Betreff
Windenergie - Flächenziele und Repowering
Vorlage
0598/2023
Art
Beschlussvorlage ohne Kämmerei

Begründung:

 

Am 01.02.2023 ist das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land vom 20. Juli 2022 (BGBl. I S. 1353) - inzwischen ergänzt durch Gesetz vom 8. Oktober 2022 (BGBL. I S. 1726), durch Gesetz vom 4. Januar 2023 (BGBl. 2023 Teil I NR. 6) sowie durch das ROGÄndG vom 28. März 2023 (BGBl. 2023 Teil I Nr. 88) - in Kraft getreten, mit dem der Bund ein neues Regime für die Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen erlassen hat.

Das Gesetz zielt darauf, dass bis 2032 durch Planungen in den Ländern insgesamt 2 Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land ausgewiesen werden. Das auch als „Wind-an-Land-Gesetzgebung“ bezeichnete Regelungspaket beinhaltet u.a.

 

  • das neue Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG)
  • Änderungen des Baugesetzbuches (insbesondere § 245e BauGB, 249 BauGB) und
  • Änderungen des Raumordnungsgesetzes (§ 27 Abs. 4 ROG).

Parallel hierzu wurde das Vierte Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 20. Juli 2022 erlassen, u.a. mit

 

  • Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes (insbesondere § 26 Abs. 3 BNatSchG, § 45b BNatSchG) und
  • Änderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (§ 16b BImSchG).

 

Ergänzt werden diese Bundesgesetze künftig auf Landesebene durch ein Gesetz zur Umsetzung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes in Niedersachsen (Arbeitstitel: NWindBGUG). Es bestimmt die Träger der Regionalplanung als zuständige Stellen für die Ausweisung von Windenergiegebieten für jeden dieser Planungsträger verbindliche Teilflächenziele sowie die Zeitpunkte, bis zu denen die Flächenausweisungen vorzunehmen sind. Die konkreten Möglichkeiten und Anforderungen für die Ausweisung von Windenergiegebieten in Regionalen Raumordnungsprogrammen sind im Raumordnungsgesetz des Bundes (ROG) und im Niedersächsischen Raumordnungsgesetz (NROG) geregelt. Für die Ausweisung von Vorranggebieten Windenergienutzung enthalten diese Gesetze einzelne Sonderregelungen, die vorrangig anzuwenden sind. Im NROG soll auch die Option eröffnet werden, Teilpläne für die Windenergienutzung aufzustellen. Im Übrigen gelten für die Aufstellung und Änderung von Raumordnungsplänen unverändert die für alle Raumordnungsplanungen geltenden Vorschriften (vgl. Arbeitshilfe für die Ausweisung von Windenergiegebieten in Regionalen Raumordnungsprogrammen - Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Juli 2023).

In Bezug auf den Ausschluss von Windenergieanlagen in bestimmten Bereichen des Planungsraums führt die Wind-an-Land-Gesetzgebung hingegen einen Systemwechsel ein:

 

Nach der bis zum 31.01.2023 geltenden Rechtslage waren Windenergieanlagen stets privilegierte Vorhaben im Außenbereich gem. § 35 BauGB. Sie durften – sofern nicht öffentliche Belange entgegenstanden und die Erschließung gesichert war – prinzipiell überall im Außenbereich genehmigt und errichtet werden. Die Ansiedlung von Windenergieanlagen konnte vom Träger der Flächennutzungsplanung oder vom Träger der Regionalplanung über eine sog. Konzentrationsflächenplanung gesteuert werden. Nur durch eine solche Planung konnten Windenergieanlagen auf bestimmte Bereiche im Planungsraum begrenzt werden und in anderen Bereichen des Planungsraums ausgeschlossen werden. Die im Plan bestimmte Ausschlusswirkung war nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB als entgegenstehender öffentlicher Belang ein Zulassungshindernis im BImSchG-Genehmigungsverfahren für Anlagen. Diese Form von Ausschlusswirkung entfällt spätestens am 31. Dezember 2027 nach NWindBGUG.

Nach der ab 01.02.2023 geltenden Rechtslage sind lediglich während eines Übergangszeitraums weiterhin sämtliche Windenergieanlagen privilegiert. Dieser Übergangszeitraum endet mit dem Zeitpunkt, an dem ein Planungsträger sein Teilflächenkontingent ausgewiesen hat und spätestens mit Ablauf der Stichtage für die Teilflächenziele (31.12.2027 bzw. 31.12.2032 nach WindBG).

 

Als Teilflächenziele bezeichnet das WindBG die verbindlichen Flächenziele eines Landes an regionale oder kommunale Planungsträger. Das Teilflächenziel eines regionalen oder kommunalen Planungsträgers ist ein Anteil der jeweiligen Fläche eines regionalen oder kommunalen Planungsraums, der von diesem Planungsträger für die Windenergie an Land auszuweisen ist. Die Teilflächenziele eines Landes ergeben in Summe den Flächenbeitragswert (vgl. § 3 Abs. 2 WindBG). Die Zuweisung von Teilflächenzielen erfolgt in Niedersachsen durch Landesgesetz. Teilflächenziele werden nur für die Träger der Regionalplanung (Landkreise, kreisfreie Städte, Stadt Göttingen, Regionalverband Großraum Braunschweig), nicht für die Träger der Bauleitplanung festgelegt.

 

Sobald das Teilflächenziel erreicht wird, sind nur noch solche Windenergieanlagen privilegiert, die innerhalb der planerisch ausgewiesenen Windenergiegebiete im Sinne des § 2 WindBG liegen. Außerhalb dieser Windenergiegebiete sind Windenergieanlagen nicht-privilegierte Anlagen im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB. Sie sind in aller Regel nicht zulassungsfähig, weil nicht privilegierte Vorhaben zumindest einen öffentlichen Belang beeinträchtigen. Wird das Teilflächenziel zu dem jeweiligen Stichtag nicht erreicht, gelten Windenergieanlagen weiterhin im gesamten Planungsraum als privilegierte Vorhaben nach § 35 Abs. 1. Nr. 5 BauGB, jedoch mit der zusätzlichen Erleichterung, dass die Anlage dann weder an Ziele der Raumordnung noch an Darstellungen in Flächennutzungsplänen im BImSch-Verfahren gebunden ist.

 

Sollte die Genehmigung des Plans nicht rechtzeitig vor den Fristen gemäß §3 Abs. 1 WindBG erfolgen und die Rechtswirkungen nach §249 Abs. 7 BauGB eintreten, sollte der Planungsträger (vorab) das Erreichen des Teilflächenziels mit dem Beschluss der Planänderung bekannt machen. Gemäß §4 Abs. 2 Satz 3 WindBG dürfen Flächen bereits ab der kommunalen Beschlussfassung über das RROP befristet für die Dauer von sieben Monaten angerechnet werden, wenn der Plan vor Ablauf der in §3 Abs. 1 Satz 2 WindBG genannten Stichtage beschlossen worden ist.

 

Dieser neue Mechanismus wird umgangssprachlich auch als „Privilegierung Plus“ oder „Super-Privilegierung“ bezeichnet, weil bei Verfehlen der Teilflächenziele Raumordnungs- und Flächennutzungspläne die BImSch-Genehmigung nicht mehr verhindern können. Die neue Rechtslage ersetzt die durch Planung erzeugte Ausschlusswirkung insofern durch ein anderes rechtliches Konstrukt. Anstelle einer – durch Planung erzeugten - Ausschlusswirkung richtet sich die Genehmigungsfähigkeit einer Windenergieanlage künftig danach, ob sie ein privilegiertes Vorhaben oder ein nicht privilegiertes Vorhaben ist. Der faktische Ausschluss einer Windenergieanlage wird kraft Gesetzes hergestellt und ist künftig nur davon abhängig, dass eine wirksame und flächenmäßig ausreichende Flächenausweisung (Positivplanung) im Sinne des WindBG vorliegt.

 

Als Windenergiegebiete werden gemäß §2 WindBG folgende Gebiete verstanden:

- „Vorranggebiete Windenergienutzung in Raumordnungsplänen (einschließlich der ab 28.09.2023 geltenden Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 3 ROG)

- Vorbehaltsgebiete in Raumordnungsplänen - Eignungsgebiete in Raumordnungsplänen

- Sonderbauflächen, Sondergebiete und mit diesen vergleichbare Ausweisungen in Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen Die Legaldefinition ist anzuwenden, wenn im WindBG oder in anderen Gesetzen der Begriff „Windenergiegebiet“ verwendet wird“ (§2 WindBG).

 

Neben dem Auftrag für die Träger der Regionalplanung, die Teilflächenziele für den jeweiligen Landkreis zu ermitteln, gibt es Regelungen über Berichtspflichten für ein Monitoring. Grundsätzlich sind keine Teilflächenziele auf Ebene der Städte und Gemeinden zu ermitteln, sodass es keine Verlagerung der Zuständigkeit auf die Städte und Gemeinden möglich ist.

 

Zur Beschleunigung des Ausbaus der Windenergie wurden zudem umfängliche Repowering-Regeln eingeführt (§§ 245e Abs. 3. u. 249 Abs. 3 BauGB). Diesen stehen weder die bestehenden Konzentrationsflächenplanungen (Ausschlussplanung) noch nach Erreichen der Teilflächenziele die Positivplanung entgegen. Auf Grundlage des § 16b BImSchG profitieren hiervon alle Anlagen über 50 m Gesamthöhe und können zusätzlich um das bis zu 2fache der Gesamthöhe der neuen Anlage vom ursprünglichen Standort verschoben werden. Eingeschränkt wird dies nur durch Natura2000- und Naturschutzgebiete sowie, vor Erreichen der Teilflächenziele, sehr eingeschränkt durch das Berührtsein der Grundzüge der Planung der betroffenen Gebietskörperschaft. Diese Regelung ist bis zum 31.12.2030 befristet.

 

Anhand einer GIS-Analyse wurden für den Landkreis Friesland gemäß der Arbeitshilfe für die Ausweisung von Windenergiegebieten in Regionalen Raumordnungsprogrammen (Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Juli 2023) als Teilflächen- und Gesamtziel für 2032 ein Wert von 491,71 ha bzw. 0,81% der Landkreisfläche rotor-out ermittelt (siehe Tabelle 1). Das Flächenziel gemäß der Berechnung aus Mai 2023 von 0,79% bzw. 486 ha für den Landkreis Friesland allein auf Grundlage der bestehenden Vorranggebiete Windenergienutzung im RROP 2020 wird somit erfüllt.

 

Sofern die gesetzliche Verpflichtung vom WindBG auf Bundesebene in das Landesrecht überführt wurde, plant der Landkreis die Erfüllung der Teilflächenziele entsprechend NROG zu veröffentlichen.

 

Tabelle 1: Teilflächenzielberechnung Windenergie Friesland

ID

Bezeichnung

Leistung

Kommune

Größe in ha

RROP Bezeichnung

ha vor Abzug

rotor-out Abzug in m

ha nach Abzug

1

Jever

14,1 MW

Stadt Jever

27,98

Vorranggebiet Windenergienutzung

27,98

-75

7,54

2

Ostiem

8,7 MW

Stadt Schortens

125,51

Vorranggebiet Windenergienutzung

125,19

-75

81,91

3

Sande

20,2 MW

Gemeinde Sande

68,89

Vorranggebiet Windenergienutzung

68,89

-75

41,92

4

Bassens

36 MW

Gemeinde Wangerland

188,15

Vorranggebiet Windenergienutzung

188,15

-75

143,13

5

Hohenkirchen

7,65 MW

Gemeinde Wangerland

15,42

Vorranggebiet Windenergienutzung

15,42

-75

4,73

6

Waddewarden

10,7 MW

Gemeinde Wangerland

16,88

Vorranggebiet Windenergienutzung

16,88

-75

2,02

7

Krögershamm/Ammersche Länder

28,62 MW

Gemeinden Bockhorn/Varel

93,03

Vorranggebiet Windenergienutzung

93,03

-75

55,59

8

Bullenmeersbäke

10,1 MW

Gemeinde Zetel

32,42

Vorranggebiet Windenergienutzung

32,42

-75

9,08

9

Herrenmoor

10,3 MW

Gemeinde Zetel

48,14

Vorranggebiet Windenergienutzung

48,14

-75

27,47

10

Hiddels

54,4  MW

Gemeinden Bockhorn/Zetel

180,44

Vorranggebiet Windenergienutzung

180,44

-75

118,31

Gesamt

alle betroffenen

491,71

% an LK-Fläche

0,81

 

 


Beschlussvorschlag:

 

Die Verwaltung wird damit beauftragt die Teilflächenziele gemäß WindBG und Gesetz zur Umsetzung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes in Niedersachsen für den Landkreis Friesland, entsprechend der vorgeschlagenen Methodik zu ermitteln und sobald die gesetzliche Ermächtigung vorhanden ist, dem Kreistag zum Beschluss vorzulegen.

 


Finanzielle Auswirkungen:       Ja       Nein

Gesamtkosten der Maßnahmen (ohne Folgekosten)

Direkte jährliche

Folgekosten

 Finanzierung:

  Eigenanteil                objektbezogene Einnahmen

Sonstige einmalige oder jährliche laufende Haushaltsauswirkungen

€ XXXXX

€ XXXX

€ XXXX

€ XXXX

€ XXXX

Erfolgte Veranschlagung:    ja, mit             Nein

im   Ergebnishaushalt    Finanzhaushalt    Produkt- bzw. Investitionsobjekt: XXXX

Vorlage betrifft die demografische Entwicklung:    ja   nein

Falls ja, in welcher Art: XXXX

Vorlage hat negative Auswirkungen auf Klimaschutz:   ja   nein

Vorlage hat positive Auswirkungen auf Klimaschutz:   ja   nein

Vorlage bezieht sich auf

XXX

MEZ  Nr. 4

Titel: Erhalt und Verbesserung der natürlichen Lebensgrundlagen

HSP  Nr.  4.4.1

Titel: Verstärkter Einsatz regenerativer Energien

                                                

 

gez. Marisa Tammen            gez. Rolf Neuhaus

Sachbearbeiter/in                    Fachbereichsleiter/in

Sichtvermerke:

 

gez. Dr. Martin Dehrendorf                              gez. Sven Ambrosy                              

Dezernent/in                             Kämmerei                 Landrat

Abstimmungsergebnis:

Fachausschuss

einstimmig 

Ja:

Nein:

Enth.:

Kts. gen.:  

abw.  Beschl.   

Kreisausschuss

einstimmig 

Ja:

Nein:

Enth.:

Kts. gen.:  

abw.  Beschl.   

Kreistag

einstimmig 

Ja:

Nein:

Enth.:

Kts. gen.:  

abw.  Beschl.   

 


Anlage(n):

keine