Sitzung: 25.06.2019 Ausschuss für Arbeit und Soziales
Beschluss: vorberatend zur Kenntnis genommen / weiter an Kreisausschuss
Vorlage: 0733/2019
Beschluss:
Die Ergebnisse des schlüssigen Konzeptes zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft im Landkreis Friesland werden vorberatend zur Kenntnis genommen und an den Kreisausschuss weitergeleitet.
Begründung:
In der Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 12.09.2018
wurde darüber informiert, dass der Landkreis Friesland zur Erfüllung der
gesetzlichen Anforderungen ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der
angemessenen Kosten der Unterkunft erstellen wird.
Die Erstellung des Konzepts wurde aufgrund der Komplexität als Auftrag
an ein fachkundiges Unternehmen vergeben. Nach Prüfung und Wertung der
Angebotsunterlagen von drei verschiedenen Unternehmen wurde am 16. November
2018 der Auftrag an das Unternehmen „Analyse & Konzepte
Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien, Stadtentwicklung mbH“ mit Sitz in
Hamburg erteilt.
In der Zwischenzeit wurde durch das Unternehmen in einem aufwändigen
Verfahren eine qualifizierte Abschätzung der Wohnungsnachfrage im preiswerten
Segment vorgenommen, eine repräsentative Erhebung von Bestandsmieten sowie eine
Erhebung von Angebotsmieten durchgeführt.
Nach einer Plausibilisierung der Erhebungsergebnisse wurden anschließend
schrittweise in wiederholten Rechengängen die angemessenen Richtwerte für die
Kosten der Unterkunft im Landkreis Friesland ermittelt.
In der Sitzung werden die einzelnen Verfahrensschritte sowie die
ermittelten Ergebnisse durch einen Mitarbeiter des beauftragten Unternehmens
präsentiert und näher erläutert.
Herr Bruns führt aus, dass in der Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 12.09.2018 darüber informiert wurde, dass der Landkreis Friesland zur Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft erstellen würde. Aufgrund der Komplexität wurde die Erstellung des Konzeptes an das fachkundige Unternehmen “Analyse & Konzepte Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien, Stadtentwicklung mbH” mit Sitz in Hamburg vergeben.
Vorsitzende Bastrop begrüßt Herrn Martin Möller des Unternehmens, der anhand der Präsentation “Landkreis Friesland Schlüssiges Konzept 2019” das schlüssige Konzept vorstellt.
Herr Möller führt aus, dass gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in
Verbindung mit § 35 SGB XII die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in der Höhe
der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind.
Hier handele es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Laut
Bundessozialgericht (BSG) müsse die Angemessenheit aus den örtlichen
Begebenheiten abgeleitet werden. Zunächst wurden durch das Unternehmen die
Bestandsmieten erhoben. Hierzu wurden Wohnungsunternehmen und Wohnungsverwalter
kontaktiert; anschließend wurde eine Mieterbefragung durchgeführt.
Angebotsmieten wurden durch Kontakt zu Immobilienbörsen und Internetportale
sowie zu regionalen Medien in einem Zeitraum von 12 Monaten erfasst. Der
Wohnungsbestand im Landkreis Friesland betrage insgesamt 48.041 Wohnungen in
35.923 Wohngebäuden, wobei insgesamt 16.224 Wohnungen zu Wohnzwecken vermietet
seien. Über die Befragungen konnten insgesamt 1.680 Bestandsmieten und 835
Angebotsmieten erhoben werden. Dies entspricht ca. 10 % des relevanten
Mietwohnungsbestandes, womit diese Datengrundlage als repräsentativ für den
Landkreis Friesland angesehen werden kann.
Nach Plausibilitätsprüfungen und feldspezifischen Extremwertkappungen
bilden insgesamt 1.586 relevante Mietwerte die Grundlage der
Erhebungsergebnisse. Um den Anforderungen der Gerichte an ein schlüssiges
Konzept gerecht zu werden, ist das Kreisgebiet hinsichtlich des
Wohnraumangebotes zusätzlich noch zu regionalisieren. Es sind sogenannte
Vergleichsräume zu bilden, die per Definition ausgehend vom Wohnort der
leistungsberechtigten Person einen bestimmten ausreichend großen Raum der
Wohnbebauung darstellt, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und
insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit einen homogenen Lebens- und
Wohnbereich bildet.
Es wurden für den Landkreis Friesland insgesamt vier Vergleichsräume
gebildet: Wangerooge, Jever, Schortens (Schortens, Wangerland, Sande) und Varel
(Varel, Zetel, Bockhorn).
Laut Nachfrageanalyse für den Landkreis Friesland beträgt der Anteil der
Nachfrager einer Mietwohnung im unteren Preissegment insgesamt 22% (bezogen auf
die Personengruppen Bedarfsgemeinschaften SGB II, Empfänger SGB XII,
Wohngeldempfänger, Geringverdiener ohne Leistungsbezug und Empfänger AsylbLG).
Über die ermittelten Faktoren (Mietwerterhebung und Nachfrageanalyse) wurden in
Abgleich mit dem zur Verfügung stehenden Wohnraum die für den Landkreis
Friesland geltenden Angemessenheitsrichtwerte für eine Brutto-Kaltmiete festgelegt.
Das BSG hat die Produkttheorie entwickelt. Hiernach ist eine Wohnung
angemessen, wenn die Wohnkosten brutto-kalt im Rahmen der Angemessenheitswerte
liegen. Das bedeutet, dass der brutto-kalte Produktpreis “Wohnen” entscheidend
ist; zum Beispiel kann eine Bedarfsgemeinschaft (BG) mit einem
Angemessenheitswert in Höhe von 300 Euro 60 m² bewohnen, wenn die
Brutto-Kaltmiete bei 5 Euro/m² liegt oder brutto-kalt 10 Euro/m² zahlen, wenn
die Wohnung 30 m² groß ist.
Im Ergebnis stellt Herr Möller die für den Landkreis Friesland
ermittelten Richtwerte für die abstrakte Angemessenheit vor und vergleicht
diese mit den bisher angewendeten Richtwerten. Da bisher keine eigenen
Erhebungen hinsichtlich der örtlichen Mietkosten vorhanden waren, sind im
Landkreis Friesland die Werte des Wohngeldgesetzes zuzüglich eines gerichtlich
auferlegten 10-prozentigen Sicherheitszuschlages zugrunde gelegt worden.
Für Wangerooge seien aufgrund der Sonderstellung der Insel keine Werte
ermittelt worden, somit würde hier weiterhin das bisherige Verfahren angewandt
werden. Herr Möller erklärt, dass der Begriff “Mietobergrenze” in diesem
Zusammenhang nicht korrekt sei. Er spricht stattdessen von der
“Nichtprüfungsgrenze”, denn Bedarfsgemeinschaften könnten durchaus auch teurer
wohnen, als die angegebenen Richtwerte. In diesem Fall käme es auf eine
Einzelfallprüfung an, ob ein entsprechender Mehrbedarf bestehe.
Zusätzlich sei ermittelt worden, ob es sich um barrierearme,
beziehungsweise barrierefreie Wohnungen handele. Die Anmietung einer solchen
Wohnung sei grundsätzlich im Rahmen der KdU möglich, da hier die
Quadratmeterpreise zwischen 5 Euro/m² und 5,91 Euro/m² je nach Haushaltsgröße
und Vergleichsraum lägen. Sollte eine barrierefreie Wohnung für eine BG
zwingend erforderlich sein, kann durch Einzelfallprüfung eine höhere Miete
gewährt werden.
Herr Möller führt aus, dass sich Fortschreibungen von schlüssigen Konzepten an der Methodik von qualifizierten Mietspiegeln orientierten, sie seien zwei Jahre nach Erhebung fortzuschreiben. Beispielsweise könnte die Fortschreibung über den Verbraucherpreisindex erfolgen; weitere zwei Jahre nach der Fortschreibung sei das schlüssige Konzept neu zu erstellen; das Mietniveau sei somit in Gänze neu zu ermitteln. Herr Möller empfiehlt dem Landkreis Friesland, die Fortschreibung auf diese Weise durchzuführen.
Landrat Ambrosy merkt an, dass die Verwaltung dem Ausschuss für Arbeit und Soziales vorschlägt, diesen Beratungsgegenstand aufgrund der Grundsätzlichkeit durch den Fachausschuss als vorberatend zur Kenntnis zu nehmen und den Beratungsgegenstand “Erstellung eines schlüssigen Konzeptes zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft im Landkreis Friesland” zur Entscheidung an den Kreisausschuss weiterzuleiten.
KTA Wilken merkt an, dass es aus seiner Sicht zwingend notwendig sei, im Kreisausschuss über diesen Beratungsgegenstand zu beschließen, weil dieser für die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Friesland von großer Bedeutung seien.
Landrat Ambrosy erklärt, dass ein zusätzlicher Termin für eine Kreisausschusssitzung festgelegt werde, der noch vor der geplanten Sitzung am 21.08.2019 stattfinden werde.
Landrat Ambrosy stellt Herrn Möller die Frage, ob er die Urteile der Gerichte über aufgehobene Konzepte kenne und ob er davon ausgehe, dass in diesem Gutachten alle Tatbestandsmerkmale der Urteile in dem Gutachten Berücksichtigung gefunden haben, damit der Landkreis Friesland ein möglichst sicheres Gefühl der Gerichtsfestigkeit haben könne.
Herr Möller antwortet, dass nach bestem Wissen und Gewissen alle bekannten Urteile, somit auch die jüngsten Entscheidungen des BSG aus 2019 in das Konzept eingeflossen seien, was auch im Methodenbericht entsprechend dokumentiert werde. Herr Möller erklärt, dass das Unternehmen deutschlandweit der größte Anbieter sei und über 120 positive Urteile zu den erstellten Konzepten habe, über 170 Konzepte seien insgesamt erstellt worden.
KTA Michaelis stellt die Frage, ob auch Wohnungen in Heimunterkünften bei der Erhebung einbezogen worden seien. Herr Möller verneint die Frage. Wohnungen in Heimunterkünften oder heimähnliche Wohnformen seien im Rahmen von Filterfragen ausgeschlossen.
KTA Wilken merkt an, dass sich aus seiner Sicht die Hilfebedürftigen gegenüber der vorherigen Vorgehensweise bei der Wohnungssuche erheblich verschlechtern würden, weil sich der Spielraum für die Personen mit dem neuen Konzept verringern würde.
Herr Bruns antwortet, dass zurzeit gar keine Grundlage bestehe. Die Leistungsempfänger würden nicht schlechter gestellt werden als die Vergleichsgruppe der Wohngeldempfänger, bei denen die Obergrenze des Wohngeldgesetzes anzuwenden sei. Ein Sicherheitszuschlag würde nun mit diesem Konzept entfallen, da eigene Ermittlungen des Landkreises Friesland mit Hilfe des Unternehmens angestellt wurden. Herr Bruns stellt dar, dass hier aus seiner Sicht keine Schlechterstellung vorliegen würde sondern eine realistische Bemessungsgrundlage geschaffen worden sei.
Erste Kreisrätin Vogelbusch ergänzt, dass die Werte des Konzeptes der KdU bei den kleinen Haushalten über denen der bisher angewandten Methode liegen, sodass hier eine höhere Miete anerkannt werde als bisher.
KTA Homfeldt stellt sie Frage, ob bei der Erstellung des Konzeptes nachvollziehbar sei, wie viele der abgefragten Mietverhältnisse mit der kommunalen Wohnungsbau bestehen.
Herr Möller antwortet, dass die Wohnungsbau sich in Gänze beteiligt habe und der gesamte Bestand der Wohnungsbau einbezogen worden sei.
Landrat Ambrosy merkt an, dass die Wohnungsbau der größte Anbieter von Sozialwohnungen sei.
Herr Bruns ergänzt, dass die Großvermieter im Landkreis Friesland angeschrieben worden seien mit dem Hinmweis, dass die abgefragten Daten dringend benötigt werden würden, um ein schlüssiges Konzept erstellen zu können. Insbesondere die Wohnungsbau wurde darauf hingewiesen. Dies hat einen vollständigen Rücklauf der Befragung ergeben.
Anlage:
Abstimmungsergebnis:
Einstimmig beschlossen.