andere Ausgabezwecke der Familien eingesetzt. Es gehe also letztlich nicht nur um finanziellen Schaden für die Kommunen, sondern auch um die negative Beeinflussung der Erziehung und Ausbildung von Kindern und um Wahrung ihrer späteren Chancengleichheit in der Schule.


KTA Vehoff erklärte, die CDU-Fraktion wehre sich gegen Resolutionen, durch die man dem Bund mehr Geld abverlange. Ärgerlich sei der in der Diskussion erweckte Eindruck, durch Zahlung eines Betreuungsgeldes würden Eltern ihre Kinder von Betreuungseinrichtungen fernhalten. Eltern seien sich ihrer Selbstverantwortung sehr wohl bewusst.


KTA Böcker bat um Unterstützung des von Herrn Ratzel eingebrachten Änderungsantrages. Mit gutem Willen müsste die Verabschiedung einer entsprechend geänderten bzw. einer gesonderten Resolution machbar sein.


Kreistagsvorsitzender Pauluschke stellte klar, nur der Resolutionstext, nicht die Begründung sei Gegenstand der Beschlussfassung. Der von der Gruppe eingebrachte Antrag sei der weiter gehende, da es hier um den Verzicht auf die Einführung des Betreuungsgeldes und die Verwendung der ersparten Mittel für weitere Kita-Plätze gehe. Darüber sei somit zuerst abzustimmen.


Für die SPD/Grüne-Gruppe, so Frau Schlieper, sei die Kritik an der Einführung des Betreuungsgeldes unverzichtbarer Kernpunkt der Beschlussfassung. Dem Änderungsantrag könne man daher nicht folgen. - Herr Ratzel verdeutlichte, ihm gehe es darum, die Bundesregierung nicht „vorzuführen“, sondern der Resolution die inhaltliche Schärfe zu nehmen; das Betreuungsgeld werde ohnehin kommen.


Kreistagsvorsitzender Pauluschke verlas den von der Gruppe SPD-Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Antrag und ließ darüber abstimmen:






Abstimmungsergebnis:

24 Ja-, 14 Gegenstimmen


Da der Kreistag dem Antrag der SPD/Grüne-Gruppe damit mehrheitlich zugestimmt hatte, war eine weitere Beschlussfassung über den von KTA Ratzel eingebrachten Änderungsantrag nicht erforderlich.