Beschluss: einstimmig beschlossen

Beschluss:

Dem Erlass einer Richtlinie für eine allgemeine Vorschrift im Zuge der Kommunalisierung des ÖPNV zum 01.01.2017 wird zugestimmt.

 


Ausgangslage:

Der Landkreis Friesland ist auf seinem Gebiet die für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zuständige Behörde und Aufgabenträger gemäß der europäischen VO (EG) Nr. 1370/2007 und dem Niedersächsischen Nahverkehrsgesetz (NNVG).

 

Bislang hat er den ÖPNV auf seinem Gebiet (Linienverkehr) im Wesentlichen nur über Schülersammelzeitkarten (SSZK) finanziert.

 

Der Niedersächsische Landesgesetzgeber wird im Rahmen der Novellierung des NNVG ab dem 01.01.2017 über die Vorschrift des § 64a Personenbeförderungsgesetz (PBefG) den kommunalen Aufgabenträgern des ÖPNV für ihre Aufgabenerfüllung etwa 110 Mio. € p.a. zuweisen. In diesem Betrag sind die bisher an die Verkehrsunternehmen direkt geleisteten Zahlungen für rabattierte Ausbildungsverkehre gemäß der Bundesregelung des § 45a PBefG in Höhe von 90 Mio. € p.a. enthalten (bislang über Übergangsverträge der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen [LNVG] geregelt). Die Aufgabenträger erhalten aus dieser Summe anteilig den Betrag, der bisher an § 45a–Mittel an Verkehrsunternehmen auf ihrem Gebiet ausgereicht wurde.

 

Der Landkreis Friesland erhält demnach gemäß der vom niedersächsischen Landtag beschlossenen Novellierung ab 2017 gemäß § 7a NNVG für die ehemaligen § 45a-Mittel auf seinem Territorium einen Betrag in Höhe von 1.415.839 € pro Jahr. Zusätzlich wird er gemäß § 7b NNVG für die „Weiterentwicklung des ÖPNV“ über einen Schlüssel 378.711 € p.a. erhalten.

 

Der Landkreis hat somit ab 2017 den Gesamtbetrag in Höhe von 1.794.550 € p.a. für die Instrumente der VO 130/2007 vergabe- und beihilfenrechtskonform einzusetzen, soweit damit öffentliche Personenverkehrsdienste finanziert werden. Es steht grundsätzlich in seinem politischen Ermessen, wie er diese Landesmittel für den ÖPNV auf Kreisgebiet verwendet. Hierzu erlässt der Landkreis Friesland eine sog. allgemeine Vorschrift zum Defizitausgleich bei vorgegebenen gemeinwirtschaftlichen Tarifverpflichtungen (ermäßigte Tarife aus Gründen der Daseinsvorsorge)  und / oder vergibt öffentliche Dienstleistungsaufträge (=Verkehrsvertrag), die unter bestimmten Voraussetzungen direkt oder im Wettbewerb vergeben werden können. Das Land Niedersachsen wird die ordnungsgemäße und rechtskonforme Verwendung dieser Mittel im Rahmen des Zuwendungs- und Verwendungsnachweises überprüfen.

 

Die § 7a NNVG-Mittel sind landesgesetzlich an eine Rabattierung der Zeitfahrausweise im Ausbildungsverkehr im Vergleich zum Nichtausbildungsverkehr (sog. Jedermann-Verkehr) in Höhe von mindestens 25 % gebunden. Der Landkreis muss also bei der Finanzierung des ÖPNV durch allgemeine Vorschriften und/oder öffentliche Dienstleistungsverträge diese Rabattierung für Ausbildungsverkehre sicherstellen.

 

Die an den Landkreis in einem Kalenderjahr zugewendeten Mittel können noch zwei Jahre später für den ÖPNV eingesetzt werden (Möglichkeit einer Übertragung von nicht verbrauchten Mitteln z.B. aus 2017 auf 2019).

 

Bis zum 21.12.2019 hat der Landkreis dann als Aufgabenträger für den ÖPNV einen Qualitätsbericht sowie eine Aktualisierung seines Nahverkehrsplans dem Land vorzulegen, um die Wirkungen der Finanzzuweisung von Seiten des Landes transparent überprüfen zu können. Hintergrund ist die gesetzlich angeordnete Evaluierung der Finanzzuweisungen bis zum 31.12.2021, um bei Bedarf die ÖPNV-Mittel künftig sachgerechter auf die Niedersächsischen Aufgabenträger verteilen zu können. Dies bedeutet, dass der Landkreis Friesland die ihm zugewiesenen ÖPNV-Landesmitteln zur Verbesserung des ÖPNV einsetzen muss, um nicht u.U. ab 2022 Landesmittel für den ÖPNV an andere Aufgabenträger in Niedersachsen zu verlieren, die einen qualitativ und quantitativ besseren ÖPNV für ihre Bürger gewährleisten.

 

Aufgabenstellung:

Die Neuordnung der ÖPNV-Finanzierung in Niedersachsen stellt einen Umbruch dar. Bislang führte die direkte Finanzierung der Verkehrsunternehmen nach § 45a PBefG durch das Land Niedersachsen dazu, dass der Verkehr insbesondere im ländlichen Raum auf sog. eigenwirtschaftlicher Grundlage erbracht wurde. Der Landkreis Friesland als Aufgabenträger hatte relativ geringe Einflussmöglichkeiten auf den ÖPNV auf seinem Kreisgebiet. Nunmehr müssen die niedersächsischen ÖPNV-Aufgabenträger das an sie übertragene Landesgeld nach den Vorgaben der VO 1370/2007 verwenden (über allgemeine Vorschriften und/oder öffentliche Dienstleistungsaufträge).

 

Bei der Verwendung des Landesgeldes ab 2017 steht der Landkreis vor folgender Situation:

1) Die Kosten- und Erlössituation der auf Kreisgebiet tätigen Verkehrs-unternehmen sind bislang unbekannt,

2) die Unternehmen verfügen über eigenwirtschaftliche Liniengenehmigungen, die vielfach noch lange über den 01.01.2017 hinaus laufen.

 

Allein deshalb können öffentliche Dienstleistungsaufträge zur Erbringung dieser ÖPNV-Leistungen zurzeit nicht ausgeschrieben werden. Ausschreibungen sind daneben für einen Aufgabenträger wirtschaftlich erst dann sinnvoll, wenn ganze Linienbündel im Wettbewerb vergeben werden können. Hierzu ist aber zunächst planerisch ein Linienbündelungskonzept im Nahverkehrsplan erforderlich, der jetzt gemäß den landesgesetzlichen Vorgaben bis spätestens Ende 2019 erstellt werden muss.

 

Aus Sicht der Verkehrsunternehmen gefährdet der Wegfall der § 45-Leistungen ab dem 01.01.2017 die Fortführung der Linienverkehre. Geschieht von Seiten des Aufgabenträgers nichts, sind Anträge zur Reduzierung der Fahrpläne und/oder der (Teil-)Entbindung von der Betriebspflicht zu befürchten. Eine leistungsfähige und vielfältige Unternehmensstruktur für die Erbringung von ÖPNV-Leistungen liegt aber im langfristigen strategischem Interesse des Aufgabenträgers.

 

Die Verkehrsunternehmen im Landkreis Friesland haben bislang zusätzliche Verkehrsleistungen erbracht, welche über Verkehrsverträge abgegolten wurden. Diese Verträge sind gekündigt, die Leistungen werden weiterhin erbracht und sind für die Schülerbeförderung notwendig. Die bisher aufgewendeten Mittel in Höhe von 339.184 € für die Zusatzleistungen werden zu den o.g. Mitteln aus §7a NNVG addiert, somit wird insgesamt eine beihilferechtskonforme Finanzierung über die allgemeine Vorschrift sichergestellt. 

 

Die in der Novellierung des NNVG festgeschriebenen Ausgleichsbeträge für die einzelnen Landkreise und kreisfreien Städte wurden anhand der tatsächlich im Jahr 2015 erbrachten Verkehrsleistungen der einzelnen Verkehrsunternehmen errechnet. Dabei wurden bei gebietsübergreifenden Verkehren die Anteile anhand der Fahrplankilometer auf die jeweiligen Aufgabenträger aufgeteilt.

 

Die Stadt Wilhelmshaven wird die Verkehrsleistungen im Stadtgebiet in einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag vergeben. Für einfallende und ausfallende Regionalbuslinien in den benachbarten Landkreis Friesland ist eine Übertragung der entsprechenden anteiligen Ausgleichszahlungen geplant. In Kürze wird eine Vereinbarung zwischen der Stadt Wilhelmshaben und dem Landkreis Friesland geschlossen, die es der Stadt Wilhelmshaven ermöglicht, die anteiligen Mittel für die Regionalbuslinien in Höhe von 181.452 € an den Landkreis zu übertragen. Der Gesamtbetrag wird in der Richtlinie entsprechend erhöht.

 

Lösung:

Als kurz- und mittelfristige Lösungsmöglichkeit bietet sich der Erlass einer sog. allgemeinen Vorschrift gemäß der VO (EG) 1370/2007 an. Die Verabschiedung der in der Anlage beigefügten allgemeinen Vorschrift legt fest, dass das bislang auf Kreisgebiet gültige Tarifniveau als gemeinwirtschaftlicher Höchsttarif, also vom Landkreis gewünschter Tarif gilt. Die allgemeine Vorschrift enthält eine europarechtlich vorgegebene komplexe Abrechnungssystematik, die sicherstellen soll, dass die Verkehrsunternehmen nur leistungsgerechte Ergänzungsfinanzierungen von den Aufgabenträgern erhalten sollen (beihilfenrechtliche Überkompensationskontrolle).  Die erste Abrechnung Anfang 2018 für das Jahr 2017 wird ein erster Schritt für eine größere Transparenz von Kosten und Erlösen im ÖPNV des Kreises Friesland sein, worauf die künftige Planung der ÖPNV-Organisation aufbauen kann.

 

Mangels verlässlicher ökonomischer und verkehrlicher Rahmendaten ergeht die allgemeine Vorschrift zunächst nur als Richtlinie. Es ist zur höheren rechtlichen Verlässlichkeit aller Beteiligten anzustreben, diese Richtlinie baldmöglichst in eine verbindliche Kreissatzung  zu überführen. Die Satzung kann auf der Grundlage der gesammelten Erfahrungen bei Bedarf jährlich fortgeschrieben werden.

 

 

Herr Ambrosy erläutert zunächst noch einmal die Beschlussvorlage. Grundsätzlich wird die Kommunalisierung des ÖPNV seitens des Landkreises begrüßt.

 

Auf Anfrage von Herrn Ratzel erklärt der Landrat, dass die Verkehrsunternehmen die Anträge zuvor an das Land gestellt haben. Nun sind die Anträge beim Landkreis zu stellen. Der Landkreis ist nun nicht nur zuständige Behörde, sondern zahlt auch die Mittel aus.

 

Die Anfrage von Herrn Ratzel, ob es richtig sei, dass jetzt nur eine Richtlinie beschlossen wird und im Jahr 2017 ein Beschluss über eine Satzung zu fassen ist wurde von Herrn Ambrosy und dem Ausschussvorsitzenden Herrn Pauluschke bestätigt.

 

Der Ausschuss für Wirtschaft, Tourismus, Kreisentwicklung und Finanzen beschließt wie folgt:

 


Abstimmungsergebnis:

 

einstimmig