Begründung:
Am
01.02.2023 ist das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von
Windenergieanlagen an Land vom 20. Juli 2022 (BGBl. I S. 1353) - inzwischen
ergänzt durch Gesetz vom 8. Oktober 2022 (BGBL. I S. 1726), durch Gesetz vom 4.
Januar 2023 (BGBl. 2023 Teil I NR. 6) sowie durch das ROGÄndG vom 28. März 2023
(BGBl. 2023 Teil I Nr. 88) - in Kraft getreten, mit dem der Bund ein neues
Regime für die Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen erlassen hat.
Das
Gesetz zielt darauf, dass bis 2032 durch Planungen in den Ländern insgesamt 2
Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land ausgewiesen werden. Das
auch als „Wind-an-Land-Gesetzgebung“ bezeichnete Regelungspaket beinhaltet u.a.
- das neue
Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG)
- Änderungen des Baugesetzbuches
(insbesondere § 245e BauGB, 249 BauGB) und
- Änderungen des
Raumordnungsgesetzes (§ 27 Abs. 4 ROG).
Parallel
hierzu wurde das Vierte Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom
20. Juli 2022 erlassen, u.a. mit
- Änderungen des
Bundesnaturschutzgesetzes (insbesondere § 26 Abs. 3 BNatSchG, § 45b
BNatSchG) und
- Änderungen des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes (§ 16b BImSchG).
Ergänzt
werden diese Bundesgesetze künftig auf Landesebene durch ein Gesetz zur
Umsetzung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes in Niedersachsen (Arbeitstitel:
NWindBGUG). Es bestimmt die Träger der Regionalplanung als zuständige Stellen
für die Ausweisung von Windenergiegebieten für jeden dieser Planungsträger
verbindliche Teilflächenziele sowie die Zeitpunkte, bis zu denen die
Flächenausweisungen vorzunehmen sind. Die konkreten Möglichkeiten und
Anforderungen für die Ausweisung von Windenergiegebieten in Regionalen
Raumordnungsprogrammen sind im Raumordnungsgesetz des Bundes (ROG) und im
Niedersächsischen Raumordnungsgesetz (NROG) geregelt. Für die Ausweisung von
Vorranggebieten Windenergienutzung enthalten diese Gesetze einzelne
Sonderregelungen, die vorrangig anzuwenden sind. Im NROG soll auch die Option
eröffnet werden, Teilpläne für die Windenergienutzung aufzustellen. Im Übrigen
gelten für die Aufstellung und Änderung von Raumordnungsplänen unverändert die
für alle Raumordnungsplanungen geltenden Vorschriften (vgl. Arbeitshilfe für die Ausweisung von
Windenergiegebieten in Regionalen Raumordnungsprogrammen - Nds. Ministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Juli 2023).
In
Bezug auf den Ausschluss von Windenergieanlagen in bestimmten Bereichen des
Planungsraums führt die Wind-an-Land-Gesetzgebung hingegen einen Systemwechsel
ein:
Nach
der bis zum 31.01.2023 geltenden Rechtslage waren Windenergieanlagen stets
privilegierte Vorhaben im Außenbereich gem. § 35 BauGB. Sie durften – sofern
nicht öffentliche Belange entgegenstanden und die Erschließung gesichert war –
prinzipiell überall im Außenbereich genehmigt und errichtet werden. Die
Ansiedlung von Windenergieanlagen konnte vom Träger der Flächennutzungsplanung
oder vom Träger der Regionalplanung über eine sog. Konzentrationsflächenplanung
gesteuert werden. Nur durch eine solche Planung konnten Windenergieanlagen auf
bestimmte Bereiche im Planungsraum begrenzt werden und in anderen Bereichen des
Planungsraums ausgeschlossen werden. Die im Plan bestimmte Ausschlusswirkung
war nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB als entgegenstehender öffentlicher Belang ein
Zulassungshindernis im BImSchG-Genehmigungsverfahren für Anlagen. Diese Form
von Ausschlusswirkung entfällt spätestens am 31. Dezember 2027 nach NWindBGUG.
Nach
der ab 01.02.2023 geltenden Rechtslage sind lediglich während eines
Übergangszeitraums weiterhin sämtliche Windenergieanlagen privilegiert. Dieser
Übergangszeitraum endet mit dem Zeitpunkt, an dem ein Planungsträger sein
Teilflächenkontingent ausgewiesen hat und spätestens mit Ablauf der Stichtage
für die Teilflächenziele (31.12.2027 bzw. 31.12.2032 nach WindBG).
Als
Teilflächenziele bezeichnet das WindBG die verbindlichen Flächenziele eines
Landes an regionale oder kommunale Planungsträger. Das Teilflächenziel eines
regionalen oder kommunalen Planungsträgers ist ein Anteil der jeweiligen Fläche
eines regionalen oder kommunalen Planungsraums, der von diesem Planungsträger
für die Windenergie an Land auszuweisen ist. Die Teilflächenziele eines Landes
ergeben in Summe den Flächenbeitragswert (vgl. § 3 Abs. 2 WindBG). Die
Zuweisung von Teilflächenzielen erfolgt in Niedersachsen durch Landesgesetz.
Teilflächenziele werden nur für die Träger der Regionalplanung (Landkreise,
kreisfreie Städte, Stadt Göttingen, Regionalverband Großraum Braunschweig),
nicht für die Träger der Bauleitplanung festgelegt.
Sobald
das Teilflächenziel erreicht wird, sind nur noch solche Windenergieanlagen
privilegiert, die innerhalb der planerisch ausgewiesenen Windenergiegebiete im
Sinne des § 2 WindBG liegen. Außerhalb dieser Windenergiegebiete sind
Windenergieanlagen nicht-privilegierte Anlagen im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB.
Sie sind in aller Regel nicht zulassungsfähig, weil nicht privilegierte
Vorhaben zumindest einen öffentlichen Belang beeinträchtigen. Wird das
Teilflächenziel zu dem jeweiligen Stichtag nicht erreicht, gelten
Windenergieanlagen weiterhin im gesamten Planungsraum als privilegierte
Vorhaben nach § 35 Abs. 1. Nr. 5 BauGB, jedoch mit der zusätzlichen
Erleichterung, dass die Anlage dann weder an Ziele der Raumordnung noch an
Darstellungen in Flächennutzungsplänen im BImSch-Verfahren gebunden ist.
Sollte die Genehmigung des Plans nicht rechtzeitig
vor den Fristen gemäß §3 Abs. 1 WindBG erfolgen und die Rechtswirkungen nach
§249 Abs. 7 BauGB eintreten, sollte der Planungsträger (vorab) das Erreichen
des Teilflächenziels mit dem Beschluss der Planänderung bekannt machen. Gemäß
§4 Abs. 2 Satz 3 WindBG dürfen Flächen bereits ab der kommunalen
Beschlussfassung über das RROP befristet für die Dauer von sieben Monaten
angerechnet werden, wenn der Plan vor Ablauf der in §3 Abs. 1 Satz 2 WindBG
genannten Stichtage beschlossen worden ist.
Dieser
neue Mechanismus wird umgangssprachlich auch als „Privilegierung Plus“ oder
„Super-Privilegierung“ bezeichnet, weil bei Verfehlen der Teilflächenziele
Raumordnungs- und Flächennutzungspläne die BImSch-Genehmigung nicht mehr
verhindern können. Die neue Rechtslage ersetzt die durch Planung erzeugte
Ausschlusswirkung insofern durch ein anderes rechtliches Konstrukt. Anstelle
einer – durch Planung erzeugten - Ausschlusswirkung richtet sich die
Genehmigungsfähigkeit einer Windenergieanlage künftig danach, ob sie ein
privilegiertes Vorhaben oder ein nicht privilegiertes Vorhaben ist. Der
faktische Ausschluss einer Windenergieanlage wird kraft Gesetzes hergestellt
und ist künftig nur davon abhängig, dass eine wirksame und flächenmäßig
ausreichende Flächenausweisung (Positivplanung) im Sinne des WindBG vorliegt.
Als
Windenergiegebiete werden gemäß §2 WindBG folgende Gebiete verstanden:
-
„Vorranggebiete Windenergienutzung in Raumordnungsplänen (einschließlich der ab
28.09.2023 geltenden Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung im Sinne von § 7 Abs.
3 Satz 3 ROG)
-
Vorbehaltsgebiete in Raumordnungsplänen - Eignungsgebiete in Raumordnungsplänen
-
Sonderbauflächen, Sondergebiete und mit diesen vergleichbare Ausweisungen in
Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen Die Legaldefinition ist anzuwenden,
wenn im WindBG oder in anderen Gesetzen der Begriff „Windenergiegebiet“
verwendet wird“ (§2 WindBG).
Neben dem Auftrag für die Träger der Regionalplanung,
die Teilflächenziele für den jeweiligen Landkreis zu ermitteln, gibt es
Regelungen über Berichtspflichten für ein Monitoring. Grundsätzlich sind keine
Teilflächenziele auf Ebene der Städte und Gemeinden zu ermitteln, sodass es
keine Verlagerung der Zuständigkeit auf die Städte und Gemeinden möglich ist.
Zur Beschleunigung des Ausbaus der Windenergie
wurden zudem umfängliche Repowering-Regeln eingeführt (§§ 245e Abs. 3. u. 249
Abs. 3 BauGB). Diesen stehen weder die bestehenden Konzentrationsflächenplanungen
(Ausschlussplanung) noch nach Erreichen der Teilflächenziele die Positivplanung
entgegen. Auf Grundlage des § 16b BImSchG profitieren hiervon alle Anlagen über
50 m Gesamthöhe und können zusätzlich um das bis zu 2fache der Gesamthöhe der
neuen Anlage vom ursprünglichen Standort verschoben werden. Eingeschränkt wird
dies nur durch Natura2000- und Naturschutzgebiete sowie, vor Erreichen der
Teilflächenziele, sehr eingeschränkt durch das Berührtsein der Grundzüge der
Planung der betroffenen Gebietskörperschaft. Diese Regelung ist bis zum
31.12.2030 befristet.
Anhand einer GIS-Analyse wurden für den Landkreis
Friesland gemäß der Arbeitshilfe für die Ausweisung von Windenergiegebieten in
Regionalen Raumordnungsprogrammen (Nds. Ministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Juli 2023) als Teilflächen- und
Gesamtziel für 2032 ein Wert von 491,71 ha bzw. 0,81% der Landkreisfläche
rotor-out ermittelt (siehe Tabelle 1). Das Flächenziel gemäß der Berechnung aus
Mai 2023 von 0,79% bzw. 486 ha für den Landkreis Friesland allein auf Grundlage
der bestehenden Vorranggebiete Windenergienutzung im RROP 2020 wird somit
erfüllt.
Sofern die gesetzliche Verpflichtung vom WindBG auf
Bundesebene in das Landesrecht überführt wurde, plant der Landkreis die
Erfüllung der Teilflächenziele entsprechend NROG zu veröffentlichen.
Tabelle
1: Teilflächenzielberechnung Windenergie
Friesland
ID |
Bezeichnung |
Leistung |
Kommune |
Größe
in ha |
RROP
Bezeichnung |
ha
vor Abzug |
rotor-out
Abzug in m |
ha
nach Abzug |
1 |
Jever |
14,1 MW |
Stadt Jever |
27,98 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
27,98 |
-75 |
7,54 |
2 |
Ostiem |
8,7 MW |
Stadt Schortens |
125,51 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
125,19 |
-75 |
81,91 |
3 |
Sande |
20,2 MW |
Gemeinde Sande |
68,89 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
68,89 |
-75 |
41,92 |
4 |
Bassens |
36 MW |
Gemeinde Wangerland |
188,15 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
188,15 |
-75 |
143,13 |
5 |
Hohenkirchen |
7,65 MW |
Gemeinde Wangerland |
15,42 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
15,42 |
-75 |
4,73 |
6 |
Waddewarden |
10,7 MW |
Gemeinde Wangerland |
16,88 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
16,88 |
-75 |
2,02 |
7 |
Krögershamm/Ammersche Länder |
28,62 MW |
Gemeinden Bockhorn/Varel |
93,03 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
93,03 |
-75 |
55,59 |
8 |
Bullenmeersbäke |
10,1 MW |
Gemeinde Zetel |
32,42 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
32,42 |
-75 |
9,08 |
9 |
Herrenmoor |
10,3 MW |
Gemeinde Zetel |
48,14 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
48,14 |
-75 |
27,47 |
10 |
Hiddels |
54,4 MW |
Gemeinden Bockhorn/Zetel |
180,44 |
Vorranggebiet Windenergienutzung |
180,44 |
-75 |
118,31 |
Gesamt |
alle betroffenen |
491,71 |
||||||
%
an LK-Fläche |
0,81 |
Beschlussvorschlag:
Die
Verwaltung wird damit beauftragt die Teilflächenziele gemäß WindBG und Gesetz
zur Umsetzung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes in Niedersachsen für den
Landkreis Friesland, entsprechend der vorgeschlagenen Methodik zu ermitteln und
sobald die gesetzliche Ermächtigung vorhanden ist, dem Kreistag zum Beschluss
vorzulegen.
Anlage(n):
keine