Begründung:
In der Sitzung des Ausschusses für Familie, Soziales und Senioren am 17. Juni 2008 berichtete die Verwaltung erstmalig über die Pflegestützpunkte, die im Zuge des sogenannten Pflegeweiterentwicklungsgesetzes (PWG) als neue Regelung (§ 92 c) in das Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) aufgenommen worden sind.
Im ursprünglichen Regierungsentwurf des PWG war vorgesehen, dass die Pflege- und Krankenkassen Verträge über die Pflegestützpunkte schließen und die Pflegekassen darauf hinwirken, dass sich die “nach Landesrecht zu bestimmenden Stellen für die wohnortnahe Betreuung im Rahmen der örtlichen Altenhilfe und für die Gewährung der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII” an diesen Verträgen beteiligen.
Die zwingende Einrichtung von Pflegestützpunkten ist nunmehr in § 92 c SGB XI nicht mehr zwingend vorgesehen, sondern nur noch “sofern die zuständige oberste Landesbehörde dies bestimmt.”
Die niedersächsischen Landespflegekassen hielten die Einrichtung von Pflegestützpunkten in Niedersachsen von Beginn der Diskussion hierüber für nicht erforderlich, sondern verwiesen auf die (gesetzlich vorgeschriebene) Pflegeberatung nach § 7 a SGB XI, die ebenfalls über das PWG in das SGB XI eingegangen ist. So hat beispielsweise die AOK Wilhelmshaven für die Bereiche Wilhelmshaven, Friesland und Wittmund nach eigenen Angaben jeweils einen Pflegeberater zur Umsetzung des § 7 a SGB XI eingestellt.
Die Pflegestützpunkte stehen völlig unabhängig von der gesetzlichen Pflegeberatung nach § 7 a SGB XI und bilden sozusagen ein ergänzendes Angebot.
Die Kommunalen Spitzenverbände in Niedersachsen (NLT und NST) und das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit (MSFFG) halten entgegen der ablehnenden Haltung der Landespflegekassen an der Einrichtung von Pflegestützpunkten in Niedersachsen fest.
Als Kompromiss der unterschiedlichen Haltungen wurde für Niedersachsen unter der Federführung von NLT und NST unter Mitwirkung des MSFFG mit der Arbeitsgemeinschaft der Niedersächsischen Landespflegekassen am 28. Mai 2009 die „Rahmenvereinbarung zur Verbesserung des Beratungsangebots für pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige in Niedersachsen sowie über die Einrichtung und den Betrieb von Pflegestützpunkten in Niedersachsen gemäß § 92 c SGB XI“ (im Folgenden: Rahmenvereinbarung) unterzeichnet.
Die Rahmenvereinbarung liegt dieser Vorlage an.
Die Rahmenvereinbarung sieht vor, dass in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt (unabhängig von der Größe und Einwohnerzahl) mindestens ein Pflegestützpunkt durch eine entsprechende Vereinbarung zwischen der jeweiligen und der Pflegekasse geschaffen werden soll.
Die Finanzierung der Einrichtung und des Betriebs wird durch zwei unterschiedliche „Quellen“ bezuschusst:
Zum Einen ist bis zum Stichtag 30. Juni 2011 „im Rahmen der verfügbaren Mittel“ ein einmaliger Zuschuss von bis zu 45.000 Euro nach § 92 c Abs. 5 SGB XI für den Aufbau eines Pflegestützpunktes vorgesehen. Weitere 5.000 Euro sind für eine nachhaltige Einbindung von ehrenamtlich Tätigen in den Pflegestützpunkt möglich. Bundesweit stehen hierfür insgesamt 60 Mio. Euro zur Verfügung.
Diese Fördermittel nach § 92 c Abs. 5 SGB XI sind ausschließlich für die Anschubfinanzierung gedacht; regelmäßig anfallende Ausgaben für den Pflegestützpunkt dürfen hierüber nicht mitfinanziert werden.
Förderfähig im Sinne der Anschubfinanzierung wären in erster Linie
Mietkaution und Maklergebühr
Renovierungskosten
Anschaffung von Einrichtungsgegenständen
Aufbau der notwendigen EDV-Infrastruktur
Aufwendungen für Qualifizierungsmaßnahmen des einzusetzenden Personals
Zum Anderen ist eine (regelmäßige) Mit-Finanzierung der Pflegestützpunkte durch § 1 der Rahmenvereinbarung geregelt: Aus der Gesamtsumme von max. 2.124.000 Euro, die jährlich von den Landesverbänden der Pflegekassen bereitgestellt werden, erhalten die den Pflegestützpunkt betreibenden Landkreise bzw. kreisfreien Städte 1,00 Euro je Bewohner/Bewohnerin im Alter ab 60; mindestens jedoch 30.000 Euro.
Nach der amtlichen Statistik des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik waren am Stichtag 31.12.2007 insgesamt 28.166 Bewohner/Bewohnerinnen des Landkreises Friesland mindestens 60 Jahre alt, so dass für einen Pflegestützpunkt im Landkreis die Mindestensfördersumme fließen würde.
Die Rahmenvereinbarung beinhaltet in § 4 unter anderem unumstößliche Mindeststandards betreffend der Öffnungszeiten und der fachliche Qualifikation des in den Pflegestützpunkten einzusetzenden Personals.
Hier setzt die Kritik an den grundsätzlich zu begrüßenden Pflegestützpunkten an: bei einer mindestens 30 stündigen Öffnungszeit pro Woche wären unter Berücksichtigung von Urlaubs- und Krankheitszeiten mindestens 2 Halbtagskräfte ( jeweils mit 20 Wochenstunden) mit entsprechender Qualifikation erforderlich. Die gesamten Personal- und Sachkosten für diese Halbtagskräfte würden sich entsprechend der zugrunde gelegten KGST-Personalkostenübersicht auf etwa 71.000 Euro pro Jahr belaufen.
Dies bedeutet also, dass der Landkreis Friesland für den Fall der Einrichtung und des Betriebs eines Pflegestützpunktes, also für eine Aufgabe, die originär eine Aufgabe der Pflegekassen nach dem SGB XI darstellt, ergänzend zu der Förderung nach § 1 der Rahmenvereinbarung jährlich 41.000 Euro Eigenmittel aufbringen müsste.
Entsprechend der Präambel der Rahmenvereinbarung entscheiden die kommunalen Gebietskörperschaften ausdrücklich in eigener Zuständigkeit darüber, ob sie eine Vereinbarung zur Einrichtung und zum Betrieb eines Pflegestützpunktes abschließen.
Das bedeutet, dass es sich um eine freiwillige Leistung der Landkreise und kreisfreien Städte handelt.
Sowohl die Rahmenvereinbarung als auch die jeweiligen Vereinbarungen zur Einrichtung und zum Betrieb eines Pflegestützpunktes können frühestens zum 31.12.2011 gekündigt werden.
Aktuell soll im Landkreis Friesland – natürlich vorbehaltlich der notwendigen Beschlüsse der politischen Gremien des Landkreises – ein Seniorenservicebüro eingerichtet und betrieben werden.
Die Aufgabenbereiche der Seniorenservicebüros, die sich an alle älteren Bewohnerinnen und Bewohner richten, sind umfassender als die von Pflegestützpunktes, da diese sich ausschließlich an bereits Pflegebedürftige wenden.
Der Fachbereich 21 hat sich bereits an den „Gemeinsamen Ausschuss zum Quotalen System“ mit der Frage, ob die kommunalen Kosten für einen Pflegestützpunkt gegebenenfalls im Rahmen des Quotalen Systems zum größten Teil vom Land als überörtlicher Sozialhilfeträger übernommen werden, gewandt.
Zeitgleich wurde die zuständige Landespflegekasse gebeten zu prüfen, ob eventuell zur Kostenreduzierung ein Pflegestützpunkt in Kooperation mit einer Nachbarkommune eingerichtet und betrieben werden kann.
Zu beiden Anfragen liegen aktuell noch keine abschließenden Antworten vor.
Angesichts der Tatsache, dass der Landkreis Friesland durch die freiwillige Einrichtung und den Betrieb des Pflegestützpunktes zusätzliche finanzielle Mittel aufbringen müsste, die voraussichtlich – wenn auch in geringerer Höhe – ab dem Haushaltsjahr 2010 auch schon für das Seniorenservicebüro benötigt werden, sollte zunächst die Entwicklung der Tätigkeiten im Seniorenservicebüro abgewartet werden.
Die Verwaltung wird zum Ende des Jahres 2010 erneut berichten, so dass gegebenenfalls Anfang 2011 entschieden werden kann, ob im Landkreis Friesland ebenfalls ein Pflegestützpunkt eingerichtet werden soll.
Auch in den benachbarten Landkreisen Wittmund, Ammerland und Wesermarsch sowie in der Stadt Wilhelmshaven werden nach Informationen der dortigen Sozialamtsleiter derzeit zum Thema „Pflegestützpunkte“ keine konkreten Planungen gemacht; insofern könnte sich hier ein möglicher Kooperationspartner ergeben.
Sollte sich vorher zeigen, dass durch eine Kostenbeteiligung des Landes im Rahmen des Quotalen Systems oder durch eine eventuelle Kooperation eine Kostenreduzierung möglich ist, wird die Verwaltung natürlich zeitnah berichten und einen eventuellen Beschluss vorbereiten.
Beschlussvorschlag:
Von der Einrichtung eines Pflegestützpunktes für den Landkreis Friesland wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt abgesehen. Die Verwaltung wird zum Ende des Jahres 2010 erneut berichten, so dass gegebenenfalls Anfang 2011 entschieden werden kann, ob im Landkreis Friesland ein Pflegestützpunkt eingerichtet werden soll.
Anlagen:
Rahmenvereinbarung