Begründung:
1.
Ausgangslage
Bundesweit
ist festzustellen, dass diverse Schülerinnen/Schüler ihren
Hauptschulabschluss nicht erreichen. Auch im Landkreis Friesland
erlangen bis zu 10 % der Hauptschüler nicht ihren
Hauptschulabschluss.
Hier gilt es, durch gezielte Maßnahmen
zu erreichen, dass grundsätzlich jeder Schüler seinen
Hauptschulabschluss erlangt.
2.
Modellprojekt
„Abschlussquote erhöhen – Berufsfähigkeit
steigern“
Zu diesem Zweck hat die Bundesagentur für
Arbeit in Zusammenarbeit mit dem Land Niedersachsen das Modellprojekt
„Abschlussquote erhöhen – Berufsfähigkeit
steigern“ (AQB) gestartet.
Ziel dieses Modellprojekts ist es, dass die Schülerinnen/Schüler der Hauptschule ihren Hauptschulabschluss erreichen; ferner, dass die Berufsfähigkeit dieser Schülerinnen/Schüler gefördert wird mit dem Ziel, eine berufliche Ausbildung beginnen zu können.
Teilnehmer dieses Modellprojekts sind Berufsstarterklassen mit Schülern, bei denen sich am Ende der 7. Klasse abzeichnet, dass das Erreichen des Hauptschulabschlusses gefährdet ist.
Das
Modellprojekt beinhaltet eine ganzheitliche Förderung und
Lernunterstützung (schulische Leistungen,
Schlüsselqualifikationen, Berufsorientierung, berufspraktische
Leistungen, Berufsstartbegleitung).
Das Nds. Kultusministerium
hat für den Unterricht in den Berufsstarterklassen, die am
Projekt AQB teilgenommen haben, alle curricularen Freiheiten
eingeräumt, die die jeweilige Schule für ihr Projekt
benötigt. So wird die Stundentafel außer Kraft gesetzt und
auch die Fächereinteilung aufgehoben.
Die Kernfächer
Deutsch und Mathematik bleiben als einzelne Notenfächer, daneben
werden Geschichte/Erdkunde/Politik zur Gemeinschaftskunde und
Biologie/Physik und Chemie zu Naturwissenschaften zusammengefasst. In
die Note für das Fach Wirtschaft geht die Leistung aus der
„Theorie zur Berufspraxis“ (Praktikumsberichte,
Bewerbungstraining, vertiefte Berufsorientierung) mit ein.
Die
Schülerinnen/Schüler werden in zwei Jahren fast
ausschließlich projektorientiert, fächerübergreifend
und individualisiert unterrichtet. Aufgrund der kleinen Lerngruppe
ist es möglich, anhand der individuellen Förderpläne
differenziert am Kompetenzerwerb zu arbeiten. Außerdem können
im Rahmen der Ganztagsschule in den 7./8. Stunden gezielte, weitere
individualisierte Angebote erfolgten (ggf. Englisch, Sozialtraining,
Theorie zur Berufspraxis, Neigungskurse wie z. B. Musik,
Förderstunden etc.).
Weiter wird im Rahmen des
Modellprojekts insbesondere das Sozialtraining als Voraussetzung für
den Lernerfolg geübt.
Das Sozialtraining und die
Steigerung der sozialen Kompetenzen ist für die „akut
abschlussgefährdeten Schülerinnen/Schüler“ von
grundlegender Bedeutung, stehen als Versagungsursache häufig
soziale Armut, Verdrängung, Absentismus und Stigmatisierung dem
Lernerfolg entgegen.
Kann den Schülerinnen/Schülern
ein neues, besseres Selbstwertgefühl vermittelt werden, steigt
die Lern- und Leistungsmotivation und damit ihre individuelle
Handlungsfähigkeit.
Der Unterrichtstag muss nicht dem
45-Minuten-Konzept folgen, sondern kann sich den individuellen
Bedürfnissen anpassen.
Der eigentliche Gewinn ergibt sich
einerseits aus dem fehlenden Reibungsverlust (kein Fachlehrerwechsel,
kein Klassen-Fachraumwechsel, kein Hausaufgabenabfragen, kein Warten
auf den letzten Störer, Betriebsbesichtigungen werden zu
Klassenausflügen und Klassenfahrten eröffnen neue
Perspektiven der Berufsorientierung), andererseits aus den klaren
Strukturen: Klassenlehrer und Berufsstartbegleiter arbeiten eng
zusammen, Rückmeldungen kommen schnell und konsequent.
An
drei Schultagen in der Woche werden die lern- und
leistungsschwachen Schülerinnen und Schüler im Rahmen des
Modellprojekts in der Schule unterrichtet. An zwei festen
Praxistagen pro Woche kommt im Praktikum den Betrieben eine
zentrale Bedeutung zu.
Sowohl
für den Unterricht und für Betreuung und Praktikum als auch
für die individuelle konsequente Begleitung und Förderung
sollte der Schlüssel maximal 15 Schüler – ein Lehrer
– ein Berufsstartbegleiter sein.
Das Modellprojekt wurde
in Niedersachsen mit dem Schuljahr 2007/2008 bei insgesamt 24 Schulen
eingeführt, darunter u. a. bei der Hauptschule
Schortens.
3.
Das Modellprojekt AQB an der
Hauptschule Schortens
Bei der Hauptschule Schortens wurde im
Schuljahr 2007/2008 eine AQB-Klasse mit 13 Schülerinnen/Schülern
eingerichtet.
Im Schuljahr 2008/2009 wurden zwei weitere
Klassen mit jeweils 16 Schülerinnen/Schülern
geschaffen.
Die Schülerinnen/Schüler kommen aus dem
gesamten Landkreis Friesland. Im Landkreis Friesland und in der Stadt
Wilhelmshaven haben sich 87 Firmen und Einrichtungen bereit erklärt,
die Praxistage anzubieten.
Der Landkreis Friesland als Schulträger der Hauptschule Schortens stellte die Schulräumlichkeiten für die Berufsstarterklassen zur Verfügung; ferner übernahm er als Träger der Schülerbeförderung die Schülerbeförderungskosten.
4.
Erfahrungen
aus dem Modellprojekt
4.1
Auf Landesebene
92
Prozent der Teilnehmer an AQB-Klassen haben einen Hauptschulabschluss
erreicht. Diese Abschlussquote kann als ein großer Erfolg
gewertet werden.
47 % der Teilnehmer begannen mit einer
beruflichen Ausbildung. Insbesondere Jugendliche mit
Migrationshintergrund haben beim Erreichen des Hauptschulabschlusses
von dem Besuch einer Berufsstarterklasse profitiert.
Dem
Praktikum in den Betrieben kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. 94
% der Teilnehmer mit einer betrieblichen Ausbildung nahmen diese in
ihrem Praktikumsbetrieb auf. Im Rahmen der Evaluation des
Modellprojekts antwortete mehr als die Hälfte der
Schülerinnen/Schüler einer AQB-Klasse, dass sie lieber zur
Schule gehen, seitdem sie in der Berufsstarterklasse
sind.
4.2
Erfahrungen der Hauptschule Schortens mit den
AQB-Klassen
Alle 13 Schülerinnen/Schüler, die die
AQB-Klasse im Schuljahr 2007/2008 besucht haben, haben auch einen
Hauptschulabschluss erreicht. Von diesen sind insgesamt neun in eine
anschließende Ausbildung gegangen.
In den Klassen, die
ab dem Schuljahr 2008/2009 eingerichtet wurden, werden von den
insgesamt 32 Schülerinnen/Schülern ca. 24 einen
Hauptschulabschluss erreichen.
Für bislang 8
Schülerinnen/Schülern wurden bereits mündliche
Ausbildungszusagen für August 2010 getroffen.
Die
Schülerinnen/Schüler fühlen sich „rundum“
gut betreut. Sie gehen gern in ihren Praktikumsbetrieb. Sie haben die
Möglichkeit, mehrere Berufe auszuprobieren und daher einen
realistischen Einblick in den beruflichen Alltag zu bekommen, sowie
eigene Stärken und Fähigkeiten zu erkennen.
Seitens
der Erziehungsberechtigten wurden ausnahmslos positive
Rückmeldungen geäußert. Das Projekt wird als letzte
Chance angesehen, durch die ihre Kinder im letzten Moment „die
Kurve gekriegt haben“. Durch den abwechslungsreichen und vor
allem praxisorientierten lernen die Schülerinnen/Schüler
sich teilweise von einer ganz anderen Seite kennen und entdecken neue
Stärken und Fähigkeiten. Durch die festen Praktikumszeiten
über die gesamte Laufzeit des Projektes stehen die Chancen
einiger Schülerinnen/Schüler nach dem Hauptschulabschluss
einen Ausbildungsplatz zu bekommen, besser, als nach dem „normalen“
Abgang/Abschluss nach Klasse 9.
Die Betriebe sind den
Projekten gegenüber sehr positiv eingestellt. Sie haben die
Möglichkeit, potentielle Auszubildende für einen längeren
Zeitraum intensiv kennenzulernen. Sie erleben die Entwicklung der
Schülerinnen/Schüler und können so ihr
Leistungspotential und ihre Motivation gut einschätzen. Auch
leistungsschwache Schülerinnen und Schüler haben durch
dieses Praktikum die Möglichkeit, ihr praktisches Können
unter Beweis zu stellen. Dadurch haben Schüler gute Chancen, in
ihrem Praktikumsbetrieb eine Ausbildung machen zu können. Weiter
begrüßen es die Betriebe sehr, dass sie durch ihre
Berufsstartbegleitung einen ständigen Ansprechpartner
haben.
5.
Einrichtung einer AQB-Klasse bei der Schule am
Falkenweg im Schuljahr 2010/2011
Der zukünftige
Schulleiter der Schule am Falkenweg in Sande, Herr Vogt, möchte
aus den o. a. Gründen auch bei der Schule am Falkenweg eine
AQB-Klasse einrichten.
Diesbezüglich haben diverse
Besprechungen zwischen der zukünftigen Schulleitung, der
Bundesagentur, der Landesschulbehörde sowie dem Bildungswerk der
Niedersächsischen Wirtschaft gGmbH (BNW) stattgefunden.
Hierbei
wurde deutlich, dass das Land Niedersachsen, welches bislang eine
Kofinanzierung zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit
wahrgenommen hat, sich landesweit aus dieser Mitfinanzierung mit Ende
des Schuljahres 2009/2010 zurückziehen wird.
Von verschiedener Seite wurde nachhaltig beim Land Niedersachsen insistiert, die Erfolge der AQB-Klassen zu erhalten und sich nicht aus der Finanzierung zurückzuziehen. Leider vergeblich.
Die Bundesagentur für
Arbeit hat erklärt, dass sie die gesamten Kosten nicht
übernehmen wird.
Allenfalls sei denkbar, dass sich die
Bundesagentur für Arbeit, wie bisher, mit ca. 50 % an den
notwendigen Kosten beteiligen wird.
Die Kosten für
Personal, die Ausstattung und für Sachmittel belaufen sich über
einen zweijährigen Zeitraum auf ca. 93.600 €.
Bei
den Personalkosten sind insbesondere die Kosten für die
Berufsstartbegleitung zu berücksichtigen.
Die
Berufsstartbegleitung könnte, wie bisher auch, durch das BNW
wahrgenommen werden.
Erreicht werden konnte bei der Landesschulbehörde, dass für die AQB-Klasse bei der Schule am Falkenweg zusätzliche Lehrerstunden bereitgestellt werden.
Es verblieben
mithin Kosten in Höhe von ca. 46.800 €, die, bedingt durch
den Wegfall der Konfinanzierung durch das Land Niedersachsen, von
dritter Seite zu finanzieren wäre.
Die Stadt
Wilhelmshaven hat signalisiert, dass aus ihrer Sicht eine
Kofinanzierung möglich wäre, wenn in einer AQB-Klasse bei
der Schule am Falkenweg in Sande auch Schülerinnen/Schüler
aus Wilhelmshaven beschult würden.
Eine Abfrage bei
interessierten Hauptschulen aus Wilhelmshaven und dem Landkreis
Friesland hat ergeben, dass zurzeit 17 Schülerinnen/Schüler
an einer Beschulung in einer AQB-Klasse interessiert wären. Die
Hälfte davon käme voraussichtlich aus Wilhelmshaven, so
dass unter Berücksichtigung eines solchen Verteilerschlüssels
auch die Hälfte der ungedeckten Kosten durch die Stadt
Wilhelmshaven übernommen werden könnte. Somit verbliebe für
die Monate August bis Dezember des Jahres 2010 für den Landkreis
Friesland eine zu finanzierende Summe in Höhe von ca. 9.800 €.
Im Jahr 2011 wären es ca. 23.400 €.
Unter
Berücksichtigung der Tatsache, dass durch eine Beschulung in
AQB-Klassen die Wahrscheinlichkeit groß ist, einen
Hauptschulabschluss zu erlangen, ferner, dass eine berechtigte
Perspektive bei den Schülerinnen/Schülern besteht, einen
Ausbildungsplatz erlangen zu können, wird vorgeschlagen, dass
zwecks Realisierung des Projekts an der Schule am Falkenweg die
Finanzierung des Fehlbedarfs in dargestellter Form durch den
Landkreis Friesland mit Beginn des Schuljahres 2010/2011 für die
Jahrgangsstufe 8 der Hauptschule und sonach sich ggf. in den
Folgejahren ebenfalls für die Jahrgangsstufen 8 der Hauptschule
wiederholend übernommen wird. Der Schulstandort Sande würde
durch diese Maßnahme nachhaltig gestärkt. Ferner besteht
die berechtigte Hoffnung, dass die Sozialträger, bedingt durch
eine realistische Perspektive der Schülerinnen/Schüler auf
einen Arbeitsplatz, entlastet werden.
Auch andere kommunale
Gebietskörperschaften gehen aus den genannten Gründen
ähnlich vor und übernehmen die nicht gedeckten Kosten der
berufsorientierenden Begleitung an den Hauptschulen.
Herr Vogt
steht in der Sitzung für ergänzenden Erläuterungen und
Rückfragen zur Verfügung.
Beschlussvorschlag:
Der Einrichtung des Modellprojekts „AQB“ bei der Schule am Falkenweg in Sande ab dem 01.08.2010 wird zugestimmt.
Finanzielle Auswirkungen: Ja |
|||||||||||
Gesamtkosten der Maßnahmen (ohne Folgekosten) im Ergebnishaushalt 2010: ca. 9.800 €, ab 2011: ca. 23.400 € |
Direkte jährliche Folgekosten |
Finanzierung: Mehreinnahmen aus Gastschulgeldforderungen Eigenanteil objektbezogene Einnahmen
|
Sonstige einmalige oder jährliche laufende Haushaltsauswirkungen
|
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€ |
€ |
€ |
€ |
|||||||
Erfolgte Veranschlagung: Nein |
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_______________ gez. Thöle Sachbearbeiter/in Fachbereichsleiter |
Sichtvermerke: ____________ ________________ gez. Ambrosy Abteilungsleiter Kämmerei Landrat |
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Beratungsergebnis: |
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Einstimmig |
Ja-Stimmen
|
Nein-Stimmen
|
Enthaltungen
|
Kenntnisnahme |
Lt. Beschlussvorschlag |
Abweichender Beschluss |