Betreff
Vorstellung der Jugendgerichtshilfe
Vorlage
532/2009
Art
Beschlussvorlage

Begründung:


Die Jugendgerichtshilfe (JGH), häufig auch Jugendhilfe im Strafverfahren genannt, ist ein spezialisiertes Sachgebiet eingegliedert in den Fachbereich 22 (Jugend und Familie). Die gesetzliche Grundlage der Jugendgerichtshilfe befindet sich im § 52 des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder und Jugendhilfe - (SGB VIII) sowie im § 38 Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG).



§ 52 SGB VIII


(1) Das Jugendamt hat nach Maßgabe der §§ 38 und 50 Abs. 3 Satz 2 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetzes mitzuwirken.

(2) Das Jugendamt hat frühzeitig zu prüfen, ob für den Jugendlichen oder den jungen Volljährigen Leistungen der Jugendhilfe in Betracht kommen. Ist dies der Fall oder ist eine geeignete Leistung bereits eingeleitet oder gewährt worden, so hat das Jugendamt den Staatsanwalt oder den Richter umgehend davon zu unterrichten, damit geprüft werden kann, ob diese Leistung ein Absehen von der Verfolgung (§ 45 JGG) oder eine Einstellung des Verfahrens (§ 47 JGG) ermöglicht.

(3) Der Mitarbeiter des Jugendamts oder des anerkannten Trägers der freien Jugendhilfe, der nach § 38 Abs. 2 Satz 2 des Jugendgerichtsgesetzes tätig wird, soll den Jugendlichen oder den jungen Volljährigen während des gesamten Verfahrens betreuen.



§ 38 Abs. 2 JGG


Die Vertreter der Jugendgerichtshilfe bringen die erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Gesichtspunkte im Verfahren vor den Jugendgerichten zur Geltung. Sie unterstützen zu diesem Zweck die beteiligten Behörden durch Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und der Umwelt des Beschuldigten und äußern sich zu den Maßnahmen, die zu ergreifen sind. In Haftsachen berichten sie beschleunigt über das Ergebnis ihrer Nachforschungen. In die Hauptverhandlung soll der Vertreter der Jugendgerichtshilfe entsandt werden, der die Nachforschungen angestellt hat. Soweit nicht ein Bewährungshelfer dazu berufen ist, wachen sie darüber, dass der Jugendliche Weisungen und Auflagen nachkommt. Erhebliche Zuwiderhandlungen teilen sie dem Richter mit. Im Fall der Umstellung nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 üben sie die Betreuung und Aufsicht aus, wenn der Richter nicht eine andere Person damit betraut. Während der Bewährungszeit arbeiten sie eng mit dem Bewährungshelfer zusammen. Während des Vollzugs bleiben sie mit dem Jugendlichen in Verbindung und nehmen sich seiner Wiedereingliederung in die Gemeinschaft an.



Zielgruppe


Entscheidend ist das Alter zum Tatzeitpunkt der delinquenten Person. Ab dem Alter von 14 Jahren ist ein junger Mensch in der Bundesrepublik Deutschland für sein Handeln auf strafrechtlicher Basis zur Verantwortung zu ziehen. Wenn er nach § 3 JGG zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

Ab dem 18. bis zum 21. Geburtstag ist der Heranwachsende zwar zivilrechtlich volljährig. Dennoch kann er gemäß § 105 JGG nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden. Daher muss geprüft werden, ob der/die Heranwachsende entwicklungsbedingt noch einem Jugendlichen gleichzustellen ist.



Aufgabengebiete


Die Mitwirkung in Verfahren nach dem JGG soll eine Hilfe sein für Jugendliche und Heranwachsende, die mit den Strafnormen in Konflikt geraten sind.

Aktiv wird die Jugendgerichtshilfe, wenn sie von der Staatsanwaltschaft in Form einer Anklageschrift oder Diversionsakte Kenntnis über eine Straftat erlangt.

In Ausnahmefällen wird sie bereits von der Polizei informiert, wenn ein Strafverfahren eingeleitet wird.

Dadurch entsteht der Auftrag dem Jugendgericht und der Staatsanwaltschaft Ermittlungshilfe zu leisten, indem die Jugendgerichtshilfe zur Verhandlung ein umfassendes Bild über den Angeklagten darstellt, sowie einen Strafvorschlag entwickelt.

Zugleich soll die JGH auch die Jugendlichen und Heranwachsenden im gesamten Verfahren begleiten und beraten. Es soll frühzeitig geprüft werden, ob Leistungen der Jugendhilfe zur Stabilisierung der Lebenssituation und/oder Förderung der weiteren Entwicklung bei den Jugendlichen oder jungen Volljährigen in Betracht kommen.



Erstgespräch / Vorbereitung auf die Verhandlung


Nach dem Erhalt einer Anklageschrift oder Diversionsakte wird mit dem jungen Menschen, bei Jugendlichen in Verbindung mit dem Personensorgeberechtigten, Kontakt auf-genommen und diese zu einem Gespräch eingeladen.

In Gesprächen mit der JGH werden die Hintergründe für die Straftat, die Lebensumstände und mögliche Maßnahmen als Reaktion auf die Straftat erörtert. Außerdem werden die Betroffenen über den weiteren Verlauf des Verfahrens informiert und beraten. Rechtsberatung, die häufig von Klienten erwartet wird, ist der Jugendgerichtshilfe nur sehr eingeschränkt gestattet, weil dies den Rechtsanwälten vorbehalten ist.


Der so genannte Erstkontakt zu den Klienten ist die sensibelste Phase, der für die nachfolgende Zusammenarbeit entscheidende Auswirkung hat. Vordringlichstes Ziel ist dabei, deeskalierend zu wirken und eine Arbeitsebene zu dem Klienten aufzubauen, die eine Grundlage zur Berichterstattung und einen Strafvorschlag enthalten.


Um zeitnah auf eventuell erkennbare Problemlagen zu reagieren, sieht das JGG Maßnahmen nach § 71 JGG vor. In Absprache mit den Klienten, dem Jugendrichter und der Staatsanwaltschaft können pädagogische Maßnahmen im Vorfeld der Hauptverhandlung erfolgen.



Hauptverhandlung


In vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem Klienten und seinen Angehörigen erfolgt unter dem Aspekt der Jugendhilfe eine Berichterstattung vor Gericht zur Person des Angeklagten und ein Vorschlag zum Strafmaß als angemessene Reaktion auf das zu Grunde liegende Fehlverhalten. Pädagogische Maßnahmen sind mit dem Klienten besprochen und setzten seine Mitwirkungsbereitschaft voraus.


Die Jugendgerichtshilfe ist neben der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung ein eigenständiges Prozessorgan. Die Berichterstattung vor Gericht aus der Sicht der Jugendhilfe ist Bestandteil der Beweisaufnahme und dient dem Gericht zur Urteilsfindung.



Nachbereitung der Hauptverhandlung


Die JGH übernimmt nach § 38 Abs. 2 JGG die Überwachung der jugendrichterlichen Auflagen und Weisungen. In der Umsetzung bedeutet das, dass die Sachbearbeiter der JGH bis zu ca. einem Jahr den Verlauf der Maßnahmen beobachten und sämtliche notwendigen Informationen, zum Beispiel den Abbruch der Maßnahme, an das Gericht weitergeben. Die JGH begleitet den Klienten, falls er dieses Anliegen vorträgt, bei richterlichen Anhörungen in Bezug auf ausgesprochene Auflagen und Weisungen.



Diversionsverfahren (§45 Abs. 2 JGG)


Das Diversionsverfahren bietet die Möglichkeit, von der Durchführung einer Hauptverhandlung abzusehen. Das Verfahren wird dabei von der Staatsanwaltschaft an die JGH abgegeben mit dem Auftrag, ein evtl. ermahnendes Beratungsgespräch mit dem Beschuldigten zu führen und wenn angebracht pädagogische Maßnahmen einzuleiten.



Haftvermeidung


Gemäß § 72 JGG kann eine Alternative zur Untersuchungshaft gesucht werden, wenn es als pädagogisch sinnvoll erachtet wird. Ein U-Haft vermeidendes Angebot kann z.B. die Unterbringung in eine geeignete Jugendhilfeeinrichtung sein. Möglich sind auch die regelmäßige Wahrnehmung der Angebote durch die Jugendgerichtshilfe wie z.B. Betreuungsweisungen oder der tägliche Besuch der Schule/ Polizeidienststelle etc..



Übergreifende Tätigkeitsfelder


Um im Interesse der Klienten zielgerichtete pädagogische Arbeit leisten zu können, ist eine Kooperation mit verschieden Institutionen unablässig.



Justiz


Seit Beginn diesen Jahres wurde von der JGH ein runder Tisch mit den zuständigen Jugendrichtern und Staatsanwälten ins Leben gerufen. Bei dieser Neuerung liegt der Fokus auf der gemeinsamen Zusammenarbeit in Bezugnahme auf aktuelle Entwicklungen. Zudem besteht ein allgemeiner regelmäßiger Austausch über pädagogische Maßnahmen.



Polizei – Jugendsachbearbeiter-


Gerade im Hinblick auf Mehrfach– und Intensivtäter ist ein regelmäßiger Austausch mit den Jugendsachbearbeitern der Polizei von Nöten.

Außerdem wird die Jugendgerichtshilfe durch die Polizei über die bevorstehende Vorführung beim Haftrichter informiert.



Träger der Jugendhilfe


Um möglichst vielfältige Interventionsmöglichkeiten anbieten zu können, werden die pädagogischen Angebote der Träger genutzt. Diese sind unter anderem die Suchtberatung Friesland, die Schuldnerberatungsstelle des Landkreises Friesland, das Pro-Aktiv-Center Friesland etc.. Die von den Klienten abzuleistenden gemeinnützigen Arbeiten werden in diversen Einrichtungen wie Altenheimen, Freiwillige Feuerwehr etc. im Landkreis Friesland erbracht.



Prävention


Die JGH befindet sich derzeit in der Entwicklung für einen Präventionsunterricht, welcher in der 7. Klasse an den allgemeinbildenden Schulen angeboten werden soll. Im vergangenen Jahr sind diese Unterrichtsangebote bereits häufiger durchgeführt worden.

Dieser Unterricht findet unter dem Aspekt der eintretenden Strafmündigkeit statt. Den Kindern sowie Jugendlichen werden ihre neuen Verantwortlichkeiten und die möglichen Folgen von Straftaten erläutert.



Die Ambulanten Maßnahmen


Die Ambulanten Maßnahmen für straffällige Jugendliche und Heranwachsende sind ebenfalls Bestandteil des Sachgebietes „Jugendhilfe im Strafverfahren“.

Durch dieses Aufgabengebiet werden Betreuungsweisungen, Standortseminare, Themenabende und Täter-Opfer-Ausgleiche (TOA) durchgeführt (sh. Anlage 1).


Dem Ausschuss zur Kenntnis.



Finanzielle Auswirkungen: NEIN

Gesamtkosten der Maßnahmen (ohne Folgekosten)

Direkte jährliche Folgekosten

Finanzierung:


Eigenanteil

objektbezogene Einnahmen



Sonstige einmalige oder jährliche laufende Haushaltsauswirkungen


Erfolgte Veranschlagung:Ja, mit € Nein

im Ergebnishaushalt Finanzhaushalt Produkt- bzw. Investitionsobjekt:

Münch

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Sachbearbeiter/in Fachbereichsleiter/in

Sichtvermerke:

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Abteilungsleiter Kämmerei Landrat

Beratungsergebnis:

Einstimmig

Ja-Stimmen



Nein-Stimmen



Enthaltungen



Kenntnisnahme

Lt. Beschluss­vorschlag

Abweichender Beschluss



Anlagen:


- Anlage 1: Ambulante Maßnahmen der Jugendgerichtshilfe