Das Gremium nimmt die Anforderungen der Verwaltung an die zukünftige Erziehungsberatungsstelle zur Kenntnis.
Der Vertrag mit dem SOS-Hilfeverbund Wilhelmshaven ist seitens des Landkreises Friesland zum 31.08.2014 gekündigt worden. Es besteht die Notwendigkeit, das Angebot der Erziehungsberatung gem. § 28 SGB VIII ab September 2014 neu zu vergeben.
Die abgeforderten Leistungen entsprechen grundsätzlich dem Rechtsanspruch von Eltern und deren minderjährigen Kindern auf eine Erziehungsberatung gem. § 28 SGB VIII. Unter Beachtung der nachfolgenden inhaltlichen Anforderungen an eine Erziehungsberatungsstelle soll die bestehende Lücke in der Krisenberatung und der von physischer und/oder psychischen Gewalt betroffenen Minderjährigen geschlossen werden. Das Ziel ist somit neben der klassischen Arbeit einer Erziehungsberatungsstelle die Bildung einer Fachstelle „Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“. Außerdem sollen die Leistungen der Erziehungsberatungsstelle um die (Zwangs-)Beratung hochstrittiger Elternteile in gerichtlichen Sorgerechtsauseinandersetzungen ergänzt werden. Die Profilierung als „Gewalt-Fachstelle“ ergänzt das Hilfesystem des Landkreises und kann u.U. durch Landesmittel mitgefördert werden.
Neben der fachlichen Qualifikation der Beratung ist seitens des zukünftigen Trägers der Beratungsstelle eine regionale Kenntnis des Unterstützungs- und Hilfesystems unerlässlich. Aus diesem Grunde ergeht an alle freien Jugendhilfeträger des Landkreises Friesland das Angebot, eine Konzeption und Kalkulation für diese Dienstleistung zu erstellen und sich um den Auftrag bewerben zu können.
Die interessierten freie Träger werden aufgefordert, ihr detailliert beschriebenes Angebot bis zum 30.11.2013 vorzulegen. In der ersten Ausschusssitzung des kommenden Jahres soll jeder der Anbieter die Möglichkeit erhalten, das Angebot und die inhaltliche Konzeption vorzustellen.
Anforderungen an eine zukünftige Erziehungsberatungsstelle:
I. Inhaltsbeschreibung
Das Spektrum der Leistungen der Beratungsstelle ist von zwei wesentlichen Bereichen geprägt.
Beratungs- u. Mediationsleistungen incl. Prävention ca. 45 %
Pädagogische / psychotherapeutische Leistungen u. Krisenberatungsleistungen incl. Prävention ca. 55 %
Rechtsgrundlagen:
§§ 8, 17, 18, 28, 37, 50 SGB VIII
Nachfolgender Leistungskatalog wird erwartet:
Pädagogische Beratung / Mediation / Prävention
orientierende Informations- und Beratungsgespräche
Beratung (entwicklungspsychologische Beratung) für Eltern/ Personensorge-berechtigte in Fragen der Erziehung, der Entwicklung und des Verhaltens bei Kindern und Jugendlichen
Beratung bei individuellen Problemstellungen bei Kindern und Jugendlichen
Beratung bei familienbezogenen Problemen incl. Paarberatung (falls Minderjährige betroffen sind)
Allgemeine Beratung bei der Lösung von Erziehungsfragen bei Trennung und Scheidung
Beratung bzgl. des Umgangs bei Trennung der Eltern
Mediation auf Empfehlung des Jugendamtes
Mediation für Eltern im Trennungsprozess, nach der Trennung
Angeordnete Beratung in Kindschaftssachen nach gerichtlicher Anordnung (§ 156 Abs. 1 Satz 4 FamFG)
Beratung von Klientel durch Empfehlung des Jugendamts (Familien mit definierten Erziehungsproblemen, Familien mit Kindern mit Verhaltens-auffälligkeiten, Pflegefamilien mit besonderem Unterstützungsbedarf)
Öffentlichkeitsarbeit
Netzwerkarbeit
Pädagogisch, psychotherapeutische Beratung / Therapie / Krisenberatung / Prävention
Beratung und Therapie von Klientel, auch durch Vermittlung des Jugendamtes, im Rahmen von häuslicher Gewalt, von psychisch / physischem Missbrauch, sexuellem Missbrauch / sexuellem Missbrauchshintergrund
Beratung von Kindern und Jugendlichen bei posttraumatischen Belastungsstörungen
Beratung von pädagogischen Fachkräften (Helferberatung); Themenbereiche: Gewalt / häusliche Gewalt / sexueller Missbrauch
ggfls. spieltherapeutisches Angebot für missbrauchte Kinder
als Gründe für die Hilfeleistung kommen in Betracht: Belastungen des jungen Menschen durch familiäre Konflikte, Entwicklungsauffälligkeiten und seelische Probleme, Schule bzw. berufliche Probleme, Auffälligkeiten im sozialen Verhalten, eingeschränkte Erziehungskompetenz der Eltern bzw. Personensorgeberechtigte, Gefährdung des Kindeswohls, unzureichende Förderung/ Betreuung oder Versorgung des jungen Menschen, Unversorgtheit des jungen Menschen
II. Personelle Ausstattung
grundsätzlich multidisziplinäre Besetzung
1,0 AK Psychologe/in oder Kinder- und Jugendpsychotherapeut/in
1,5 AK Sozialpädagoge/in und/ oder Sozialarbeiter/in
1,0 AK Heilpädagoge/in und/oder Erzieher/in mit Zusatzqualifikation
0,5 AK Verwaltungskraft
Aufweisen von Zusatzqualifikationen
III. Strukturelle Vorgaben
2 Standorte (Varel und Jever); grundsätzliche Möglichkeit der Raumnutzung im Kreishaus Jever und Dienstleistungszentrum Varel
Anmeldezeiten: Montags bis freitags, 9:00 Uhr bis 12:00 Uhr sowie donnerstags von 14:00 Uhr bis 18:00 Uhr
Sprechzeiten sind flexibel unter Berücksichtigung der Bedarfe der Klientel anzubieten
telefonische Kurzberatung
Erstberatung
Krisenintervention
kurz-, mittel-, und langfristige Beratungssettings
ggf. offene Sprechzeiten in allen Städten und Gemeinden des Landkreises Friesland
IV. Qualitätsvorgaben
der Träger verpflichtet sich, entsprechend der gültigen gesetzlichen Vorgaben und der mit dem Landkreis Friesland zu schließenden Vereinbarung gem. §8a SGB VIII in den Fällen gewichtiger Anhaltspunkte einer Kindeswohlgefährdung tätig zu werden
der Träger verpflichtet sich, die Grundsätze der Partizipation und des besonderen Vertrauensschutzes zu achten
der Träger tätigt durch seine Beratungsstelle für den Bereich des Landkreises Friesland die Beratung bei Kindern, Jugendlichen, Eltern und Familien bei Verhaltensauffälligkeiten / Verhaltensoriginalitäten, Beziehungsstörungen, häuslicher Gewalt, psychisch / physischer Missbrauch, sexuellem Missbrauch und sexuellem Missbrauchshintergrund bei inneren und äußeren Konflikten
die Beratung wird durch ein multidisziplinäres Team geleistet
die Beratung wird gleichermaßen allen Personen gegenüber vorgenommen, die zu diesem Zweck unmittelbar oder mittelbar mit der Beratungsstelle in Verbindung treten
Kinder, Jugendliche, Eltern und ihre Familien werden mit beratender Intervention unterstützt, entstandene Probleme werden verstanden und bewältigt. Im Mittelpunkt steht die ganzheitliche Förderung des Kindeswohls
über jeden Fall ist eine Beratungsdokumentation zu führen
Belastungen in den Lebensfeldern von Kindern und Jugendlichen werden identifiziert und durch präventive Informationen wird auf Veränderung hingewirkt
Die Beratungsstelle arbeitet kooperativ mit den Partnern zusammen, die sich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen und ergänzen
Die Grundsätze des Gender Mainstream sind in der laufenden Arbeit berücksichtigt
Veränderungen, Ausweitungen der Arbeitsthemen -bereiche sind mit dem Landkreis Friesland abgestimmt
Beratungen sollten variabel gestaltet werden, so dass auch eine intensive und längerfristige Begleitung möglich ist
in individuellen Einzelfällen soll eine aufsuchende Beratung möglich sein (Hausbesuche)
der Träger verpflichtet sich zu Maßnahmen der Personalentwicklung (Fortbildung, Supervision, Mitarbeitergespräche)
jährliche Vorlage eines Tätigkeitsnachweises
Sicherstellung der kostenlosen Inanspruchnahme der Erziehungsberatung
V. Zusammenarbeit mit dem Jugendamt
Zwischen dem freien Träger und dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe des Landkreises Friesland findet einmal jährlich ein Reflektionsgespräch statt. Das Ziel dieses Gespräches ist die Erhöhung der Passgenauigkeit des Beratungsangebotes und die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit.
Unmittelbarer Zugang
Ratsuchende können die Leistungen der Erziehungsberatungsstelle unmittelbar in Anspruch nehmen, ohne dass dazu eine förmliche Gewährung durch das Jugendamt erforderlich ist
Zugang über das Jugendamt
Haben Ratsuchende zuerst mit dem Jugendamt Kontakt, auch im Rahmen von Leistungen oder anderer Aufgaben der Jugendhilfe und wird von dort Beratung als geeignete und notwendige Maßnahme angesehen, erfolgt ein Vermittlungsgespräch, an dem das Kind, der Jugendliche, seine Eltern, die zuständige pädagogische Fachkraft des Jugendamtes sowie eine Fachkraft der Beratungsstelle teilnimmt. In dieser Form können gegenseitige Erwartungen und Möglichkeiten der Beratung und der Zusammenarbeit geklärt werden
In Eilfällen ist gewährleistet, dass nach der Kontaktaufnahme zeitnah ein Gesprächstermin stattfindet
Herr Meyer-Helfers betont, die Arbeit des bisherigen Anbieters der Erziehungsberatung sei nicht zu beanstanden. In den Jahren der Zusammenarbeit habe sich aber herausgestellt, dass eine neue Schwerpunktsetzung notwendig sei und die Zusammenarbeit zwischen Jugendamt und Erziehungsberatungsstelle neu definiert werden müsse. Zudem bilde der bestehende Vertrag aus dem Jahr 2001 neue gesetzliche Aufgaben nicht ab. Aus diesen Gründen habe man sich zu einer Kündigung des Vertrages entschieden.
Der gültige Vertrag bildet eine Arbeit auf den Säulen der klassischen Erziehungsberatung nach § 28 SGB VIII und der formlosen Beratung nach § 16 SGB VIII mit Primärprävention ab. Gleichzeitig gibt es keine Regelung zur Beratung hochstrittiger Eltern; dieses Defizit müsse abgebaut werden. Herr Hellmuth bestätigt den Bedarf der Familiengerichte an einer kompetenten Beratungsstelle mit entsprechenden Kapazitäten für die vorgenannte Beratungsarbeit.
Neben der Beratung hochstrittiger Eltern soll außerdem der Schwerpunkt einer Beratung von Kindern und Jugendlichen, die Gewalt erfahren habe, gesetzt werden. Dieses Beratungsangebot wird derzeit im Landkreis Friesland nicht vorgehalten und kann möglicherweise durch Landesmittel teilfinanziert werden.
Herr Osterloh gibt Herrn Konczalla, stellv. stimmberechtigtes Mitglied und Mitarbeiter der SOS-Beratungsstelle, die Möglichkeit, sich direkt an die Ausschussmitglieder zu wenden. Herr Konczalla trägt vor, der Stellenanteil für die Prävention (1,00 AK) werde direkt vom Träger und nicht vom Landkreis Friesland finanziert. Das vorgelegte Anforderungsprofil bilde diese Stelle nicht mehr ab. Des Weiteren befürchtet er, dass Ratsuchende bei einer Neuausrichtung nicht mehr in bisheriger Qualität und im gewohnten Umfang beraten werden können.
Herr Meyer-Helfers räumt ein, die Neuausrichtung der Erziehungsberatung werde zwar geringfügig zu Lasten der bisherigen präventiven Arbeit gehen, dafür werden jedoch bestehende Lücken innerhalb der Pflichtaufgaben geschlossen. Zudem findet die Prävention durch eine effektivere und bessere Vernetzung weiterhin statt. Die Vorgaben des Anforderungsprofils richten sich nach den Qualitätsvorgaben der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung und der gültigen Kommentierung; die personelle Ausstattung orientiert sich an dem Anforderungsprofil der letzten Ausschreibung. Eine kurzfristige Terminvergabe für einen Erstkontakt innerhalb einer Woche wird vom Landkreis Friesland vorausgesetzt, die Klienten brauchen keine Verschlechterung der Beratung zu befürchten.
Es wird auch weiterhin eine flächendeckende Erziehungsberatung erwartet. Das Anforderungsprofil wird daher um bedarfsorientierte, mindestens einmal monatliche, Beratungsangebote auf der Insel Wangerooge ergänzt.
Bei gezielter Ansprache anerkannter Träger der Jugendhilfe aus der Region erwartet die Verwaltung eine Bewerbung mehrerer Interessenten, die ihr Konzept im Jahr 2014 dem Jugendhilfeausschuss vorstellen werden.
Das Gremium nimmt die Anforderungen der Verwaltung an die zukünftige Erziehungsberatungsstelle zur Kenntnis.